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Debatte: Pro und Contra: Sollten Atomkraftwerke länger laufen?

Debatte

Pro und Contra: Sollten Atomkraftwerke länger laufen?

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    Bayerns ehemals größtes Kernkraftwerk in Bayern steht in Gundremmingen. Inzwischen kommt kein Dampf mehr aus den Kühltürmen.
    Bayerns ehemals größtes Kernkraftwerk in Bayern steht in Gundremmingen. Inzwischen kommt kein Dampf mehr aus den Kühltürmen. Foto: Bernhard Weizenegger

    Brennstäbe fehlen, die Technik ist riskant, erneuerbare Energien sind die Zukunft: Die Kernkraft ist auch für die Zeit des Ukraine-Krieges nicht erste Wahl.

    Ja, außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Ideen. Der Ukraine-Krieg stellt unser Leben auf den Kopf, unser Denken wird noch mehrmals die Richtung ändern müssen. Ob es aber das Richtige ist, mit der alten Kern-Technologie auf die Gas- und Ölknappheit zu reagieren, muss stark bezweifelt werden. Im Gegenteil. Das beginnt bei ganz praktischen Problemen.

    Längere Laufzeiten bedeuten frische Brennstäbe. Diese wären aber, nach allem, was man weiß, erst in eineinhalb Jahren verfügbar. Brennstäbe sind nichts, was man kauft wie Brezeln beim Bäcker. Bei diesen Fristen könnten die drei noch am Netz hängenden Meiler Isar2, Neckarwestheim und Emsland erst im Herbst 2023 zusätzlichen Strom produzieren. Zu spät. Mit den bestehenden Brennelementen könnten die Kraftwerke zwar im sogenannten „Streckbetrieb“ einige Wochen über den 31. Dezember 2022 hinaus Energie liefern. Die Strommenge müsste aber zuvor eingespart werden, zum Beispiel diesen Sommer – ein Nullsummenspiel. Ohnehin reden wir nur über Übergangszeiten.

    Die deutsche Gesellschaft hat Atomkraft mehrheitlich beerdigt

    In mittel- und langfristigen Überlegungen bleibt die Kernkraft eine riskante und in Grenzfällen kaum beherrschbare Technologie. Das haben die Katastrophen von Fukushima und Tschernobyl gezeigt. Jede Flutwelle wie im Ahrtal, jeder Flugzeugabsturz, jeder Terroranschlag ruft Fragen nach der atomaren Sicherheit hervor. Selbst zukünftige Reaktor-Generationen kämen nicht ohne radioaktives, hochgefährliches Material aus. Ungelöst ist bis heute die Endlagerfrage. Allein, dass ein Ort gesucht wird, der die abgebrannten Brennstäbe eine Million Jahre (!) sicher einschließt, beweist die Gefährlichkeit der Stoffe.

    Der Atomausstieg ist einer der am besten diskutierten Konflikte der Bundesrepublik – von den Straßenprotesten gegen Castor-Transporte und gegen eine Wiederaufbereitungsanlage in Bayern bis hin zu zwei parlamentarischen Verfahren 2002 und 2011. Die deutsche Gesellschaft hat die Atomkraft mehrheitlich beerdigt.

    Kernkraft macht nur noch einen Bruchteil der Stromerzeugung aus

    Sicher, stiege die Energienot im Laufe des Jahres massiv an, wird wieder nach Lösungen gesucht werden, um den Black-Out zu verhindern. Erste Wahl ist die Kernkraft aber auch dann nicht. Im Januar 2022 machten die erneuerbaren Energien satte 47,9 Prozent der Stromerzeugung aus, fossile Energieträger 45,8 Prozent, die Kernkraft schmale 6,3 Prozent. Das sollte sich ersetzen lassen. Selbst bei den Energiekonzernen hält sich die Begeisterung für den Weiterbetrieb in Grenzen. Die Zeit der Kernkraft in Deutschland, sie läuft ab. (Michael Kerler)

    So sah das AKW Gundremmingen aus, als es noch in Betrieb war. Soll die Laufzeit für Deutschlands letzte Atomkraftwerke verlängert werden?
    So sah das AKW Gundremmingen aus, als es noch in Betrieb war. Soll die Laufzeit für Deutschlands letzte Atomkraftwerke verlängert werden? Foto: Ulrich Wagner (Archivbild)

    Erdgas war bisher der rettende Anker für die Energiewende. Ohne das Gas brauchen wir die Atomkraft - für eine Übergangszeit müssen die Laufzeiten verlängert werden.

    Niemand hat das Offensichtliche in der Politik anschaulicher beschrieben als Franz Müntefering, der große Alltagsphilosoph. Dass in einer alternden Gesellschaft das Rentenalter nicht tabu bleiben konnte, wusste vor 15 Jahren jeder. Etwas zu unternehmen traute sich keiner, bis der Sozialminister Müntefering die Rente mit 67 in Angriff nahm: „Da muss man kein Mathematiker sein. Da reicht Volksschule Sauerland, um zu wissen: Wir müssen etwas machen.“

    Ähnlich verhält es sich jetzt mit unserer Energieversorgung. Dass das Land zu abhängig ist von russischem Gas und Öl, weiß jeder. Deswegen etwas länger auf die Atomkraft zu setzen, will allerdings kaum einer. Dabei muss man kein Ökonom sein, um in den hohen Energiepreisen eine gewaltige Bedrohung für unseren Wohlstand zu sehen. Da reicht Volksschule Sauerland.

    Deutschland kann sich noch nicht allein mit regenerativen Energien versorgen

    Für die Energiewende war das Erdgas bisher so etwas wie der rettende Anker. Es sollte dafür sorgen, dass der Strom auch bei Flaute und Wolken verlässlich aus der Steckdose kommt. Diese Illusion hat Putin uns jäh genommen. Wenn die Politik die Wirtschaft nicht ruinieren und die Verbraucher nicht überfordern will, hat sie nur eine Möglichkeit: ein paar Jahre länger auf Kohle- oder Atomstrom zu setzen. Darauf zu vertrauen, dass Deutschland sich bald alleine aus regenerativen Quellen versorgt, wäre politisches und ökonomisches Harakiri.

    Gegen die Kernkraft werden gerne zwei Argumente angeführt: die Sicherheit und die fehlenden Brennstäbe. Nur weil wir unsere Reaktoren abschalten, wird Europa aber nicht sicherer. Radioaktivität kennt keine Landesgrenzen. Eine russische Rakete könnte im Worst Case auch einen benachbarten tschechischen oder französischen Reaktor treffen – und damit uns alle. Und was die Brennstäbe angeht: Ein modernes Industrieland muss in der Lage sein, so etwas mit einem knappen Jahr Vorlaufzeit zu regeln. Wir haben dreistellige Milliardenbeträge für die Bundeswehr und den Klimaschutz übrig, aber keine Brennstäbe? Absurd!

    Die Kernkraft ist die klimafreundlichere Lösung

    Verglichen mit der Kohle, der einige Grüne nun plötzlich das Wort reden, ist die Kernkraft die deutlich klimafreundlichere Lösung, zumal sie uns auch ein Stück autarker macht. Auf Dauer hat sie in der Bundesrepublik keine Zukunft – und das ist auch gut so. Für eine Übergangszeit jedoch ist eine Verlängerung der Laufzeiten die vernünftigste Lösung. Im vergangenen Jahr hatte Erdgas einen Anteil von gut zehn Prozent an der Stromerzeugung in Deutschland und die Kernenergie noch gut 13 Prozent. Um daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen, muss man kein Mathematiker sein. Da reicht Volksschule Sauerland. (Rudi Wais)

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