Der frühere Finanzminister Peer Steinbrück hält die Furcht vor einer neuen Finanzkrise nach der Notübernahme der Schweizer Großbank Credit Suisse und der Unruhe an den internationalen Finanzmärkten für übertrieben. "Die Lage im Bankensektor ist angespannt und überhaupt nicht zu unterschätzen, aber sie ist nicht vergleichbar mit der Weltfinanzkrise von 2008/ 2009", sagte der SPD-Politiker unserer Redaktion. "Der Zungenschlag ist mir zu dramatisch, denn aus der Weltfinanzkrise sind richtige Lehren gezogen worden", betonte er.
Gleichwohl sei die Bankenregulierung durch Lücken noch nicht stark genug, um Finanzkrisen ausschließen zu können. "Das, was nicht gelungen ist, ist ein Trennbankensystem mit Geschäftsbanken auf der einen und Investmentbanken auf der anderen Seite zu errichten", sagte Steinbrück. "Da war der politische Widerstand und der Widerstand der Finanzindustrie zu groß", erklärte der ehemalige Minister. "Wir haben es außerdem mit einem Schattenbankensystem zu tun, das fast gar nicht reguliert ist. Auch dieses Werkstück ist noch nicht angepackt."
Steinbrück warnt vor Empörungswelle gegenüber deutschen Banken
Dennoch seien wichtige Maßnahmen getroffen worden, um Finanzkrisen wie vor 15 Jahren vorzubeugen, betonte Steinbrück. "Wir haben höhere Eigenkapitalvorgaben, höhere Liquiditätspuffer und eine europäische Bankenaufsicht", fügte er hinzu. "All das gab es seinerzeit nicht. Die deutschen und die europäischen Banken stehen heute robuster da als vor gut 15 Jahren."
Steinbrück warnte zugleich vor einer allgemeinen Empörungswelle gegenüber den Banken: "Ich halte die sehr zeitpunktbezogene, sehr probate Bewertung der vermeintlich bösen Banken für zu pauschal", sagte Steinbrück. "Europa braucht starke, international wettbewerbsfähige Banken", betonte er. "Heute sind die amerikanischen Institute viel stärker und profitabler. Wir dürfen nicht in noch eine weitere Abhängigkeit von anderen Wirtschaftsräumen geraten, wie wir es bei Chips und Rohstoffen schon sind."
Steinbrück sieht in EZB-Zinspolitik keine Ursache für Finanzkrise
Steinbrück nahm zugleich die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank in Schutz. "Die Zinswende der EZB ist richtig", betonte der frühere SPD-Minister. "Ich habe sie oft kritisiert dafür, dass sie im Vergleich zur Fed in den USA zu zögerlich agiert hat", sagte er. "Und die Banken selbst haben über Jahre höhere Zinsen gefordert. Problematisch ist das für Geldhäuser, die zu viele langläufige Anleihen gekauft haben, die wegen der Zinswende stark an Wert verloren haben und nur noch mit Verlusten zu verkaufen waren, als Einleger ihre Mittel abziehen wollten." Er kritisierte dabei auch die in Schieflage geratenen Schweizer Großbank. "Die Credit Suisse ist kein Fall, der jetzt akut über Nacht aufgetreten ist. Seit mehreren Jahren plagen die Bank Skandale und Probleme."
Steinbrück war während der globalen Finanzkrise mit der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor die Presse getreten und hatte die Einlagen der Sparer für sicher erklärt. Der deutsche Staat rettete in Schieflage geratene Kreditinstitute mit Milliardenbeträgen. Der einstige Finanzminister ist heute als Berater für die Großbank ING tätig.