Wer noch leise Hoffnungen auf einen rasch endenden Corona-Lockdown in Schanghai hegte, der wurde inzwischen eines Besseren belehrt: Unter Hochdruck wird gerade in der chinesischen Metropole das städtische „Convention Center“ in das weltweit größte Covid-Krankenhaus umgebaut. In den Hallen sollen bald 40.000 Betten Platz finden. Doch trotz der anhaltenden Ausgangssperren steigen die Infektionszahlen: Zuletzt meldeten die Behörden über 17.000 Ansteckungen in Schanghai.
Pandemie in China hinterlässt Global wirtschaftliche Dellen
Dass die Lockdown-Politik wirtschaftlich tiefe Dellen hinterlassen wird, steht außer Frage. Das Ausmaß der Krise ist dennoch schockierend: Am Mittwoch sorgte das renommierte Wirtschaftsmagazin Caixin mit seinem Einkaufsmanagerindex (EMI) für den Dienstleistungssektor für Schockwellen. Der Indikator zeigt an, wie die Stimmung derzeit unter den Unternehmen ist – ein Wert über 50 signalisiert Wachstum, darunter bedeutet Rückgang. Im März ist der EMI von 50,2 auf ein Rekordtief von 42 eingebrochen.
„Das ist beispiellos“, sagt Jörg Wuttke, Präsident der europäischen Handelskammer in Peking. Auch die Großbank UBS hat unlängst ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum der Volksrepublik von fünf Prozent auf vier Prozent hinabgestuft – es wäre der niedrigste Wert seit mehreren Jahrzehnten.
Ein schwächelndes China hat global gesehen massive Auswirkungen, schließlich wird im Reich der Mitte über ein Viertel des weltweiten Wirtschaftswachstums generiert. „Wenn China Schluckauf hat, bekommen wir alle eine Erkältung“, sagt Wuttke. Die Stimmung ist entsprechend gedrückt.
China ist bereit, wirtschaftliche Kosten in Kauf zu nehmen
In der Wirtschaftsmetropole Shenyang etwa gilt bereits seit über zehn Tagen ein flächendeckender Lockdown, auch der internationale Flughafen ist außer Betrieb. Aufgrund der vielen Insolvenzen sei es zudem schwer geworden, überhaupt noch Kredite von den Banken zu erhalten. „Es gibt eine große Sorge um die Zukunft, weil man keinen Exit-Plan erkennt: Nach der Corona-Welle ist schließlich vor der Corona-Welle“, sagt Handelskammervorstand Harald Kumpfert. Chinas Regierung hat sich mehr denn je dazu verpflichtet, an ihrer Null-Covid-Strategie festzuhalten – und die wirtschaftlichen Kosten in Kauf zu nehmen. Wegen der Ausgangssperren müssen Arbeiter nicht selten wochenlang in Fabriken hausen. Die Wartezeiten auf Zulieferungen verdoppeln sich, weil sämtliche aus dem Ausland importierten Produkte auf Virusspuren untersucht werden. Und selbst Geschäftsreisen innerhalb des Landes sind derzeit tabu.
Am prekärsten aber ist die Situation derzeit in Schanghai – einer 26-Millionen-Metropole, die immerhin knapp vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts generiert. „Schanghai ist zu einer Geisterstadt geworden“, sagt Bettina Schön-Behanzin, die die lokale EU-Handelskammer leitet. Derzeit sind die Geschäftsbilanzen nahezu in den Hintergrund gerückt, denn viele Mitarbeiter haben viel grundsätzlichere Probleme: „Wir haben Berichte von Leuten, die täglich um vier Uhr morgens aufstehen – in der Hoffnung, um die Uhrzeit an Essenslieferungen zu gelangen“, sagt Schön-Behanzin.
All das hat den Exodus der Europäer noch einmal beschleunigt. Allein im Zuge der Pandemie hat sich die ohnehin niedrige Anzahl an Ausländern in China halbiert.