Kleiderläden müssen im Freistaat nach dem jüngsten rechtskräftigen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes nicht mehr die 2G-Regeln anwenden. Es bekommen also auch Personen Zutritt, die weder geimpft noch genesen sind. Das Gericht hatte seine Entscheidung am Mittwoch damit begründet, dass auch Kleidung dem "täglichen Bedarf" zugeschrieben werden kann. Denn diesen bedienen - in der gültigen Fassung der vom bayerischen Gesundheitsministerium zuletzt aktualisierten Infektionsschutzmaßnahmenverordnung - auch zum Beispiel Hörakustiker oder Weihnachtsbaumverkäufer, wie das Gericht erwähnte.
Schuhe, Bücher, Schnittblumen, Gartengeräte - was noch?
Die Frage, die sich nun stellt, lautet: Was fällt denn eigentlich nicht unter "täglichen Bedarf"? Das Gericht schreibt, dass der entsprechende Katalog an Geschäften "ausdrücklich eine nicht abschließende Auflistung" sei. In diesen seien zudem auch solche aufgenommen, die vergleichsweise "eher selten und in der Regel anlassbezogen" aufgesucht würden. Insofern fielen nun eben auch Kleiderläden unter die Ausnahme von der 2G-Regelung. Deren Bedeutung für die Allgemeinheit trete nämlich nicht "hinter die von Schuhen, Büchern, Schnittblumen oder Gartengeräten zurück" und Bedarf an Kleidung könne "täglich eintreten".
Der Verwaltungsgerichtshof hatte den Eilantrag eines Bekleidungsunternehmens gegen die 2G-Regel als unzulässig abgelehnt. Vereinfacht gesagt, habe diese für das Unternehmen gar nicht gegolten, folglich könne es auch nicht in seinen Rechten verletzt sein.
Handelsverband-Geschäftsführer Wolfgang Puff: Beschluss "logisch und erwartbar"
Wolfgang Puff, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Bayern, kommentierte den Verwaltungsgerichtsbeschluss im Gespräch mit unserer Redaktion als "logisch und erwartbar". Bereits vor Weihnachten habe das gleiche Gericht schließlich Spielzeug als Ware des täglichen Bedarfs eingeordnet. Das, so Puff, könne nach seiner Interpretation alles sein, "wo täglicher Bedarf auftreten kann". Sprich: das Bett, der Wintermantel, das Porzellan oder die Ledertasche. Was wiederum in der Konsequenz für den Handelsverband-Geschäftsführer bedeutet, dass jede Branche, die nicht in der fraglichen Verordnung aufgeführt sei, sich erst mal als dem täglichen Bedarf dienend betrachten könne. Puff: "Wenn man dem Gerichtsbeschluss folgt, fällt es mir schwer, zu sagen, was nicht täglicher Bedarf ist." Autos vielleicht oder Schmuck? Es stelle sich jedenfalls die Frage, ob die ganze Verordnung mit Blick auf den Einzelhandel überhaupt noch tragfähig sei.
Bayerisches Wirtschaftsministerium: Kritik des Verwaltungsgerichtshofes "völlig gerechtfertigt"
Das bayerische Gesundheitsministerium (CSU) hält sich mit einer Kommentierung des Gerichtsbeschlusses zurück. Man habe diesen zur Kenntnis genommen und die Liste der von 2G nicht betroffenen Einzelhandelsgeschäfte „angepasst“. Weiterer Anpassungsbedarf werde geprüft, heißt es knapp.
Im bayerischen Wirtschaftsministerium (Freie Wähler) hat man dagegen eine klare Meinung: Auf Anfrage teilt ein Sprecher mit, man habe von vorneherein darauf hingewiesen, "dass die durch die Einführung von 2G im Einzelhandel notwendige Differenzierung zwischen Geschäften des täglichen Bedarfs und sonstigen Geschäften zu größten und kaum sinnvoll möglichen Abgrenzungsproblemen" führen werde. Das Ministerium sei gegen diese Einführung gewesen, "zumal der Einzelhandel insgesamt nachweislich nie ein Pandemietreiber war und ist". Die Ministerpräsidentenkonferenz habe Anfang Dezember 2021 indes anders entschieden, weshalb man sich dem "nicht mehr entziehen" habe können. Der Verwaltungsgerichtshof habe nun "im Sinne des Einzelhandels" entschieden, im Ergebnis sei das daher "zufriedenstellend".
Niemand, so heißt es aus dem Wirtschaftsministerium weiter, wisse letztlich, was unter täglichen Bedarf falle. Die Kritik des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs an der Aufzählung in der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung sei "völlig gerechtfertigt", entsprechend klar, dass 2G im bayerischen Einzelhandel "bestenfalls noch für eine kleine Minderheit von Geschäften" gelte und auf "höchst wackeligen rechtlichen Füßen" stehe. Die Empfehlung des Hauses: "Wir sollten daher 2G im Einzelhandel insgesamt baldmöglichst außer Kraft setzen beziehungsweise streichen, bevor uns weitere Gerichtsbeschlüsse dazu zwingen. Die derzeitige Regelung bringt für den Infektionsschutz wenig bis nichts, führt aber zu massiven Wettbewerbsverzerrungen gerade zu Ungunsten des mittelständischen Einzelhandels und der Innenstädte."