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Corona-Hilfen: 400 Unternehmer aus Augsburg und der Region schlagen Alarm

Corona-Hilfen

400 Unternehmer aus Augsburg und der Region schlagen Alarm

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    Stefan Ehle, Maler- und Lackiermeister, Inhaber des Unternehmens Ehle, Augsburg , zudem Sprecher des Unternehmerkreises Zukunft in Not.
    Stefan Ehle, Maler- und Lackiermeister, Inhaber des Unternehmens Ehle, Augsburg , zudem Sprecher des Unternehmerkreises Zukunft in Not. Foto: M. Kerler

    Die Sorge vor den Folgen des Corona-Lockdowns treibt viele Menschen um, darunter viele Unternehmer. Manche von ihnen melden sich einzeln zu Wort, manche haben sich in Initiativen zusammengeschlossen. Eine von ihnen ist der Unternehmerkreis Zukunft in Not, der am 28. Januar mit einer Versammlung auf dem Rathausplatz in Augsburg auf seine Anliegen aufmerksam machte. Was liegt den Unternehmern am Herzen? Dazu haben wir mit dem Unternehmerkreis gesprochen.

    "Uns eint die Sorge um die Betriebe und die Gesamtwirtschaft in der Region", sagt Stefan Ehle, Sprecher des Unternehmerkreises und Inhaber eines Maler- und Lackierbetriebes in Augsburg. Am Anfang standen sechs Unternehmer, die sich teilweise kannten. Ab Mitte November habe man begonnen, Kollegen anzusprechen. "Bei unserem ersten öffentlichen Auftritt am 28. Januar waren wir 320 Unternehmer, Stand heute sind es über 400. Wir repräsentieren rund eine Milliarde Euro Umsatz und über 5000 Mitarbeiter." Anlass für die Gründung sei gewesen, dass ihre Anliegen in Politik und Standesvertretungen keine Resonanz gefunden hätten. "Unser Ziel ist auch die gegenseitige Unterstützung für notleidende Betriebe, Solidarität. Wir tauschen uns aus und unterstützen uns gegenseitig."

    Bringt die Corona-Politik Betriebe in Existenznot?

    Eine der Hauptsorgen des Unternehmerkreises ist, dass die Corona-Politik Betriebe in Existenznot bringt. In der Gastronomie gebe es Betriebe, die nie wieder aufmachen werden. "Teils herrscht helle Verzweiflung, wenn eine vier- oder fünfköpfige Familie kein Einkommen mehr hat", beschreibt es Ehle. "Wir erwarten einen Tsunami an Insolvenzen. Er wird auch gesunde Betriebe mitreißen." Dazu kommt die Befürchtung, dass das gesellschaftliche Leben in der Region zusammenbrechen könnte. Kommunen werden Einnahmen für das Stadt- und Kulturleben fehlen. Letztlich stelle sich die Frage, wer die Kosten des Lockdowns trägt. "Wir befürchten, dass am Ende der Mittelstand zahlt", sagt Ehle.

    Von Corona-Leugnern grenzt sich der Unternehmerkreis ab: "Wir wollen nicht in die falsche Ecke gestellt werden und sind nicht darin. Wir sind nicht gegen Maßnahmen, wir nehmen das Coronavirus sehr ernst", sagt Ehle. "Es hat nur keinen Sinn, mit einem Lockdown alle gleichermaßen und unverhältnismäßig zu treffen" – wie bei dem Schuss mit einer Schrotflinte.

    Welche Lösungen schweben den Unternehmern vor? "Die Fakten müssen auf den Tisch. Es heißt, dass es ein diffuses Infektionsgeschehen gibt, das reicht nicht", sagt Ehle. "Es ist Aufgabe zum Beispiel der Stadt, festzustellen, wo die Infektionen stattfinden. Wenn es nötig ist, muss man dafür die Manpower verstärken. Auf Basis der Faktenlage muss man dann nachsteuern." Zudem fordern die Unternehmer Maßnahmen, die auf die Lage vor Ort abgestimmt sind. Beispielhaft kommen sechs Unternehmer zu Wort.

    Oliver Heib: Akku- und Batteriehändler aus Aichach

    Oliver Heib betreibt einen Akku- und Batteriehandel in Aichach. In seinem Ladengeschäft verzeichnet er infolge der Corona-Pandemie Einbußen von rund 95 Prozent, wie er erzählt. Zwar ist es seit ein paar Wochen auch in Bayern erlaubt, Produkte in eigentlich geschlossenen Geschäften zu bestellen und vor Ort abzuholen. Doch das sei "wirtschaftlich nicht darstellbar", sagt Heib. Sein Glück sei, dass er bereits seit 22 Jahren im Onlinehandel vertreten sei und über seinen Großhandel zusätzliche Einnahmen generieren könne.

    Oliver Heib aus Aichach betreibt einen Akku- und Batteriehandel.
    Oliver Heib aus Aichach betreibt einen Akku- und Batteriehandel. Foto: Lena Heib

    Doch beim Blick aus dem Fenster auf die gegenüberliegende Straßenseite werde ihm immer wieder bewusst, dass "der gesunde Menschenverstand in der Krisenbewältigung fehlt", wie er sagt. "Der Aldi darf öffnen, wir müssen zumachen." Der Supermarkt dürfe Malerbedarf verkaufen und Paletten in den Gang stellen. Die Menschen stünden bis über den Parkplatz Schlange. "Wir haben seit Februar oder März nur noch zwei Kunden hereingelassen, nach links und rechts separiert, darauf geschaut, dass sie die Abstände einhalten, ihre Masken tragen und dass sie sie richtig tragen." Jetzt solle er Batterie-Abholungen vor der Tür abwickeln und mit der Ware und dem Wechselgeld hin- und herlaufen. Aber wenn ein Kunde ein Olivenöl der B & H Handels GbR wolle, die Heib mit einem Partner betreibt und die eine Verkaufsstelle in seinem Akku- und Batteriehandel hat, dann dürfe er ihn hereinbitten. Heib kann über solche Widersprüche nur den Kopf schütteln.

    Auch die staatlichen Corona-Hilfen sieht er skeptisch: "Das große Problem ist, dass nur den Großen geholfen wird und bei den Kleinen nur Kredite ankommen, die eh nicht helfen und für die die Bankhürden immens hoch sind." Die Kredite müssten irgendwann zurückgezahlt werden. "Die Probleme werden so nach vorne verlagert", befürchtet Heib.

    Er sagt, er will nicht jammern. Gastronomen beispielsweise hätten es viel schwerer als er. Die entscheidende Frage sei, wie lange der Lockdown noch dauere. "Primäres Problem ist, dass kein Kunde mehr kommt. Das sekundäre Problem ist, dass die Kunden kein Geld mehr haben." Vor allem bei kleinen Firmen gehe es um die Existenz. Heib: "Die Frage ist: Wie lange muss man den Menschen den Lockdown noch zumuten?" Er verstehe nicht, warum der Staat so viel Geld ausgegeben habe, um große Firmen zu retten, statt es vor Beginn der zweiten Welle in Krankenhäuser und Intensivstationen zu investieren.

    Robert Höck: Metallbauer aus Friedberg

    Auf die Frage, wie die wirtschaftliche Lage seines Unternehmens ist, sagt Robert Höck: "Wir gehören zum Bauhandwerk, entsprechend ist die Lage bei uns noch gut. Aber wir sehen eine Welle von Pleiten auf uns zukommen. Und wenn die Leute kein Geld mehr haben, werden wir das auch zu spüren bekommen. Und als Kreishandwerksmeister sehe ich, dass es draußen kocht. Die Friseure, die Goldschmiede – alle Betriebe, die im Lockdown schließen müssen – stehen mit dem Rücken zur Wand."

    Robert Höck ist Inhaber von Metallbau Höck in Friedberg und Kreishandwerksmeister.
    Robert Höck ist Inhaber von Metallbau Höck in Friedberg und Kreishandwerksmeister. Foto: Sabine Roth

    Was sind aus seiner Sicht die größten Probleme mit den Corona-Hilfen der Regierung? Das Hauptproblem, sagt der Metallbauer, sei, dass von den Hilfen praktisch nichts ankomme. Nur Teile würden ausgezahlt und das auch nur schleppend, "wegen Softwareproblemen oder irgendwelchen anderen Gründen". Dabei heiße es ja "Corona-Schnellhilfe und nicht Langsamhilfe". Und kommt er trotzdem zurecht, wie lange hält sein Unternehmen den Lockdown noch durch? Höck sagt: "Mein Unternehmen wird den Lockdown so lange durchhalten, bis die anderen nichts mehr bestellen können. Aber die Friseure draußen, die halten keine zwei Wochen mehr durch. Und würde es irgendwie dazu kommen, dass auch unser Betrieb einen Lockdown kriegt, dann würden wir auch ganz schnell die Grätsche machen. Ich muss ja meine Angestellten bezahlen."

    Angelo Höfele: Friseur aus Augsburg

    Angelo Höfele antwortet auf die Frage, wie die wirtschaftliche Lage seines Unternehmens ist, Folgendes: "Um unser Friseurgeschäft brauche ich mir ‚nur‘ kleine Sorgen machen, wenn es auch finanziell ein riesiges Loch in die Kasse reißt und richtig, richtig wehtut! Wir haben ein reines Familienunternehmen, in dem meine Frau, unsere drei Töchter und unser Schwiegersohn zusammenarbeiten, das macht es leichter." Er betont, dass es ihm um die allgemeine wirtschaftliche Situation seiner Kollegen, der kleinen Firmen und mittelständischen Unternehmen geht, besonders um das Verhältnis zwischen "Pandemie" und den immensen wirtschaftlichen und vor allem gesundheitlichen Kollateralschäden.

    Der Friseur Angelo Höfele aus Augsburg.
    Der Friseur Angelo Höfele aus Augsburg. Foto: Höfele

    Die größten Probleme mit den Corona-Hilfen der Regierung sieht er so: "Nicht nur in Sachen Corona-Hilfen, sondern auch in anderen Belangen sei die Bürokratie "katastrophal". Es gebe acht Überbrückungshilfen, von denen bei ihm nur die Soforthilfe greife, erklärt Höfele. Diese müsse voll versteuert und sehr wahrscheinlich auch zurückgezahlt werden. Die restlichen sieben Überbrückungshilfen fielen bei seinem Berufszweig komplett aus. Die Innungen, Handwerkskammern und Industrie- und Handelskammern seien "stets bemüht", beschreibt er. Und schiebt hinterher: "Mehr muss ich wohl dazu nicht sagen."

    Und wie lange hält er den Lockdown noch durch? Höfele sagt: "Als Unternehmer trenne ich ganz strikt das private und geschäftliche Kapital. Es ist auch nicht der Sinn, dass ich mit dem angesparten privaten Kapital (zum Beispiel für Krankheit, Ausfall, Rente) ins Geschäftliche investiere." Das könne auch bei weitem nicht jeder. Er zeigt sich aber zuversichtlich und sagt: "Wir werden die ‚beschissene Situation‘ mit dem ein oder anderen Kollateralschaden überstehen."

    Stefan Ehle: Maler und Lackiermeister aus Augsburg

    Stefan Ehle ist Maler- und Lackiermeister aus Augsburg. Das Unternehmen mit rund 80 Mitarbeitern ist spezialisiert auf Malen, Lackieren, Pulverbeschichtung und Betonsanierung. "Im Moment habe ich noch keine akuten Existenzsorgen", sagt Stefan Ehle. "Wir sind mit unserem Kunden- und Tätigkeitsspektrum breit aufgestellt. Allerdings sehen wir, was auf uns zukommt." Er befürchtet wirtschaftliche Verwerfungen, die größer sind als in der Finanzkrise 2008/09 – und eine Insolvenzwelle. "Der Markt wird dann auch für unser Unternehmen kleiner, da mittelständische Betriebe, Handwerker und Eigentümergemeinschaften unsere Auftraggeber sind." In einem Bereich – der Pulverbeschichtung – habe er bereits Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken müssen.

    Deutliche Kritik am Corona-Krisenmanagement kommt auch vom Unternehmerkreis Zukunft in Not. Sechs Mitglieder sagen, was nicht passt.
    Deutliche Kritik am Corona-Krisenmanagement kommt auch vom Unternehmerkreis Zukunft in Not. Sechs Mitglieder sagen, was nicht passt. Foto: Julian Leitenstorfer (Symbol)

    Was die Situation für ihn selbst bedeutet? "Mir selbst geht es nicht gut, ich fühle mich in meiner Freiheit beschnitten", beschreibt er sein Empfinden. Der Unternehmer weist auf das Problem hin, dass viele mittelständische Unternehmer ihr Kapital in den Betrieb investieren, ohne eine alternative Altersvorsorge zu haben. "Wenn der Betrieb weg ist, haben wir keine Altersvorsorge mehr", beschreibt er die Lage. Welche Perspektiven schweben ihm vor? "Wir brauchen Planungssicherheit und eine Exit-Strategie", sagt der Unternehmer. "Wir müssen wissen, wie wir hier wieder herauskommen."

    Heidi Schindler von der Blitzblank Gebäudereinigung in Augsburg

    Heidi Schindler, BlitzBlank Gebäudereinigung, Augsburg "Wir sind hier in Augsburg seit über 96 Jahren, die älteste Firma der Branche und überregional tätig", sagt Heidi Schindler, die im Vorstand der Gebäudereinigerinnung Südbayern tätig ist. Der Meisterbetrieb ist ein Familienunternehmen und beschäftigt 400 Mitarbeiter. Kunden sind Einzelhandel, Banken, Fitnessstudios, Veranstaltungsräume, Museen und anderes mehr. Vieles davon ist jetzt geschlossen. "Wir sind seit geraumer Zeit aufgrund geschlossener Objekte mit einem Teil unserer Mitarbeiter in Kurzarbeit", sagt sie. "Viele meiner Mitarbeiter, die nur 60 Prozent Kurzarbeitergeld erhalten, können ihren Lebensunterhalt nicht mehr finanzieren."

    Heidi Schindler aus Augsburg sieht das Regierungshandeln kritisch.
    Heidi Schindler aus Augsburg sieht das Regierungshandeln kritisch. Foto: M. Kerler

    Den Regierungskurs sieht Heidi Schindler kritisch: "Beim ersten Lockdown waren wir verständnisvoll und haben alles mitgetragen. Seit rund zwei Monaten verstärkt sich der Eindruck, dass vor allem in Berlin und in der EU Chaos herrscht und die angekündigten Maßnahmen nicht funktionieren."

    Was fordert sie? "Politik und Verwaltung sollten endlich ihre Hausaufgaben machen: Die Kontaktnachverfolgung muss funktionieren, die Impfsituation ist katastrophal und muss verbessert werden, die Hilfen für Unternehmer müssen ausgezahlt werden", sagt Heidi Schindler. "Der öffentliche Nahverkehr muss unbedingt verdünnt werden, auch wenn das den Verkehrsbetrieben Geld kostet, denn damit können Folgekosten in vielfacher Höhe eingespart werden." Und: "Es muss zudem zumindest eine mittelfristige Planung für die Öffnung aus dem Lockdown geben, denn beispielsweise an den Schulen ist auch für unsere Aufgaben eine Vorplanung sehr wichtig."

    Tanzlehrer Rudolf Trautz: Zoom-Unterricht ist der Höhepunkt der Woche

    Rund 20 Mitarbeiter hat die renommierte Tanzschule Trautz & Salmen in Augsburg. "Alle sind derzeit in Kurzarbeit, die verbliebenen Onlinekurse machen wir Inhaber bis auf einige Spezialgebiete selbst", sagt Rudolf Trautz. Die Kurse finden mit dem Videoprogramm Zoom statt, die Teilnehmer tanzen in ihren Wohnzimmern. "Wenn ich am Freitag zwei Stunden Zoom-Unterricht gebe, ist das für mich der Höhepunkt der Woche", sagt der Tanzlehrer. "Die Leute sind dankbar, dass sie zu Hause Sinnvolles machen können. Wir haben in der Tanzschule eine große Leinwand, an der wir die Tänzer sehen und korrigieren können." In der Corona-Krise hat für ihn der bürokratische Aufwand zugenommen.

    Rudolf Trautz aus Augsburg sagt: "Wir hangeln uns von Monat zu Monat."
    Rudolf Trautz aus Augsburg sagt: "Wir hangeln uns von Monat zu Monat." Foto: M. Kerler

    Ob er Existenzsorgen hat? "Wir hangeln uns von Monat zu Monat. Nachdem jetzt eine kleine Hilfszahlung eingetroffen ist, haben wir wieder ein Luftpolster von vier Wochen." Die Aussichten sind schwierig. Ein Tanzkurs dauert einige Wochen oder Monate. Fallen Kurse auseinander, müssen neue erst nachwachsen. "Wenn alles normal wäre, brauchen wir trotzdem drei Jahre, um dort zu sein, wo wir vor der Krise waren." Welche Perspektiven er sich vorstellt? "Wir sollten wieder die Chance haben, unser Leben zu leben, Unterricht zu geben und aufzumachen", sagt er. "Wir führen genaue Listen am Eingang und Ausgang, wer zu uns kommt und können damit einen Beitrag leisten, Kontakte nachvollziehbar zu machen." Eine bekannte Ansteckung habe es in seiner Tanzschule noch nicht gegeben.

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