Die Geschäftserwartungen deutscher Unternehmen in China sind so niedrig wie nie. 60 Prozent der in Fernost aktiven Firmen rechnen für das laufende Jahr mit einer Verschlechterung der Lage. Das geht aus einer Umfrage der Deutschen Außenhandelskammern in China hervor, die am Mittwoch in Shanghai vorgestellt wurde. Auch der Ausblick für kommendes Jahr ist verhalten: Nur ein Drittel der befragten Unternehmen erwartet für 2025 eine Verbesserung für ihre Branche.
Eine schwache Nachfrage in China und extremer Preisdruck geben die Unternehmen aktuell als ihre beiden größten Herausforderungen an. Dennoch wollen nicht nur neun von zehn Unternehmen in China bleiben. Gut die Hälfte plant sogar, ihre Investitionen in den kommenden beiden Jahren zu erhöhen. Den scheinbaren Widerspruch erklärt der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Außenhandelskammer (AHK) in Ostchina, Clas Neumann, vor allem mit dem Bemühen darum, wettbewerbsfähig zu bleiben.
Chinesische Unternehmen sind sehr innovativ
Die Zeiten, als China die verlängerte Werkbank deutscher Unternehmen war, sind längst vorbei. Unternehmen aus Fernost werden zunehmend zu Innovationsführern. Acht Prozent aller deutschen Unternehmen sagen, dass dies in ihrer Branche bereits zutrifft. Weitere 47 Prozent halten es für wahrscheinlich oder sehr wahrscheinlich, dass es spätestens in fünf Jahren so weit sein wird. In den beiden für die deutsche Industrie wichtigsten Branchen in China, die Autoindustrie und der Maschinenbau, schätzt man die Konkurrenz aus Fernost sogar noch stärker ein.
Fast 40 Prozent der Teilnehmer an der AHK-Umfrage kommen aus dem Maschinenbau. Die Pekinger Büroleiterin des Maschinenbauverbands VDMA, Claudia Barkowsky, verdeutlichte jüngst bei der Vorstellung einer VDMA-Umfrage zu China, wie hart der Wettbewerb geworden ist: „Der Preisunterschied zu chinesischen Anbietern ist teils erheblich – qualitativ akzeptable Produkte werden von ihnen oft für weniger als die Hälfte des Preises angeboten.“
Noch sind die deutschen Unternehmen aber in der Lage und willens, die Herausforderung anzunehmen. Dafür spricht die weiterhin hohe Investitionsbereitschaft. „Deutsche Unternehmen investieren im internationalen Vergleich viel in China, weil sie glauben, dass es sich für sie lohnt“, erklärt Neumann dazu. Dennoch hat sich die Strategie der Unternehmen gewandelt.
Weil der Wettbewerbsdruck in China so brutal und die Innovationsgeschwindigkeit so hoch ist, verlagern die Firmen immer mehr Unternehmensfunktionen nach China. „Es geht darum, den China-Speed, die China-Geschwindigkeit zu lernen“, sagt Neumann. Die Niederlassungen vor Ort bekommen mehr Unabhängigkeit von ihren deutschen Zentralen, um den Markt selbstständig zu erschließen. „Die Verbraucher in China erwarten auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Produkte. Auf Entscheidungen aus Deutschland zu warten, dauert für die Filialen vor Ort häufig zu lang“, sagt Neumann. Unabdingbar ist es für viele Unternehmen daher, Forschungs- und Entwicklungsabteilungen in China aufzubauen.
Die Wirtschaft fordert einen neuen Blick auf China
Während deutsche Unternehmen früher eine Zusammenarbeit mit einem chinesischen Partner in einem Joint Venture eher zähneknirschend als notwendige Bedingung für das Geschäft akzeptierten, seien sie mittlerweile aktiv auf der Suche nach lokalen Partnern. Denn die deutschen Unternehmen sehen auch neue Chancen. Chinesische Unternehmen, die sich auf ihrem Heimatmarkt durchgesetzt haben, expandieren zunehmend global. Und deutsche Partner können sie mit ihrer Erfahrung dabei aus China heraus begleiten.
Von der Politik erwarten die Unternehmen dabei in deutlich schwierigeren Zeiten auch mehr Unterstützung. Denn als größtes Problem in den Beziehungen wird mittlerweile die negative Wahrnehmung Chinas in Deutschland und der EU gesehen. „China sollte wieder stärker als Partner gesehen werden“, fasst Neumann die Stimmung in der Wirtschaft zusammen. Damit gerät die China-Strategie der Bundesregierung in den Fokus, die erst im Sommer 2023 nach langem Vorlauf beschlossen wurde. Angesichts seines wachsenden geopolitischen Machtanspruchs wird China darin gleichzeitig als Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale beschrieben.
Damit einher ging der Aufruf an die Wirtschaft, sich unter dem Stichwort „De-Risking“ von China unabhängiger zu machen. Doch dieser Plan scheint nicht aufzugehen. China-Expertin Wan-Hsin Liu vom Kieler Institut für Weltwirtschaft erklärt, bislang sei keine signifikante Senkung der deutschen Importabhängigkeit von China festzustellen. „Die Bedeutung Chinas als Beschaffungs- und Absatzmarkt für deutsche Unternehmen in China nimmt mit ihrer über die Jahre intensivierten Lokalisierungsstrategie eher zu“, sagte sie unserer Redaktion.
Auch sonst dürfte Chinas Bedeutung für die deutsche Wirtschaft perspektivisch eher steigen, sagt Wan-Hsin Liu: „Angesichts der verschärften Handelsspannungen zwischen den USA und China wird China sehr wahrscheinlich versuchen, die Handelskonflikte mit der EU nicht unnötig eskalieren zu lassen und seine Beziehungen zur EU und zu ausgewählten, besonders China-freundlichen, EU-Ländern aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern.“
Hubert Aiwanger warnt davor, China anzuprangern
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) war erst im Oktober in Peking und Guangdong. Auch er sagte unserer Redaktion: „Wir können uns eine Abkehr von China nicht erlauben.“ Der Freistaat unterstützte seine Unternehmen etwa mit Messebeteiligungen oder in den drei bayerischen Repräsentanzbüros in China. „Wir sollten natürlich nicht die Augen davor verschließen, dass unsere Vorstellungen im Hinblick auf Demokratie und Menschenrechte unterschiedlich sind. Wir sollten uns jedoch davor hüten, öffentliche Belehrungen auszusprechen oder China anzuprangern“, erklärte Aiwanger. Dies sei in der Öffentlichkeit kontraproduktiv und könne allenfalls hinter verschlossenen Türen angesprochen werden.
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