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China: Rätselraten: Wo ist der chinesiche Milliardär Jack Ma?

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Rätselraten: Wo ist der chinesiche Milliardär Jack Ma?

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    Jack Ma ist der erfolgreichste chinesische Unternehmer, eine Art Jeff Bezos Asiens. Doch der Chinese seit Monaten verschwunden. Die Gerüchteküche kocht.
    Jack Ma ist der erfolgreichste chinesische Unternehmer, eine Art Jeff Bezos Asiens. Doch der Chinese seit Monaten verschwunden. Die Gerüchteküche kocht. Foto: Jin Liangkuai, dpa (Archivbild)

    Mehr als ungewöhnlich ist es schon: Chinas reichster Unternehmer Jack Ma ist auf keinen der angekündigten Pflichtveranstaltungen zu sehen, weder bei der Jahreskonferenz der Handelskammer von Zhejiang, noch beim Finale seiner höchstpersönlich ins Leben gerufenen Talentshow "Africa’s Business Heroes". Dabei hatte der 56-Jährige noch auf Twitter hinausposaunt, wie stark er sich auf den Fernsehdreh freuen würde. Apropos Twitter: Mas letzter Post liegt dort bereits knapp drei Monate zurück.

    Seit vergangenem Oktober ist der Gründer des Alibaba-Imperiums nicht mehr öffentlich aufgetreten. Dabei liebt der exzentrische Entertainer durchaus seine Selbstinszenierung, die von Karaoke-Konzerten bis hin zu "Michael Jackson"-artigen Tanzeinlagen reicht. Viele Medien spekulieren seither mehr oder weniger offen über den Verbleib Jack Mas. Die spektakulärste Theorie lautet dabei, er sei von der kommunistischen Staatsführung "aus dem Verkehr" gezogen worden.

    Jack Ma befindet sich unter strenger Beobachtung der Regierung

    Fakt ist: Jack Ma, der mit seinem E-Commerce-Konglomerat Alibaba und dem Bezahldienst Alipay die chinesische Gesellschaft nachhaltig verändert hat, befindet sich derzeit unter strenger Beobachtung der Regierung. Dabei stand er noch vor wenigen Monaten vor dem Coup seiner Karriere: Der in Hongkong und Shanghai geplante Aktiengang seines Finanz-Unternehmens Ant Group sollte mit 34 Milliarden US-Dollar der größte in der Geschichte werden. Im letzten Moment jedoch haben die Behörden die Börsennotierung auf unbestimmte Zeit verschoben.

    Der Auslöser liegt höchstwahrscheinlich in einer überaus beachtenswerten Brandrede Jack Mas begründet, die dieser Ende Oktober während einer Wirtschaftsmesse in Shanghai hielt: Dabei sprach der Chinese von der "Pfandleihmentalität" der traditionellen Großbanken des Landes und griff die Finanzaufsichtsbehörden direkt an. "Wir können die Zukunft nicht mit den Mitteln von gestern regulieren", sagte Ma – während die Vorstände eben jener Finanzaufsichtsbehörden in der ersten Reihe des Publikums saßen. Der Affront sollte nicht ohne Folgen bleiben.

    Seither ermittelt die chinesische Regierung gegen Alibaba, es geht unter anderem um die Monopolstellung, die das Internetunternehmen aufgrund seiner riesigen Sammlung an Konsumentendaten verfügt. Zudem bekam die zum Firmenimperium gehörende Ant Group einige Privilegien entzogen: Über einer halben Milliarde Kunden hat Ant in der Vergangenheit bereits auf Grundlage seiner Konsumentendaten Kredite gegeben, wobei der Finanzkonzern trotz hoher Profite nur als Mittelsmann agierte. Die tatsächlichen Kreditrisiken wurden an traditionelle Banken weitergegeben. Damit soll jetzt Schluss sein: Ant wird künftig als gewöhnliche Bank behandelt und nicht mehr als Tech-Unternehmen.

    Ist Jack Ma Xi Jinping zu mächtig geworden?

    Der Fall "Jack Ma" wird weltweit derzeit fast ausschließlich so gedeutet, dass ein rebellischer Unternehmer zu mächtig für den Machtmenschen Xi Jinping, Chinas Staatspräsidenten, geworden ist. Dabei ist die Angelegenheit durchaus vielschichtiger.

    Der aktuelle Fall erinnert auffällig an jene zwei Wochen im September 2012, als Xi Jinping selbst "von der Bildfläche verschwunden" sei, wie etliche Medien einstimmig berichteten. Über eine "Rückenverletzung beim nächtlichen Schwimmen" spekulierte damals die Nachrichtenagentur Reuters. Mancher griff die auf einer chinesischsprachigen Homepage aus den USA gestreuten Gerüchte auf, der damals 59-Jährige sei Opfer eines "absichtlich herbeigeführten Autounfalls" geworden. Nur etwa zwei Monate vor Xis erwarteter Wahl zum Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas schien ein Machtkampf hinter den Kulissen durchaus plausibel.

    Und natürlich begünstigt ein solch undurchsichtiges System wie das chinesische massiv Verschwörungstheorien. Von der Geschichtsschreibung in den Schulbüchern über wissenschaftliche Publikationen zu "sensiblen" Themen bis hin zu Kleinstmeldungen der Tageszeitungen wird praktisch alles von den Zensurbehörden der Kommunistischen Partei kontrolliert.

    Natürlich gibt es durchaus gewisse Freiheiten, doch der Rahmen dafür wird immer enger abgesteckt. Jene Kontrollwut des Informationsflusses hinterlässt ein Vakuum, das meist mit Misstrauen gefüllt wird: Stimmen die hervorragenden Corona-Infektionszahlen Chinas wirklich, oder frisiert der Staat seine Statistiken, wie er es schon etliche Male bei seinen Wirtschaftsdaten tat? Ist Jack Ma von der Partei aus dem Verkehr gezogen worden, oder hält er sich nur bedeckt?

    Vielleicht steht Jack Ma gerade nicht der Sinn nach Fernsehauftritten

    Tatsächlich ist es Chinas Staatsführung zuzutrauen, dass sie mächtige Männer wie Jack Ma verschwinden lässt – meist wegen Korruptionsvorwürfen, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen. Erst vor wenigen Tagen wurde Lai Xiaomin, ehemaliger Vorstand eines der größten Staatsunternehmen des Landes, zum Tode verurteilt.

    Bei Jack Ma hingegen scheint eine plausible Erklärung einleuchtender: Wer derart drastische Niederlagen einstecken musste, darunter das Scheitern des größten Börsengangs in der Geschichte, ist vielleicht gut beraten, sich erst einmal aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen. Auch menschlich wäre es allzu verständlich, dass Jack Ma derzeit nicht gerade der Sinn nach Auftritten in Fernsehshows oder Jahreskonferenzen steht.

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