Ein gut gelaunter Heiner Egbert steht mit Joint in der Hand an einem Glücksrad. Auf seinem Kopf trägt er einen kleinen schwarzen Hut. Im Garten der Berliner Messe können die Leute bei ihm drehen und Kleinkram gewinnen, ein Feuerzug zum Beispiel. Ein paar Scherze fliegen durch die Luft.
Der Münsterländer macht Werbung für ein Brettspiel, das man bei ihm kaufen kann. „Eine Mischung aus Cannabis und Monopoly“, sagt er. Ziel ist es, die eigene Marihuana-Ernte sicher nach Hause zu bringen. Wie bei Monopoly gibt es Strafkarten und ein Gefängnis. Letzteres hat sich in Deutschland seit dem 1. April geändert. Nach Jahrzehnten des Verbots ist Cannabis legal. „Wir dachten, wir müssen die Leute wieder um einen Tisch bringen. Zu viele schauen nur auf ihr Handy“, sagt er.
Alles, was man zum Kiffen braucht – mit einer Ausnahme
Neben seinem Stand sitzen Leute auf Bierbänken, ein DJ macht Musik. Joints werden gedreht, Wasserpfeifen präpariert und dann angezündet. Der süßliche Duft wabert über den Platz. Auf der größten Hanfmesse Deutschlands ist eine Befreiung spürbar, greifbar. Wir sind nicht mehr verboten, wir sind nicht mehr illegal. Die Veranstalter rechnen mit 40.000 Besuchern bei der Mary Jane, 10.000 mehr als im vergangenen Jahr. Über das ganze Wochenende können sie sich mit allem eindecken, was aus Hanf gemacht werden kann – außer den getrockneten Blüten. In ihnen steckt der berauschende Wirkstoff THC. Der Handel damit bleibt verboten.
Alles drumherum ist aber erlaubt, Drehpapier und Filter für Joints zum Beispiel, Hanf-Setzlinge und Unterwäsche aus Hanf-Faser („kühl im Sommer und warm im Winter“). Zum Probieren gibt es Hanf-Limonade und Hanf-Eis, nicht alles aus der vielseitigen Pflanze macht high. Das Hanfmuseum erinnert auf seinen Schautafeln daran, dass es ohne die aus den Fasern gedrehten Taue keine Schifffahrt gegeben hätte.
Alexander Klima hat sich aus Wien nach Berlin aufgemacht. Seit 20 Jahren zieht er Hanf-Setzlinge in einem Industriegebiet. Derzeit produziert er 25.000 Pflanzen die Woche, wie er erzählt. Klima setzt auf die klassische Vermehrung und die Vermehrung im Labor. „Wegen der Legalisierung in Deutschland ist meine Produktion eigentlich zu klein. Das ist der Wahnsinn, was da passiert“, sagt der Chef von Flowery Field. Er hat verschiedene Sorten mit verschiedener Wirkstoffstärke im Angebot. Sie heißen Austrian Juice, Vienna Light oder Gelato 33. Klima ist Unternehmer, und wenn die nächste Stufe der Cannabis-Legalisierung zündet, dürfte die Nachfrage nach seinen Setzlingen weiter zulegen.
Eine App für den Cannabis-Club
Ab Juli ist die Gründung von Cannabis-Clubs erlaubt. Statt die erlaubten drei Pflanzen für den Eigenbedarf auf dem Balkon wachsen zu lassen, wird der Anbau der Droge – wenn auch nicht industriell – im größeren Stil möglich. Vereinsmitglieder können pro Monat bis zu 50 Gramm getrocknete Blüten bekommen, 18 bis 21-Jährige 30 Gramm.
David aus München will in der Weltstadt mit Herz einen Cannabis-Club gründen. In der Messehalle steht er am Stand von Alexander Gomer, Gründer des Start-ups 420clouds. Gomer hat eine App entwickelt, die den Kiffer-Vereinen bei der Verwaltung helfen soll. Buchhaltung, Zertifikate für die Behörden und die elektronische Bezahlung des Grases können über das Programm abgewickelt werden. Gleichzeitig bietet die App ein Soziales Netzwerk für die Pflanzer. „Cannabis wird nicht so gern gesehen bei Facebook und Instagram“, sagt Gomer. Sein Netzwerk kommt nach eigenen Zahlen auf 20.000 Nutzer. „Seit der Legalisierung wachsen wir exponentiell.“ Rund 1000 in den Startlöchern stehende Clubs verwenden die App mittlerweile.
In München gestaltet sich die Gründung zäh. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat erklärt, dass Bayern keine Drogen wolle. „Die Behörden werden die maximale Prüfzeit von drei Monaten ausnutzen. Vorher geht nix“, sagt David. Der 36-Jährige sucht derzeit eine Fläche für die kleine Plantage. Den Club hat er als Freunde-Projekt geplant, im neuen Jahr soll die erste Ernte eingefahren werden. Ganz billig wird es nicht. Er steht im Kontakt mit einem Anbieter, der ihnen fertige Metallcontainer auf den Hof stellen würde inklusive Beleuchtung und Heizung. Die Cannabis-Pflanze mag es warm. „Die können derzeit noch keinen Preis nennen.“
Konkreter mit den Zahlen ist Matthias Köster von der Firma Weiss-Technik in der Nähe von Gießen. Hinter ihm steht ein Klimagerät, das Feuchtigkeit und Wärme regelt. Der Schrank voller Technik kostet zwischen 50.000 und 100.000 Euro. Normalerweise beliefert der Mittelständler Rechenzentren, Pharmaunternehmen und die Agrarwirtschaft. Und jetzt eben auch die Cannabis-Clubs, sofern sie genügend Kapital aufbringen können. „Die Zahl der Anfragen ist hoch, aber da muss man aussieben. Es wird von der Bastellösung bis zum Profi-Club alles geben“, erwartet Köster. In Deutschland entsteht ein neuer Wirtschaftszweig.