Startseite
Icon Pfeil nach unten
Wirtschaft
Icon Pfeil nach unten

Cannabis: Cannabis-Unternehmer: "Ich bin mir sicher, dass wir eine Legalisierung erleben werden"

Cannabis

Cannabis-Unternehmer: "Ich bin mir sicher, dass wir eine Legalisierung erleben werden"

    • |
    David Surjo ist Vorstandsmitglied der Canify AG, die medizinisches Cannabis importiert, verarbeitet und vertreibt.
    David Surjo ist Vorstandsmitglied der Canify AG, die medizinisches Cannabis importiert, verarbeitet und vertreibt. Foto: Felix Gnoyke

    Deutschland soll das erste Land in der EU werden, das den Handel und Konsum von Cannabis legalisiert. Sogar in den traditionell liberalen Niederlanden wird der Konsum offiziell nur toleriert. Jüngst hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sein Eckpunktepapier zur Legalisierung von "Genusscannabis“ vorgestellt. Konkret sind ein straffreier Erwerb und Besitz von bis zu 30 Gramm Cannabis für Erwachsene, der Eigenanbau von bis zu drei Pflanzen, ein generelles Werbeverbot und der Verkauf über lizenzierte Geschäfte und Apotheken geplant. Die Kritik an dem Vorhaben reißt nicht ab – doch es gibt auch positive Reaktionen. Vor allem aus der Wirtschaft.

    Seit 2017 ist es in Deutschland möglich, Cannabis für medizinische Zwecke auf ärztliches Rezept in Apotheken zu bekommen. Dieser Markt und jener mit sogenannten CBD-Produkten, die weniger als 0,2 Prozent vom berauschenden Wirkstoff THC enthalten und beruhigend wirken sollen, wird von einigen deutschen Cannabis-Unternehmen erfolgreich bearbeitet. Für sie ist der sich abzeichnende neue Markt verlockend. Der Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap schätzt den Gesamtbedarf an Cannabis in Deutschland in einer Studie auf etwa 400 Tonnen. Bei einem angepeilten Preis von zehn Euro pro Gramm wäre das ein Umsatzvolumen von vier Milliarden Euro pro Jahr.

    Cannabis-Branchenvertreter bewerten Eckpunktepapier positiv

    Lars Müller, Chef und Gründer der börsengelisteten Biotech-Unternehmensgruppe Synbiotic SE aus München, möchte ein gutes Stück von diesem Kuchen abhaben. Synbiotic ist bisher im CBD- und Medizinalcannabis-Markt aktiv, plant aber schon für die Zukunft: Im April gab Müller ein Joint Venture mit der Restaurant-Gruppe Enchilada bekannt. Gemeinsam mit den Systemgastronomen arbeitet Müller an einem Konzept für Cannabis-Shops im Franchise-Modell. Das Eckpunktepapier sieht er positiv: "Aus Branchensicht ist der Plan von Lauterbach im Großen und Ganzen zu begrüßen."

    Ähnlich optimistisch äußert sich David Surjo, Vorstandsmitglied der Canify AG – ehemals Bavaria Weed: "Das wenige, das bekannt ist, macht einen guten Eindruck." Auch sein Unternehmen hat "grundsätzlich Interesse" am Freizeitmarkt, aber noch keine konkreten Pläne. Umso ambitionierter klingt das selbst gesteckte Ziel: einer der europäischen Marktführer im Cannabis-Marktzu werden.

    Hanf, Marihuana und Haschisch

    Im Volksmund werden die Begriffe Hanf, Cannabis, Marihuana oder Haschisch gerne synonym verwendet. Alles hat ja irgendwie mit "Kiffen" zu tun. Allerdings gibt es durchaus Unterschiede.

    Als Hanf wird die Pflanze an sich bezeichnet. Aus ihr lassen sich landwirtschaftliche Produkte wie Fasern und Öl, aber auch Rauschmittel wie Marihuana und Haschisch gewinnen.

    Die lateinische Bezeichnung der Hanfpflanze lautet Cannabis sativa - oder kurz: Cannabis.

    Als Marihuana oder Gras werden die getrockneten, meist zerkleinerten Blütentrauben oder kleinen Blätter der weiblichen Pflanze bezeichnet.

    Als Haschisch bzw. Hasch oder Shit wird das aus weiblichen Cannabispflanzen gewonnene Harz bezeichnet. Es wird in der Regel zu Platten oder Blöcken gepresst.

    In beiden Cannabis-Produkten ist gleichermaßen der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) enthalten, allerdings kann der Gehalt oft stark abweichen. THC unterliegt in Deutschland dem Betäubungsmittelgesetz.

    Im Juni erfolgten der Zusammenschluss mit dem dänischen Unternehmen Canify AS und die Umbenennung. Als eines der ersten deutschen Pharma-Unternehmen mit der Lizenz zur unlimitierten Einfuhr, Verpackung und Marktfreigabe von Cannabisrohstoffen hat sich das Herrschinger Start-up einen Namen gemacht. In einem ehemaligen NATO-Bunker auf dem früheren Fliegerhorst in Leipheim im Landkreis Günzburg verarbeitet, verpackt und vertreibt das Unternehmen medizinisches Cannabis.

    Das Medizinalcannabis importiert Canify hauptsächlich aus Portugal und Kanada. Eine entscheidende Frage ist, woher zukünftig das "Genusscannabis" kommen soll. Lauterbachs Pläne sehen vor, die gesamte Produktion innerhalb Deutschlands stattfinden zu lassen – weil ein Import gegen geltendes Völkerrecht verstoßen würde. Das "Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel"der Vereinten Nationen (Single Convention on Narcotic Drugs) verbietet den Handel und Import von Cannabis zu Genusszwecken. Für eine Legalisierung müsste Deutschland aus dem Abkommen austreten, Cannabis legalisieren und wieder eintreten. Oder einen ähnlichen Weg gehen wie Kanada oder Uruguay – das Abkommen ignorieren und geltendes Völkerrecht verletzen.

    Einheimische Produktion und Vertrieb könnten zum Problem werden

    Darin sehen auch Unternehmer wie Surjo ein Problem, denn eine rein innerdeutsche Produktion hält er für herausfordernd: "Das sind schon erhebliche Flächen, die man benötigt, um diesen Bedarf aus einheimischer Produktion decken zu können." Wesentlich positiver schätzt Synbiotic-Chef Müller die Situation ein: "Wir blicken mit unseren über 25 Jahren Erfahrung in der Kultivierung von Industriehanf mehr als optimistisch auf die anstehenden Gesetzesvorschläge." Ob bei einheimischer Produktion und geplanter Cannabissteuer ein Preis für den Endkunden erreicht werden kann, der dem Schwarzmarkt Konkurrenz macht, ist fraglich. Surjo fordert deshalb: "Man sollte auf die Cannabissteuer verzichten und nur mit der Umsatzsteuer arbeiten."

    Auch wie und wo die Konsumenten künftig an ihr Cannabis kommen sollen, ist bislang unklar. Im Gespräch sind auch Apotheken, wenngleich es dort Befürchtungen gibt, in eine Wettbewerbssituation mit rein kommerziellen Anbietern zu geraten. Canify-Vorstandsmitglied Surjo kann diese Bedenken nachvollziehen, entgegnet aber, dass in Apotheken bereits jetzt "nicht nur pharmazeutische Produkte, sondern auch Hustenbonbons und Kosmetika verkauft werden". Letztlich müsse jede Apothekerin und jeder Apotheker eine individuelle Entscheidung treffen.

    Cannabis-Unternehmen schätzen Gesundheitsrisiko als gering ein

    Anstoß für diese Bedenken könnten potenzielle Gefahren sein, auf die vor allem Politikerinnen und Politiker der Union immer wieder hinweisen. Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sagte gegenüber unserer Redaktion, dass Cannabis-Konsum "wesentliche und teils irreversible gesundheitliche und soziale Risiken" birgt. Oft werden dafür Psychosen herangeführt, für die Cannabis ursächlich sein soll. Jedoch lassen sich Studien für beide Seiten der Argumentation finden. So hat ein Expertenkomitee der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits 2018 festgestellt: "Die überwiegende Mehrheit der Menschen, die Cannabis konsumieren, wird nie eine psychotische Störung entwickeln, und diejenigen, die dies tun, werden wahrscheinlich eine genetische Anfälligkeit für eine durch Cannabis induzierte Psychose haben."

    Auch Surjo, der lange in der präklinischen Forschung tätig war, ist sich dieser Gefahr bewusst und fordert begleitend zur Legalisierung weitere Studien. Trotzdem hält er das Risiko für gering: "Unsere Erfahrungen bestätigen diese Befürchtungen nicht." Eine THC-Obergrenze für 18- bis 21-Jährige hält er dennoch für sinnvoll: "Es gibt genug Daten, die zeigen, dass Cannabis die Hirnentwicklung eines heranwachsenden Menschen beeinflussen kann. Deshalb ist solch eine Regelung sinnvoll und eine gute Abgrenzung zum Alkohol, wo es diese scharfen Vorschriften nicht gibt."

    Fraglich bleibt, ob Lauterbachs Pläne der Kritik standhalten. Zudem muss die EU-Kommission dem Vorhaben zustimmen, bevor es einen konkreten Gesetzesentwurf geben wird. Surjo bleibt optimistisch: "Ich bin mir sicher, dass wir eine Legalisierung erleben werden. Die spannende Frage ist: wann?"

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden