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Bundesgerichtshof: Streit um Sportwetten geht am EuGH in die nächste Runde

Bundesgerichtshof

Streit um Sportwetten geht am EuGH in die nächste Runde

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    Der Bundesgerichtshof wendet sich mit Fragen zu Sportwetten nach Luxemburg. (Archivbild)
    Der Bundesgerichtshof wendet sich mit Fragen zu Sportwetten nach Luxemburg. (Archivbild) Foto: Uli Deck/dpa

    Wer vor Jahren bei unerlaubten Sportwetten Geld verloren hat und das vor Gericht zurückfordert, muss noch länger auf eine höchstrichterliche Entscheidung warten. Der Rechtsstreit dazu wird zum Fall für den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Der Bundesgerichtshof (BGH) will dort eine Frage zur Dienstleistungsfreiheit der Anbieter klären lassen. Das Karlsruher Verfahren zu einer Klage gegen den Wettanbieter Tipico werde ausgesetzt, bis eine Entscheidung der Luxemburger Richterinnen und Richter ergehe, teilte das oberste deutsche Zivilgericht mit. (Az. I ZR 90/23)

    Im konkreten Fall hatte ein Spieler von 2013 bis 2018 an Sportwetten von Tipico teilgenommen und dabei mehr als 3700 Euro verloren, die er zurückverlangte. Seiner Ansicht nach waren die Sportwetten unzulässig und die Wettverträge unwirksam, weil der Anbieter nicht die erforderliche Erlaubnis der zuständigen deutschen Behörde hatte. Das Klagerecht hatte ihm im Laufe des Verfahrens der Prozessfinanzierer Gamesright abgekauft.

    Der EuGH soll nun entscheiden, ob die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit eines Anbieters mit Sitz in einem anderen EU-Land der Erstattung von Verlusten bei unerlaubten Sportwetten entgegensteht. Tipico hat seinen Firmensitz in Malta. Es stellt sich die Frage, ob Wettverträge nichtig sind, wenn der Anbieter eine deutsche Lizenz beantragt hatte, das Verfahren für diesen Antrag aber unionsrechtswidrig durchgeführt wurde. Bei nichtigen Verträgen könnten Spieler Anspruch auf Rückzahlung ihrer verlorenen Wetteinsätze haben.

    Alle Seiten zuversichtlich

    Tipico-Anwalt Ronald Reichert wertete die Entscheidung des BGH als großen Erfolg. Nur der EuGH könne Unionsrecht klären. Er habe in einem strafrechtlichen Fall schon klar entschieden, dass das Fehlen einer deutschen Konzession aufgrund eines intransparenten Vergabeprozesses den in der EU lizenzierten Anbietern nicht entgegengehalten werden dürfe. «Wir sind sehr zuversichtlich, dass der EuGH dies auch im konkreten Fall so bestätigen wird.» Auch der Deutsche Sportwettenverband zeigte sich «zuversichtlich, dass der EuGH im Sinne der Anbieter und der europäischen Dienstleistungsfreiheit entscheiden wird».

    Aus Sicht von Kläger Gamesright zeigt der Gang nach Luxemburg die Komplexität und Bedeutung der rechtlichen Fragen. «Auch wenn wir heute keine endgültige Entscheidung erhalten haben, sind wir zuversichtlich, dass die Klärung auf europäischer Ebene die nötige Rechtssicherheit für alle Beteiligten bringen wird.» Man wolle weiter für die Rechte der Verbraucher kämpfen.

    Durch die EuGH-Vorlage werde ein Grundsatzurteil zugunsten der Spieler lediglich verzögert, aber nicht verhindert, sagt Rechtsanwalt Claus Goldenstein, dessen Kanzlei nach eigenen Angaben mehr als 4500 Mandanten in ähnlichen Klagen vertritt. «Betroffene Glücksspieler sollten sich davon nicht verunsichern lassen und Online-Wettverluste schnellstmöglich zurückfordern, um eine Verjährung von bestehenden Rechtsansprüchen zu verhindern.»

    BGH neigt zu spielerfreundlichem Urteil

    In den Vorinstanzen hatte die Klage des Spielers keinen Erfolg. Zuletzt hatte das Landgericht Ulm erklärt, Tipico habe zwar gegen Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrags in der damals gültigen Fassung von 2012 verstoßen, die Wettverträge seien aber dennoch wirksam. Dass der BGH eventuell anderer Meinung sein könnte, deutete sich schon in der mündlichen Verhandlung an.

    Und auch jetzt betonte der BGH, dass er dazu neige, Sportwettenverträge ohne Konzession als nichtig anzusehen, auch wenn die Anbieter eine Erlaubnis zur Veranstaltung der Sportwetten schon beantragt hatten. Bei dieser Einschätzung sei auch die bisherige Rechtssprechung des EuGH berücksichtigt worden. Der Schutz der Bevölkerung vor übermäßigem wirtschaftlichem Schaden durch öffentliches Glücksspiel rechtfertige demnach einen Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit - auch dann, wenn das Konzessionsverfahren unionsrechtswidrig ausgestaltet war.

    Von einem verbraucherfreundlichen Urteil erwarten Fachleute eine noch größere Klagewelle, als es sie ohnehin schon gibt. An deutschen Gerichten laufen Tausende ähnliche Verfahren. Das liegt zum einen daran, dass neben Tipico auch andere Wettanbieter vor Jahren in einer rechtlich unklaren Lage Sportwetten angeboten hatten. Zum anderen haben sich Kanzleien und einige Unternehmen auf diese Art von Klagen spezialisiert - so wie das hier klagende Unternehmen Gamesright. Der Prozessfinanzierer geht davon aus, dass ein Urteil zugunsten der Glücksspieler noch mehr Betroffene zu Klagen ermutigen könnte.

    Der EuGH muss nun zum Streit um Sportwettenverluste entscheiden. (Archivbild)
    Der EuGH muss nun zum Streit um Sportwettenverluste entscheiden. (Archivbild) Foto: Arne Immanuel Bänsch/dpa
    Tipico sieht die Entscheidung des BGH als Erfolg. (Archivild)
    Tipico sieht die Entscheidung des BGH als Erfolg. (Archivild) Foto: Monika Skolimowska/dpa
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