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Brüssel: Berlin macht sich beim Verbrenner-Aus zum Buhmann in Europa

Brüssel

Berlin macht sich beim Verbrenner-Aus zum Buhmann in Europa

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    Wann die endgültige Entscheidung über das pauschale Verbot neuer Autos mit Verbrennungsmotor ab 2035 in Brüssel fallen soll, ist weiter offen.
    Wann die endgültige Entscheidung über das pauschale Verbot neuer Autos mit Verbrennungsmotor ab 2035 in Brüssel fallen soll, ist weiter offen. Foto: Christoph Schmidt, dpa (Symbolbild)

    Eigentlich hätte der entsprechende Text bereits im sogenannten Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht sein sollen. Doch mittlerweile steht das Verbrennerverbot für Neuwagen, das ab 2035 gelten soll, nicht einmal mehr auf der Agenda in Brüssel. Dabei war zunächst geplant, dass die 27 Mitgliedstaaten am Dienstag dieser Woche in einem finalen Schritt über die Entscheidung abstimmen – und so das Gesetz förmlich gebilligt hätten. Eine Formalie. Doch es kam anders, weil Deutschland plötzlich blockierte. 

    Als "Vertrauensbruch" bezeichnete ein EU-Diplomat das Vorgehen der Bundesregierung, bei der es intern offenbar noch immer Klärungsbedarf gibt, nachdem Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sein Nein gegen den vorliegenden Gesetzentwurf bekräftigt hatte. Die Liberalen fordern eine Ausnahme für Fahrzeuge, die mit synthetischen Kraftstoffen, sogenannten E-Fuels, betrieben werden. Diese werden meist aus Wasser und Kohlendioxid gewonnen und weisen ähnliche Eigenschaften auf wie Benzin und Diesel. Für eine klimaneutrale Mobilität, so begründet die alle technologischen Optionen offengehalten werden.

    Die FDP von Volker Wissing will den Streit wohl aussitzen

    Bis ein Kompromissvorschlag der EU-Kommission vorliegt, will die FDP den Streit wohl aussitzen – auch auf Kosten der Glaubwürdigkeit der Deutschen in Brüssel. Hinter den Kulissen schimpfen einige europäische Partner bereits über die "Unzuverlässigkeit" der Bundesregierung. Diese halte wegen interner Streitigkeiten nun den Betrieb auf. Warum, so fragte ein Diplomat, spreche Bundeskanzler Olaf Scholz kein Machtwort? Ein anderer Beamter monierte, dass die FDP ausreichend Zeit gehabt hätte, sich einzuschalten und ihre Wünsche einzubringen, etwa vergangenen Sommer, als die 27 Mitgliedstaaten ihre Verhandlungsposition vereinbart hatten. Damals hatten sich bereits Italien, Bulgarien und Polen gegen das Verbrenner-Aus gestemmt, nur fehlte ihnen die nötige Sperrminorität. Mit einer deutschen Enthaltung damals hätten sie ihr Ziel erreicht. 

    Unmut löste die ungewöhnliche Last-Minute-Intervention aber nicht nur im Kreis des Rats, sondern auch bei vielen Europaabgeordneten aus. Rasmus Andresen, Sprecher der deutschen Grünen im EU-Parlament, forderte "ein Machtwort innerhalb der Ampel-Koalition". Wissing und der liberale Finanzminister Christian Lindner wollten "von ihrer ambitionslosen Klimapolitik und dem Scheitern an den Klimazielen ablenken", so Andresen.

    Einen Termin für die Abstimmung über das Verbrenner-Verbot gibt es nicht

    Dabei sah es lange so aus, als hätten sich die Grünen in Berlin durchgesetzt. Schon im Oktober hatten sich Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten geeinigt. Einen Monat später bestätigten die ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten das Verhandlungsergebnis mit deutscher Zustimmung und das Europaparlament segnete es Mitte Februar ab. Das Gesetz besagt, dass die sogenannten Flottengrenzwerte für Pkw bis 2035 auf Null sinken sollen. Diese geben Herstellern vor, wie viel Kohlenstoffdioxid ihre produzierten Wagen im Betrieb ausstoßen dürfen. Besitzer alter Benzin- oder Dieselautos könnten diese weiterhin nutzen, bei der Regelung geht es nur um Neuwagen. 

    Das De-facto-Verbot des Verbrenners gehört zu den tragenden Säulen des Grünen Deals, mit dem die EU-Kommission den CO₂-Ausstoß der EU bis 2030 um 55 Prozent verringern und Europa bis 2050 klimaneutral machen will. Ein Sprecher der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft bemühte sich um Gelassenheit. "Nichts hat sich verändert", sagte er. Man stünde bereit, den Akt anzunehmen. Die Frage bleibt, wann. Einen konkreten Zeitplan gibt es dem Sprecher zufolge nicht. Die Abstimmung ist auf unbestimmte Zeit verschoben.

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