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Brexit: Knackpunkt Fischerei: Verzweifeltes Ringen um Einigung zum Brexit

Brexit

Knackpunkt Fischerei: Verzweifeltes Ringen um Einigung zum Brexit

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    Die Fischerei ist der letzte Knackpunkt in den Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU – vor allem wegen seiner emotionalen Bedeutung.
    Die Fischerei ist der letzte Knackpunkt in den Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU – vor allem wegen seiner emotionalen Bedeutung. Foto: dpa

    "Macht’s gut, und danke für den Fisch", lautet der Titel eines Bands der Romanserie "Per Anhalter durch die Galaxis" und mittlerweile ist der Satz auch in Kreisen der Brexit-Hardliner im Königreich ein gern zitierter Abschiedsgruß, würde er sich ihrer Meinung nach doch perfekt eignen, um die Gespräche mit der EU einzustellen. Sie fordern einen harten Bruch ohne Deal. Aber auch am Montag verhandelten Brüssel und London weiter um ein künftiges Handelsabkommen.

    Fischerei: Wirtschaftlich unbedeutend, aber emotional aufgeladen

    Der verbliebene Knackpunkt ist ausgerechnet die wirtschaftlich unbedeutende, aber emotional aufgeladene Fischerei. Die britische Regierung fordert, dass die Staatengemeinschaft beim Streit um Fangquoten in britischen Gewässern nachgibt, nachdem London beim sogenannten "Level Playing Field" Zugeständnisse gemacht hat, der Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs. Insidern zufolge präsentiert sich aber vor allem Paris stur und warnt vor einem Ausverkauf der europäischen Interessen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron fürchtet Proteste der eigenen Fischer, die sich sorgen, dass sie bald nur noch eingeschränkt in britischen Gewässern fischen dürfen. Großbritanniens Premier Boris Johnson braucht jedoch einen Erfolg beim Fisch, um seinen rebellischen Abgeordneten in der konservativen Partei ein Abkommen verkaufen zu können. Können sich die beiden Seiten doch noch auf einen Kompromiss einigen?

    EU-Parlament bereit, einen No-Deal-Brexit zu verhindern

    Am Montag signalisierte das Europäische Parlament seine Bereitschaft, auch weiterhin alles zu tun, damit es am Jahreswechsel nicht zu einem No Deal kommt. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, David McAllister (CDU), sagte nach einer Sitzung der EU-UK-Koordinierungsgruppe gegenüber unserer Redaktion, man werde "jeden Schritt tun, um Störungen für unsere Bürger und Unternehmen zu minimieren". Das Abgeordnetenhaus hatte vorige Woche betont, es könne eine Vereinbarung über ein Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien nur dann noch ratifizieren, wenn es bis zum vergangenen Sonntag zustande kommt. Grund: Die 705 Volksvertreter bestehen auf genügend Zeit, um das Dokument – die Angaben zum Umfang schwanken zwischen 700 und 1800 Seiten – prüfen zu können. Die Frist ist verstrichen.

    Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien.
    Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien. Foto: Frank Augstein, dpa

    Sollte den Partnern in den nächsten Tagen doch noch ein Durchbruch gelingen, bliebe nun wohl nur die Möglichkeit, den Vertrag zunächst ohne Ratifizierung in Kraft zu setzen und diese im Januar nachzuholen. Allerdings schießt sich das EU-Parlament damit selbst ins Aus: Diese Variante müsste vom Ministerrat der Mitgliedstaaten beschlossen werden.

    Technische Auszeit über den Jahreswechsel hinweg?

    Ein anderer Weg wäre eine technische Auszeit über den Jahreswechsel hinweg, wie sie in diplomatischen Verhandlungen immer wieder praktiziert wurde. Dabei werden "die Uhren angehalten" und die Gespräche nach dem Jahreswechsel fortgesetzt. Allerdings gilt diese Variante als eher unwahrscheinlich.

    Trotz Sorgen vor Versorgungsengpässen wegen der Corona-Pandemie schloss der britische Verkehrsminister Grant Shapps eine Verlängerung der Brexit-Übergangsphase aus: "Das würde nur Öl ins Feuer gießen." Sollte es zu einem No-Deal-Szenario kommen, würden in Großbritannien ab 2021 die Regeln der Welthandelsorganisation greifen – inklusive Zölle.

    Viele Unternehmen und Vertreter verschiedener Branchen bezeichnen seit Wochen diese Option als "Katastrophe", darunter auch Paul Jackson. Der 57-Jährige ist Chef des Transport-Unternehmens Chiltern Distribution in Peterborough. Seine Lastwagen bringen neben Medikamenten vor allem frisches Obst und Gemüse auf die Insel. Zitronen und Zwiebeln, Tomaten und Tulpen, Blumenkohl und Bananen – bis zu 15 seiner 52 Trucks sind in der Regel auf dem Kontinent unterwegs und holen die Produkte ab. "Ich warte darauf, dass mir endlich jemand sagt, was ich tun soll." Frustration, Ärger und Hilflosigkeit schwingen in seiner Stimme mit. Auf der offiziellen Internetseite der Regierung prangt die Aufforderung an alle Unternehmen: "Bereitet euch vor!" Jackson schüttelt den Kopf. "Was soll das heißen?" Ohne Informationen und ohne funktionierendes IT-System für die Abwicklung an der Grenze, dafür mit der Aussicht auf stundenlange Verzögerungen durch Staus und Bürokratie blickt der Brite pessimistisch in die Zukunft.

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