Frust, Verzweiflung, nackte Existenzangst: Während der Corona-Zwangspause lagen bei den Wirtinnen und Wirten die Nerven blank. Ingrid Hartges hat sich ihre Sorgen angehört, in bis zu hundert Gesprächen täglich. "Zu den finanziellen Problemen kam eine riesengroße mentale Belastung", sagt die Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga). "Manchen ging die Kraft aus", berichtet sie. Rund elf Prozent der Betriebe im Gastgewerbe haben nach Dehoga-Angaben allein im ersten Pandemie-Jahr schließen müssen. Ihre Zahl sank 2020 im Vergleich zu 2019 von gut 222.000 auf knapp 198.000. Das bedeutet: rund 25.000 Unternehmen weniger, von der Eckkneipe bis zum Wellness-Hotel. Jetzt, so Hartges, spüre sie in der Branche allerdings "einen großen Kampfgeist".
Umsätze in der Gastronomie noch unter Vorkrisenniveau
Zwar sind die Umsätze noch weit entfernt vom Vorkrisenjahr 2019, doch die Gastronomie will wieder durchstarten. Dafür aber fehlt den Cafés, Pensionen und Wirtshäusern das Personal, das nach den krisenbedingten Auszeiten vielfach nicht zurückgekehrt ist. Arbeiteten 2019 rund 1,1 Millionen Menschen in der Branche, waren es 2021 nur mehr etwa 980.000. Zudem sorgt der Ukraine-Krieg gerade für eine mächtige Preisexplosion bei Lebensmitteln und Energie. So wünscht sich der Dehoga die Unterstützung der Politik.
Bei einer Pressekonferenz in Berlin sagt Verbandspräsident Guido Zöllick: "Wir brauchen jetzt Planbarkeit und verlässliche Perspektiven". Von der Bundesregierung erwarte er, "dass beste Pandemie-Vorsorge für den Herbst getroffen wird". Erneute Beschränkungen und Schließungen würden das Ende vieler weiterer Unternehmen bedeuten. Corona habe der Branche ihre größte Krise der Nachkriegszeit gebracht, die Umsätze seien um bis zu 40 Prozent eingebrochen. Rund 70.000 Betriebe hätten ohne die staatlichen Hilfen und die Kurzarbeitsregelungen nicht überleben können. Große Hoffnungen liegen nun auf dem Deutschlandtourismus, so Zöllick. Der Ostsee-Hotelier erzählt, dass viele Menschen die Heimat als Urlaubsziel neu entdeckt hätten. Dagegen sei das Geschäft mit Messen, Firmenveranstaltungen und Geschäftsreisen noch weit vom Vorkrisenniveau entfernt.
Neue Mitarbeiter in der Gastronomie aus der Ukraine
Gestiegene Energiekosten, Lebensmittelpreise und Löhne machen der weit überwiegenden Mehrzahl der Gastronomiebetriebe im Moment große Sorgen, hat der Dehoga in Umfragen ermittelt. Präsident Zöllick appelliert deshalb an die Bundesregierung, "eine sichere und bezahlbare Energieversorgung" zu garantieren. Nötig seien zudem Maßnahmen zur Arbeits- und Fachkräftesicherung. Dazu gehörten neben einer Offensive für die duale Ausbildung auch Erleichterungen bei der Arbeitskräftezuwanderung aus Staaten, die nicht der Europäischen Union angehören. In zwölf Prozent der Gastro-Betriebe arbeiten inzwischen einer Dehoga-Erhebung zufolge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Ukraine. Zunächst sei die Sprachbarriere meist hoch, doch in der Praxis verbesserten sich die Deutschkenntnisse oft schnell, heißt es.
Reduzierte Mehrwertsteuer soll bleiben
Größter Wunsch der Gastronomen ist, dass die zur Stärkung der Branche im Juli 2020 eingeführte Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf sieben Prozent nicht wie ursprünglich vorgesehen Ende dieses Jahres ausläuft. "Das muss dauerhaft so bleiben", appelliert Zöllick an die Bundesregierung. Es sei nicht einzusehen, warum Essen aus dem Restaurant steuerlich schlechter gestellt sein solle, als Lebensmittel aus dem Supermarkt. "Mit der Entfristung werden die dringend benötigten Perspektiven geschaffen", sagt der Dehoga-Chef.