Die neuen Rekorde am Aktienmarkt deuten nach Ansicht von Experten nicht auf eine Erholung der deutschen Wirtschaft hin. Mitte der Woche hat der deutsche Aktienindex Dax trotz einer Flaute in der inländischen Wirtschaft erstmals die Rekordmarke von 18.000 Punkten geknackt. Erst sechs Wochen zuvor hatte er die psychologisch wichtige Grenze von 17.000 Punkten überschritten. Die Gründe für die Bestwerte liegen Fachleuten zufolge größtenteils außerhalb des Landes: Die 40 Dax-Konzerne agieren global, ihre Geschäfte machen sie zum Großteil in Ländern mit höheren Wachstumserwartungen. Börsenexperten sehen die Rekordjagd darum dem Auslandsgeschäft und dem Aufschwung außerhalb Deutschlands geschuldet, nachdem die Bundesrepublik unter den wichtigsten Industrieländern Schlusslicht beim Wachstum ist.
Auf dem Aktienmarkt gibt Amerika den Ton an
Der Internationale Währungsfonds hat seine Wachstumsprognose 2024 für die USA angehoben. Das beflügelt auch den deutschen Aktienmarkt, wie Börsenexperte Robert Halver erklärt. "Die Amerikaner geben noch immer den Ton an", sagte der Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Frankfurter Baader Bank. Gehe es dem amerikanischen Aktienmarkt gut, schwappe die positive Stimmung an den Kapitalmärkten im Regelfall auch auf die deutschen Börsen über.
Halver nannte die "Revitalisierung der globalen Wirtschaft" als einen der Gründe für die Rekordjagd des Dax. "Wir sehen bereits, wie sich die Weltkonjunktur nach vorn bewegt, und davon profitieren auch deutsche Unternehmen", erklärte der Börsenexperte.
KI-Papiere beflügeln den US-amerikanischen Aktienmarkt
Als ein Auslöser des Booms gilt der Siegeszug der Künstlichen Intelligenz (KI) an den amerikanischen Börsen. Der Aktienkurs des Chipherstellers Nvidia etwa hat sich seit 2023 knapp vervierfacht. Die deutschen Kursgewinne sind darauf nicht direkt zurückzuführen. Denn ähnliche KI-Vorreiter fehlen auf dem deutschen Aktienmarkt gänzlich, wie Joachim Schallmayer, Leiter Kapitalmärkte und Strategie bei der DekaBank, erklärte. "Die KI-Rallye geht somit am Dax vorbei", sagte der Kapitalmarktexperte.
Ein Treiber für den Börsen-Höhenflug ist insbesondere die Aussicht auf sinkende Zinsen. Die Börse warte schon lange, dass der Leitzins der Europäischen Zentralbank sinke, der laut Börsenexperte Halver der "natürliche Feind der Aktienmärkte" ist. Bei hohen Zinsen gebe es weniger Grund, in Aktien zu investieren. Aktuell liegt der Leitzins bei 4,5 Prozent. Im Sommer könnte das Warten aus Börsensicht sowohl in den USA als auch in Deutschland ein Ende haben. Halver rechnet mit einer ersten Leitzinssenkung im Sommer. Die Aktienanlage könnte dann nochmals attraktiver werden.
Experten erwarten weiteren moderaten Anstieg
Entsteht an der Börse angesichts der ansteigenden Kurse nicht langsam eine Blase oder kann man jetzt noch Aktien kaufen? Die Experten sehen das gelassen. Nach der starken Kursrallye muss laut Kapitalmarktexperte Schallmayer zwar jederzeit mit einer zeitlich begrenzten sogenannten technischen Korrektur gerechnet werden, eine Trendumkehr sei bei diesen Rahmenbedingungen allerdings nicht zu erwarten. Halver würde sogar begrüßen, wenn der Aktienmarkt einmal die Luft herausließe. "Es ist wichtig, dass man sich neu orientiert", betonte er. Kapitalmarktexperte Schallmayer rechnet mit einem moderaten Anstieg auf 18.500 Punkte in den kommenden zwölf Monaten.