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Börse: Augsburger Experte gibt Entwarnung nach Dax-Einbruch: "Kein Grund zur Panik"

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Augsburger Experte gibt Entwarnung nach Dax-Einbruch: "Kein Grund zur Panik"

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    Lothar Behrens ist Vorstand der Augsburger Aktienbank. Er glaubt, dass wir derzeit eine normale Korrektur an der Börse erleben.
    Lothar Behrens ist Vorstand der Augsburger Aktienbank. Er glaubt, dass wir derzeit eine normale Korrektur an der Börse erleben. Foto: Fred Schöllhorn

    Eben erst hatte der Dax dieses Jahr die 10 000er-Marke überschritten, dann ging es bergab. Gestern schloss er im Minus bei 9038,97 Punkten. Wie geht es an der Börse weiter? Darüber haben wir mit Lothar Behrens gesprochen, Chef der Augsburger Aktienbank.

    Herr Behrens, der Einbruch des Dax um 1000 Punkte in kurzer Zeit macht vielen Anlegern Sorgen. Was steht uns da noch bevor?

    Behrens: Das ist wie immer die Eine-Million-Dollar-Frage. Wenn das so einfach zu beantworten wäre, wäre es schön. Ich denke, was wir gerade gesehen haben, ist eine normale Korrektur. Wir sind jahrelang am deutschen Aktienmarkt nach oben gegangen und hatten inzwischen ein hohes Bewertungsniveau erreicht. Als der Dax bei 9500 Punkten stand, habe ich erwartet, dass er die 10 000er Marke zwar testet, aber dass wir sofort dauerhaft darüber bleiben, das habe ich damals nicht geglaubt.

    Weltweite Krisen beeinflussen derzeit die Börse

    Dazu kommen auch viele Krisen in der Welt ...

    Behrens: Die aktuelle Nachrichtenlage ist ein heftiger Mix für die Börse. Wir haben den Ukraine-Konflikt, wir haben im Nahen Osten erhebliche Schwierigkeiten. Da ist einiges, was die Risiken erhöht und nachdenklich stimmt. Hinzu kommt, dass sich bei der Konjunktur in Deutschland die Frage stellt, ob es so positiv weitergeht wie bisher oder ob ein Dämpfer bevorsteht und die hohen Bewertungen noch gerechtfertigt sind.

    Gibt es Anzeichen für einen Dämpfer in Deutschland?

    Behrens: Derzeit haben wir die Berichtssaison bei den Unternehmen. Das Bild ist gemischt: Einige Unternehmen erfüllen sehr gut die Erwartungen oder übertreffen sie, eine Reihe anderer schafft das aber nicht. Bei Adidas, Lufthansa, Südzucker und auch kleineren Unternehmen gab es Gewinnwarnungen. Dazu kommt, dass die Konjunktur in den USA deutlich besser läuft als in der Euro-Zone und man davon ausgeht, dass es dort nächstes Jahr zu einer Zinserhöhung kommen könnte. Das meiste Geld, das hierzulande an der Börse investiert ist, stammt ja leider nicht aus Deutschland und nicht von Privatanlegern. Es kann also leichter abgezogen werden.

    Chef der Augsburger Aktienbank: EU-Finanzkrise noch nicht vorbei

    Steigende Zinsen – wie sie in den USA vielleicht bald denkbar sind – gelten ja als Gift für die Börse  ...

    Behrens: Zumindest werden sie nicht gerne gesehen. Eine moderate Leitzinserhöhung ist o.k., wenn die Konjunktur gut läuft. Wir sind halt derzeit in der Situation, dass die Märkte wahnsinnig auf die Politik der Zentralbanken blicken – auch, weil diese durch das billige Geld einen großen Anteil an der guten Börsenentwicklung hatten.

    In Europa ist dagegen Italien in die Rezession geschlittert. Welche Bedeutung spielt dies?

    Behrens: Ich glaube, dass die Krise nicht vorbei ist. Derzeit erleben wir eine Phase relativer Ruhe. Die Europäische Zentralbank hat uns mit der Niedrigzinspolitik Zeit verschafft. Die Volkswirtschaften und Staatshaushalte zu reformieren und zu sanieren, braucht aber viel Zeit. Hier sind wir noch lange nicht durch.

    Steht uns bei all den derzeitigen Risiken eine Achterbahn-Fahrt an der Börse bevor?

    Behrens: Ehrlicherweise muss man sagen, dass die Schwankungsanfälligkeit zuletzt erstaunlich niedrig war. Es gibt eigentlich relativ selten eine Phase, in der man derart wenige Schwankungen registriert. Jetzt erlebt der Dax einen Ausschlag nach unten. Ich denke, in den nächsten Tagen werden wir aber sehen, wo der Markt den Boden findet.

    Aktien verkaufen oder halten? Das sagt der Experte

    Würden Sie jetzt Aktien kaufen oder verkaufen? Oder einfach Ihre Aktien halten?

    Behrens: Für den, der Aktien hat: Er muss sich die Frage stellen, welche Anteile an Unternehmen habe ich? Ich zum Beispiel behalte meine. Ich glaube an diese Unternehmen, auch wenn sie gerade einmal ein bisschen weniger bewertet sind. Verkaufen würde ich deshalb nicht gleich. Im Gegenteil, je nachdem, was wir jetzt zu Gesicht bekommen, kann man sich überlegen, ob man in nächster Zeit nachkaufen sollte.

    Man kann aber gut verstehen, dass viele Anleger Bauchschmerzen mit Aktien bekommen, wenn sie sehen, dass ihr angelegtes Kapital plötzlich deutlich weniger wert ist, oder?

    Behrens: Das ist definitiv so. Viele Leute haben Angst. Ein Aktieninvestment ist aber auch nicht so kompliziert wie die Raketenwissenschaft. Man muss sich abgewöhnen, permanent auf die Papiere zu schauen wie das Kaninchen auf die Schlange. Mir ist zum Beispiel egal, ob eine BASF-Aktie gerade 75 Euro oder 85 Euro wert ist. Ich glaube, dass das Papier grundlegend eine gute Investition ist. Das Unternehmen ist o. k., die Dividendenrendite ist o.k. Wenn ich morgen in der Zeitung lesen würde, dass sich bei BASF die Lage total verändert, dann muss ich natürlich darüber nachdenken, ob ich die Aktie verkaufe. Das ist gerade nicht der Fall.

    Sagen Sie, warum steigt man immer zum falschen Zeitpunkt an der Börse ein – zumindest dem Gefühl nach?

    Behrens: Das liegt in der Natur der Sache. Niemand kennt den Kurs von morgen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich deshalb nicht den günstigsten Kurs erwische, ist immens hoch. Den optimalen Zeitpunkt zu erwischen – also zum günstigsten Kurs zu kaufen und zum teuersten zu verkaufen – ist eine Illusion.

    Tipp des Experten: Verschieden Aktien über die Zeit verteilt kaufen

    Wie verhält man sich an der Börse dann richtig?

    Behrens: Die Goldene Regel ist, nicht nur eine Aktie zu kaufen, sondern verschiedene. Und auch nicht zu einem Zeitpunkt, sondern verteilt über die Zeit. Ich bin ein Freund von kontinuierlichem Sparen in solche Produkte, gerne auch in einen Investmentfonds. Dann ist die Zeit mein Freund – und es geht in der Regel gut aus.

    Was würden Sie sich wünschen, damit in der Welt und an den Märkten wieder Ruhe einkehrt?

    Behrens: Der wichtigste Wunsch – außerhalb der Wirtschaft – ist für mich, dass wir die Krisenherde in den Griff bekommen. Mit der Politik, die sich zwischen Russland und der Euro-Zone aufbaut, bin ich nicht glücklich. Hier würde ich mir mehr Weitblick wünschen, speziell auch von Wladimir Putin. Der Schaden ist unnötig, den man jetzt anrichtet. Aufgewachsen bin ich im Kalten Krieg, habe die Maueröffnung miterleben können, war froh, dass wir 25 Jahre eine tolle Entwicklung zwischen Ost und West gesehen haben. Plötzlich findet hier eine Kehrtwende statt. Das finde ich sehr, sehr schade.

    Lassen Sie uns nochmals zur Börse zurückkommen. Sehen wir beim Dax die 10 000 Punkte wieder?

    Behrens: Wir erreichen sie sicher wieder. Die Frage ist nur, wann. Wir sehen jetzt erstmal eine ordentliche Korrektur. Ich empfehle, den Markt zu beobachten und zu schauen, wo sich der Boden herausbildet. Das kann bei 8800 sein oder bei 8500 – oder es kann auch heute sein. Dann ist es wichtig, die Nachrichtenlage im Auge zu behalten. Und bald kann man vielleicht wieder Aktien zukaufen. Denn natürlich ist es ein Unterschied, ob man bei 10 000 Punkten oder 8800 einsteigt.

    Für Panik besteht also kein Grund?

    Behrens: Nein, definitiv nicht.

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