Tado mischt den Heizungsmarkt auf
Der Thermostat-Spezialist verspricht Kunden, dass sie ein Fünftel ihrer Heizenergie einsparen können. Das Start-up hat 2,5 Millionen Käufer überzeugt und Amazon als Investor. Nun gibt es neue Ideen.
Nicht jeder kann oder will sein komplettes Haus sanieren, um Heizenergie zu sparen. Was machen zum Beispiel Mieter? Oder Menschen, die gerade nicht das Geld für eine Sanierung haben? Das Unternehmen Tado aus München ist überzeugt, auch in diesen Fällen eine Lösung zu bieten. Gründer Christian Deilmann, 41, hat ein kleines Päckchen in der Hand, das große Wirkung entfalten soll. Sein Unternehmen hat sich auf Thermostate fokussiert. Die Regler an den Heizkörpern senken die Raumtemperatur ab, wenn die Familie morgens das Haus verlässt. Sie registrieren es, wenn vergessen wurde, ein Fenster zu schließen – und schalten dann die Heizung aus. Das spart Energie und senkt die Kosten. „Im Schnitt lässt sich der Verbrauch um 22 Prozent pro Jahr senken", erklärt Deilmann. „Das sind bei den meisten mehrere Hundert Euro im Jahr." Thermostate stellen mehrere Unternehmen her, bei Tado setzt man allerdings auf intelligente Technik und zählt damit zu den stark wachsenden Unternehmen der Branche. Jetzt schicken sich die Münchner an, fast den gesamten Energiebedarf im Privathaushalt zu optimieren.
Ein Hochhaus in München, siebte Etage. Entwickler arbeiten hier an Software, aber auch an Platinen. Ein Team testet neue Prüfstände für die Geräte. Im Keller befinden sich Dutzende Heizungen, an denen das Unternehmen seine Technik ausprobiert. Rund 200 Vollzeitbeschäftigte zählt Tado aktuell, 45 Nationalitäten sind vertreten. Bisher hat das Unternehmen rund vier Millionen seiner Systeme verkauft, es gibt rund 2,5 Millionen Nutzer, nicht nur in Deutschland, sondern auch im europäischen Ausland. Rund 75 Prozent seines Umsatzes erzielt Tado außerhalb der Bundesrepublik. Eben erst stand eine Installateur-Messe in Mailand in Deilmanns Terminkalender.
Thermostate drehen Heizkörper selbständig auf und zu
Müssen die klassischen Thermostate am Heizkörper noch mit der Hand auf- und zugedreht werden, erledigt dies das Thermostat des Unternehmens vollautomatisch. Nur die Raumtemperatur muss die Familie vorgeben, zeitgemäß per App. Die Installation sei einfach: Alte Thermostate runter, neue aufschrauben. Für jeden Raum lässt sich dann eine individuelle Wunschtemperatur vorgeben, beispielsweise im Bad vormittags 24 Grad, im Wohnzimmer 22 Grad, im Hobbykeller, den man gerade nicht nutzt, 18 Grad.
Neben den Heizkörpern gibt es eine zweite Stelle, an der man mit dem Energiesparen ansetzen kann: An der Heizungsanlage selbst, also am Gaskessel oder an der Wärmepumpe. Die Steuerung optimiert passend zum aktuellen Wärmebedarf die Vorlauftemperatur des Wassers, das die Heizungsanlage verlässt. Tado verspricht, rund 18.000 Heizsysteme von über 900 Herstellern zu unterstützen. Einige nutzen die Technik der Münchner inzwischen selbst. Das Unternehmen hat erst diesen Monat eine Kooperation mit dem Wärmepumpenhersteller Panasonic aus Japan bekanntgegeben, auch Viessmann und andere verkaufen nach Angaben der Münchner Tado-Lösungen.
Tado: Schub nach der Energiekrise 2022
In Deutschland, wo nach dem Zweiten Weltkrieg viele Wohngebäude mit Zentralheizung gebaut wurden, verkauft die Firma vor allem Thermostate für Heizkörper, erklärt Deilmann. Die Kosten: rund 70 Euro. Im Ausland gibt es häufiger Etagenheizungen, hier ist das Interesse an den Heizungssteuerungen groß. Man könne auch beide Systeme kombinieren, dann erziele man die maximale Einsparung, die Kosten lägen bei rund 150 Euro.
Den größten Schub hatte das Unternehmen in der Energiekrise 2022, nach Ausbruch des Ukraine-Krieges: „Die Leute diskutierten, wie sich die Energieeffizienz steigern lässt und wie wir ohne russisches Gas auskommen", erinnert sich Deilmann. „Wir haben in dieser Zeit unseren Absatz verdoppelt und einen gigantischen Schub erlebt", erklärt er. „Inzwischen liegen wir in normalen Wachstumsdimensionen." Diese lägen immer noch in einem „hohen zweistelligen Prozentbereich".
Deilmann stammt aus Düsseldorf, das Studium an der Technischen Universität führte ihn nach München. „Energietechnik hat mich immer fasziniert", sagt er. Er forscht schon an der Uni an effizienten Rotorblättern für Windkraftanlagen, später steigt er bei einem Unternehmen für Brennstoffzellen ein. Was ihm bald auffällt: „Ein Drittel unserer Energie wird allein für das Heizen und Klimatisieren von Gebäuden verwendet, dies ist einer der größten Energieverbraucher weltweit. Obwohl Heizungen diese enorme Bedeutung für unseren Energieverbrauch und das Klima haben, stehen sie aber meist zehn, manchmal 20 Jahren fast unbeachtet im Keller, dabei liegen hier wahnsinnige Effizienzpotentiale."
Vertrieb über Amazon und Flagship-Stores von Apple
Deilmann schließt sich mit dem Regelungstechniker Johannes Schwarz, 41, zusammen, der aus Freising stammt. Beide setzen sich das Ziel, die Heizungssteuerung intelligent zu machen und mit dem Internet zu verknüpfen. 2011 gründen Deilmann und Schwarz ihr Unternehmen, 2012 kommt das erste Produkt auf dem Markt.
Ein Stück sind sie damals ihrer Zeit voraus: Damals hatten viele Leute noch kein Smartphone, bei Installateuren stießen sie deshalb auf Skepsis. Der Einstieg geschieht über Fachmagazine und Enthusiasten, sogenannte „early adopters", die sich für neue Produkte begeistern können. Das Interesse steigt, als Tado-Technik erst über Amazon vertrieben wird und später der iPhone-Hersteller Apple die Systeme in seinen Flagship-Stores anbietet; Amazon ist heute einer der Investoren, dem US-Konzern gehört ein Teil des Münchner Unternehmens.
Einen großen Schub an Aufmerksamkeit erleben die Gründer, als 2014 der US-Konzern Google in den Vereinigten Staaten für 3,2 Milliarden Dollar den Thermostat- und Feuermelderhersteller Nest Labs übernimmt. „Plötzlich erwachte das Interesse und auch das Vertrauen in unsere Produkte", sagt Deilmann. Nun hat das Team neue Pläne.
Schwankende Strompreise an der Börse: Strom beziehen, wenn er billig ist
„Wir wollen nicht nur helfen, den Energieverbrauch zu senken, sondern auch den Energiepreis reduzieren, den unsere Kunden zahlen", erklärt Deilmann. Dabei macht man es sich zunutze, dass die Strompreise an den Börsen stark schwanken. Strom ist an der Börse meist billig, wenn Wind weht oder die Sonne scheint. In solchen Niedrigpreiszeiten erscheint es klug, den Pufferspeicher zum Heizen oder den Brauchwassertank zum Duschen zu erhitzen. Teilweise ist der Strompreis an der Börse sogar negativ, dann bekommen Kunden eine Gutschrift, wenn sie Strom abnehmen. Um als Kunde diese Technik nutzen zu können, ist ein intelligenter Stromzähler – ein Smart Meter – die Voraussetzung. In Deutschland werden diese derzeit Stück für Stück eingeführt.
Seit kurzem hat das Unternehmen auch Elektroautos in den Blick genommen. Eine Lade-App nutzt seit September 2023 den gleichen Effekt: „Steckt der Fahrer das E-Auto an der Wallbox an, lädt es immer dann, wenn der Strom gerade besonders günstig ist."
Er sei überzeugt, dass in gar nicht so ferner Zukunft jede Heizung, jede Klimaanlage und jedes E-Auto intelligent gesteuert werden wird, sagt Deilmann. Denn Strom stammt immer häufiger nicht mehr aus fossilen Kraftwerken, sondern wird erneuerbar erzeugt. Mit Sonne und Wind. Da diese Energiequellen schwanken, müssten sich die Verbraucher darauf einstellen und ihren Stromverbrauch flexibilisieren.
Tado-Gründer Christian Deilmann: "Nahe der Profitabilität"
Das einstige Start-up hat unlängst die Führungsspitze breiter aufgestellt und 150 Millionen Euro für Investitionen aufgenommen. „Wir sind sehr nah an der Profitabilität", sagt Deilmann.
Für jemanden, der gerade Vater geworden ist, sind dies gute Perspektiven.
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