Die Schreinerei Ziegelmeier in Nördlingen baut ein Fenster, bei dem sich die Glasscheiben erwärmen. Ihr Chef erzählt, was er sich von der Innovation erhofft.
Die Schreinerei hat gerade frisches Holz bekommen. Zusammen mit zweien seiner Mitarbeiter ist Gunter Ziegelmeier dabei, die Eichenbretter zu entrinden. Die Dicke des Stamms deutet darauf hin, dass der Baum mehr als 100 Jahre erlebt hatte. Unregelmäßigkeiten im Holz freuen den 62-Jährigen. Später lassen sich besonders charaktervolle Fenster und Möbel daraus fertigen. Zuerst aber muss das Holz mindestens vier Jahre trocknen.
Der Schreiner und Diplom-Ingenieur liebt die Ursprünglichkeit des Produktes Holz, hat gleichzeitig aber auch eine Begeisterung für technische Neuerungen und Innovationen. Sein Unternehmen hat ein Fenster auf den Markt gebracht, dessen Scheiben wie eine Heizung funktionieren. Dafür hat die Schreinerei Ziegelmeier aus Nördlingen den Bundesinnovationspreis 2024 für das Handwerk gewonnen, der vom Bundeswirtschaftsministerium in Berlin verliehen wird.
Die Schreinerei Ziegelmeier ist ein Traditionsunternehmen. Sie existiert seit 1878. Heute ist der Betrieb spezialisiert auf Sanierungen, die Fensterproduktion für Holzhäuser, Haustüren, Hebeschiebetüren, Einbruchhemmung und gesundes Wohnen. Gerade das Geschäft mit den Modernisierungen von Altbauten funktioniert auch jetzt gut, in der Baukrise, in der der Neubau fast "tot" ist, sagt Gunter Ziegelmeier. "Wir sind eher überausgelastet als unterausgelastet." Die Schreinerei hat sechs Beschäftigte. Und in seinem Berufsleben hat er Kontakte geknüpft, sodass sein Unternehmen im Raum von Nördlingen bis nach München, von Aalen bis nach Ingolstadt Aufträge bekommt.
Sanierung der Fenster am Augsburger Rathaus
Vor wenigen Jahren hat die Schreinerei die Fenster des Augsburger Rathauses saniert, vom Erdgeschoss bis zur Turmspitze, inklusive der Fenster im schmucken Goldenen Saal. Die historischen Eichenfenster bekamen neue Kittfugen, später setzte die Schreinerei auch Brandschutzfenster ein.
Ein Highlight der letzten Jahre war die Arbeit am Verwaltungsgerichtshof in Ansbach, einem Gebäude aus dem 17. Jahrhundert. Dort waren vier Meter breite Bogenfenster zu ersetzen. "Kein Bogen war wie der andere", erinnert sich Gunter Ziegelmeier an das historische Gebäude. Moderne Technik half hier weiter. Erst ein digitales Aufmaß, dann der Zuschnitt mit der CNC-Fräse. "Technik ist in einem kleinen Betrieb das A und O", ist Ziegelmeier überzeugt. So kann auch in einem kleinen Team effizient und präzise gearbeitet werden. Die Schreinerei hat bereits mehrere Auszeichnungen gewonnen, der jüngste Treffer ist die Fensterheizung.
Die Fensterheizung sieht aus wie ein normales Fenster, der Rahmen ist aus hellem Holz, aus Tanne. Nur ein kleines Kabel, das vom Fensterstock in den Rahmen führt, deutet auf die besondere Funktion hin. Der Unterschied wird schnell deutlich, schaltet man die Heizung an und legt die Hand auf das Glas. Die Oberfläche an der Innenseite des Fensters erwärmt sich schnell. Wie eine Sitzheizung im Auto. Die gesamte Oberfläche wird zum Heizkörper. "Maximal bis 35 Grad Celsius", sagt Ziegelmeier. Rund sechs Jahre hat er an den beheizbaren Fenstern gearbeitet, sie sind eine Fortentwicklung eines Produkts des Ingenieurs Andreas Häger und des Unternehmens Vestaxx in Berlin.
Firma Ziegelmeier baut beheizbare Fenster für Passivhäuser
Anwendungsbereiche für seine Fensterheizung sieht Ziegelmeier vor allem in gut gedämmten Häusern. Die Dämmung hält dort die Wärme sehr gut im Inneren, sodass sie wenig Heizenergie benötigen. "Die Fensterheizung ist dort eine gute Alternative zur Wärmepumpe, deren Anschaffungspreis viel höher ist", sagt Ziegelmeier. Er beziffert den Aufpreis für die Fensterheizungen auf 8000 bis 10.000 Euro. Das Produkt könnte im Neubau dazu beitragen, Baukosten zu senken. "Unser System braucht nur Elektroleitungen, man spart sich also die Verrohung", erklärt er.
Wärmepumpen nutzen zum Heizen zu rund zwei Dritteln die Umgebungswärme, zum Beispiel der Luft. Das macht sie effizient. Die Fensterheizung bezieht ihre Energie dagegen allein aus dem elektrischen Strom. Anwendungen sieht der Betrieb deshalb vor allem in Häusern, in denen der Wärmebedarf gering ist: "Ideal ist sie für Passivhäuser", erklärt Ziegelmeier.
Die Schreinerei hat die beheizbaren Fenster aber auch schon an den Besitzer eines Bungalows verkauft, der eine 5 Meter breite Glasfläche hat. "Kommt der Kunde abends aus dem Büro nach Hause, hat er es im Rücken schön warm", sagt Ziegelmeier. Die Heizung lässt sich bereits aus der Ferne per Smartphone anstellen.
Dass man mit den Fenstern die Umwelt heizt, diese Sorge sei unbegründet: "Der Wärmeverlust nach außen beträgt weniger als 4 Prozent, da es sich um Dreifachverglasung handelt. Das heißt, dass über 96 Prozent der Energie als Strahlungswärme in den Raum gehen." Ziegelmeier hofft, dass die heizenden Fenster ein Standbein für das Unternehmen werden. Überzeugt haben sie jedenfalls die Jury des Innovationspreises. Die Urkunde hängt im Betrieb, unterschrieben hat Wirtschaftsminister Robert Habeck.
Gunter Ziegelmeier führt den Betrieb mittlerweile in fünfter Generation. Gegründet hatte ihn sein Ururgroßvater Andreas Ziegelmeier im 19. Jahrhundert, damals noch in einem Raum in einer Gasse mitten in der Altstadt. Den Lehrvertrag des Gründers hat die Familie noch immer. Handgeschrieben auf einem großen Bogen Papier. Damit der Ururgroßvater in Lehre gehen durfte, musste die Familie 80 Gulden Lehrgeld zahlen. Dieser war zudem zu "Gehorsam und Ehrerbietung" gegenüber dem Lehrmeister und seiner Frau verpflichtet.
Nach der Schreinerlehre erst Fachabitur und dann Studium
"Eine Lehre ist auch heute immer gut", ist der Firmenchef überzeugt. Er selbst hat eine Lehre als Schreiner gemacht, anschließend Fachabitur gemacht und dann ein Studium zum Diplom-Ingenieur für Holztechnik in Rosenheim absolviert. Eines seiner drei Kinder, Sohn Philipp, studiert nach der Lehre heute ebenfalls Holztechnik und arbeitet zusätzlich im Betrieb mit. Zum Team gehört auch Gunter Ziegelmeiers Ehefrau Julia. Sein Vater Emil Ziegelmeier, inzwischen 94, schaut ebenfalls gerne gelegentlich in der Schreinerei vorbei.
Es könnte die Kombination aus der Praxis einer Lehre und der Theorie des Studiums sein, die besondere Innovationen hervorbringt. Bereits vor rund 20 Jahren begann Ziegelmeier mit der Herstellung von Fenstern, die vor elektromagnetischen Wellen schützen. Ein feines Metallgewebe schirmt die Strahlung ab.
Das Problem des Elektrosmogs werde größer, da mit dem Ausbau des Mobilfunks immer mehr Handymasten in direkter Nachbarschaft entstehen, sagt Ziegelmeier. "Die Fenster reduzieren die Strahlung um den Faktor 10.000." Interesse findet das Produkt bei Bürgerinnen und Bürgern, die empfindlich auf Strahlung reagieren und sehr gesundheitsbewusst seien. Aber auch auf Sardinien hat er die Spezialfenster zusammen mit seinem Team schon eingebaut. Dort hatte die Bundeswehr auf einem Flughafen einen Stützpunkt als Zwischenstopp für Flüge nach Afghanistan, hier ging es aber unter anderem um die Abhörsicherheit. "Prüfzeugnisse liegen vor", betont Ziegelmeier.
Damit sich der Bau erholt: Förderprogramme und politische Stabilität
Die globalen Krisen und Probleme gehen nicht am Handwerk vorbei. Zölle des früheren US-Präsidenten Donald Trump auf Holzeinfuhren aus Kanada jagten zum Beispiel 2017 den Holzpreis in die Höhe. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine verteuerte 2022 auch anderes Material. Gunter Ziegelmeier und die Schreinerei der Familie halten mit Innovationen dagegen und schaffen sich neue Standbeine.
Bald, hofft er, könnte es auch wieder im Bau aufwärtsgehen. Mit den aktuellen Förderprogrammen der Bundesregierung und mehr politischer Stabilität käme das Interesse sicher zurück.