Wenn das Wasser abgeflossen sein wird, steht in den überschwemmten Landstrichen im Süden Deutschlands die Beseitigung der Flutschäden an. Häuser, Straßen, Brücken und Dämme müssen repariert oder neu aufgebaut werden. Die deutsche Bauindustrie sieht sich imstande, diesen Kraftakt schultern zu können. "Von den Kapazitäten her wird das kein Problem sein, da steht die Bauwirtschaft insgesamt zur Verfügung", sagte Bau-Präsident Peter Hübner am Dienstag in Berlin. Durch die Flut im Ahrtal verfügten die Unternehmen über Erfahrung im Wiederaufbau. Dabei wurden seitens der Behörden Genehmigungen vereinfacht und gestrafft. Genau diese verkürzten Verfahren wünscht sich die Branche auch für die nun betroffenen Regionen.
Hübner verlangte von den Regierungen in Baden-Württemberg und Bayern sowie der Bundesregierung, schnell genügend Geld zur Verfügung zu stellen. "Wenn ich mir aktuell die großen Haushaltsprobleme anschaue, kann man nur hoffen, dass man nicht zu lange darüber diskutiert", mahnte er.
Ampelkoalition debattiert um das Geld
Die Ampelkoalition ist uneins, ob wegen der Naturkatastrophe eine Notlage ausgerufen werden kann, um eine Ausnahme von der Schuldenbremse des Grundgesetzes zu rechtfertigen. Denn wegen der angespannten Haushaltslage wäre es für den Bund nur schwer möglich, die Mittel aus den laufenden Einnahmen bereitstellen zu können. Wird die Schuldenbremse deaktiviert, könnten diese über Schulden finanziert werden.
Nach der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal Mitte 2021 hatte der Bund einen Wiederaufbaufonds mit 30 Milliarden Euro befüllt, der über mehrere Jahre genutzt werden kann. Wegen des Haushaltsurteils des Bundesverfassungsgerichts Ende vergangenen Jahres ist das heute nicht mehr möglich. Auch die Landesverfassungen Bayerns und Baden-Württembergs sehen Ausnahmen vom Schuldenverbot bei Notlagen vor.
Die bayerische Landesregierung kündigte am Dienstag ein Sofortprogramm im Umfang von 100 Millionen Euro an. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) haben den vom Hochwasser Betroffenen Hilfe des Bundes versprochen. Für den Koalitionspartner FDP ist die Einhaltung der Schuldenregel allerdings ein wichtiges Ziel.
Miese Stimmung auf dem Bau
Dass die Bauindustrie nach eigener Einschätzung keine Probleme haben wird, genügend Arbeitskräfte und Material für die Wiederherstellung der überspülten Orte und Städte zu mobilisieren, liegt auch daran, dass die Geschäfte nicht gut laufen. "Wir befinden uns im vierten Jahr der baukonjunkturellen Schwäche. Eine Wende wird es auch in diesem Jahr nicht geben", prognostizierte Verbandschef Hübner. Er rechnet mit einem Umsatzminus von vier Prozent. Das ist nochmal einen halben Prozentpunkt schlechter als die bisherige Schätzung. Wegen fehlender Aufträge rechnet der Baupräsident mit dem Abbau von 10.000 Stellen.
Besonders schwach ist die Lage im Wohnungsbau. Für diesen Bereich wird ein Umsatzrückgang von zwölf Prozent erwartet. Dass vergangenes Jahr mit rund 300.000 Wohnungen mehr Einheiten fertiggestellt wurden als zuvor geschätzt, liegt laut dem Bau-Präsidenten an Genehmigungsüberhängen aus besseren Zeiten. Momentan sieht es nicht so aus, als würde sich an dem Abwärtstrend etwas ändern. Im ersten Quartal wurden rund 20 Prozent weniger neue Wohnungen genehmigt als in den ersten drei Monaten 2023. Einziger Lichtblick für den Sektor ist der Wirtschaftsbau, weil Großaufträge zur Sanierung des Bahnnetzes und für den Bau von Stromleitungen für Geschäft sorgen. Zu diesen Aufgaben kommt der Wiederaufbau der Flutgebiete hinzu.