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Bauerndemo: Wie schlecht geht es den Landwirten wirklich?

Bauernproteste

Wie schlecht geht es den Bauern wirklich?

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    Zahlreiche Bäuerinnen und Bauern protestierten am Montag für ihren Berufsstand.
    Zahlreiche Bäuerinnen und Bauern protestierten am Montag für ihren Berufsstand. Foto: Josef Heckl

    Mit Protestfahrten und Straßenblockaden haben deutsche Landwirte zu Beginn der Woche gegen die Pläne der Bundesregierung protestiertt, Agrar-Diesel zu besteuern. Der Bauernverband warnt, dass die Zukunftsfähigkeit der Branche und die heimische Lebensmittelerzeugung gefährdet seien. Zugleich waren die Preise für Lebensmittel zuletzt hoch. Wie also geht es den Bauern wirklich? Ein Überblick. 

    Wie hat sich das Einkommen der Landwirtschaftsbetriebe entwickelt?

    Die Lage der Betriebe hatte sich im Wirtschaftsjahr 2022/23 deutlich verbessert. "Im Durchschnitt sind die Unternehmensergebnisse unserer Haupterwerbsbetriebe im Vergleich zum Vorjahr um 45 Prozent auf 115.400 Euro gestiegen", berichtete Bauern-Präsident Joachim Rukwied bei der Vorstellung des neuen Situationsberichts im Dezember. Im Wirtschaftsjahr 2021/22 waren es rund 79.400 Euro, nochmals ein Jahr davor 54.300 Euro. Die besseren Erträge sind nach vielen schwachen Jahren für die Betriebe dringend nötig gewesen, heißt es in der Branche. Dass man aber große Rücklagen bilden konnte, bezweifelt Hans Foldenauer, Sprecher des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter. "Stattdessen wurden in den Betrieben Löcher gestopft, die entstanden, als der Milchpreis lange unter den Erzeugungskosten lag", sagt er. Verglichen mit anderen Unternehmen außerhalb der Landwirtschaft seien die Ergebnisse zudem noch immer unterdurchschnittlich, erklärt Bauernpräsident Rukwied. Ein guter Teil der Ergebnisse sei nötig, um dringend nötige Neuinvestitionen stemmen zu können.

    Nach zwei unterdurchschnittlichen Jahren sei absehbar, dass sich die durchschnittliche Einkommenssituation der bayerischen Betriebe insbesondere im Wirtschaftsjahr 2022/23 deutlich verbessert hat, berichtet auch das bayerische Landwirtschaftsministerium. "Allerdings kann das Einkommen eines Arbeitnehmers nicht ohne weiteres mit dem Gewinn eines landwirtschaftlichen Betriebs verglichen werden", betont man dort. "Der überwiegende Teil – über 76 Prozent – der betrieblichen Arbeit in der Landwirtschaft in Bayern wird laut Agrarstrukturerhebung durch die Betriebsinhaber und ihre Familienangehörigen erledigt. Daher muss diese gesamte Arbeitsleistung aus dem betrieblichen Gewinn entlohnt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gewinn nicht allein für die Arbeitsentlohnung der Familie zur Verfügung steht, sondern auch noch weitere Positionen verzinst und entlohnt werden sollten, wie das im Betrieb investierte Eigenkapital."

    Was bedeutet dies pro Arbeitskraft?

    Auch umgerechnet auf die Arbeitskraft legte das Einkommen in den vergangenen Jahren zu, das geht aus Daten des Bundeslandwirtschaftsministeriums hervor. Im Wirtschaftsjahr 2021/22 stieg das Einkommen je Arbeitskraft um 32 Prozent auf 43.500 Euro. Grund sei auch hier der kräftige Preisanstieg für viele Agrarerzeugnisse in den letzten Jahren gewesen. Von der Entwicklung profitierten Futterbau-, Ackerbau- und Tierhaltungsbetriebe. Einbußen hatten Obstbaubetriebe. 

    Wie steht Bayern da?

    Bei den Einkommen gibt es enorme regionale Unterschiede, berichtet das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft. Landwirtinnen und Landwirte erzielten 2021/22 in Mecklenburg-Vorpommern mit im Schnitt rund 59.600 Euro je Arbeitskraft das höchste Einkommen. In Schleswig-Holstein waren es rund 57.300 Euro, in Bayern rund 42.000 Euro. "Ein wesentlicher Grund für ein im Schnitt niedrigeres Betriebseinkommen ist, dass die Betriebe in Bayern im Durchschnitt eine kleinere Betriebsgröße aufweisen als im bundesweiten Vergleich", so das bayerische Landwirtschaftsministerium. Das geringste Einkommen hatten Betriebe in Baden-Württemberg mit rund 35.000 Euro. 

    Wie sehen die Perspektiven für dieses Jahr aus?

    Die Einkommensperspektiven für dieses Jahr sehen weniger gut aus. Das macht das Beispiel der Milchwirtschaft deutlich. Lag der Milchpreis im Jahr 2022 und in der ersten Hälfte des Jahres 2023 noch bei rund 60 Cent pro Liter, ist er danach im bundesweiten Schnitt um rund 15 Cent gefallen, berichtet BDM-Sprecher Foldenauer. "Fest steht bereits, dass die Spitzenergebnisse des Wirtschaftsjahres 2022/23 im laufenden Wirtschaftsjahr 2023/24 nicht wieder erreicht werden", heißt es auch im Situationsbericht des Bauernverbandes.

    Wie sieht die Lage am Beispiel eines konkreten Betriebes aus der Milchwirtschaft aus?

    Ein durchschnittlicher Milchviehbetrieb hat nach Angaben des BDM rund 80 Kühe und erzeugt 650.000 Liter Milch im Jahr. Damit nimmt der Betrieb bei den gegenwärtigen Preisen rund 280.000 bis 300.000 Euro ein. Dem stehen Kosten von rund 325.000 Euro gegenüber. Allein durch den Rückgang des Milchpreises entgehen den Betrieben im Schnitt rund 90.000 Euro. "Wären die Förder-Kürzungen bei Agrar-Diesel wie ursprünglich geplant gekommen, hätten die Betriebe im Schnitt nochmals zwischen 3500 und 5000 Euro verloren", rechnet Foldenauer vor. Hier ist die inzwischen zurückgenommene Einführung der Kfz-Steuer auf Landmaschinen noch eingerechnet. 

    Wäre eine Besteuerung von Agrar-Diesel existenzgefährdend?

    Im Vergleich zu den Preis- oder Ernteschwankungen mögen die Mehrkosten durch die Diesel-Steuer gering erscheinen, trotzdem könnten sie viele Betriebe in die Enge treiben. Die Kürzungen seien "für einen durchschnittlichen Betrieb nicht existenzgefährdend", aber "finanziell schon merkbar", sagt Sebastian Lakner, Professor für Agrarökonomie an der Universität Rostock. "Der Umfang der Agrardieselbeihilfe liegt bei einem durchschnittlichen Betrieb zwischen 2600 und 2900 Euro", sagt er. In Bayern haben Haupterwerbsbetriebe im Wirtschaftsjahr 2020/21 im Schnitt 2213 Euro Agrardieselbeihilfe erhalten, berichtet das Landwirtschaftsministerium des Freistaats. "Für die Liquidität der Betriebe könnte diese Kürzung eventuell schon ein Problem darstellen, da die Streichung dieser Subvention recht kurzfristig angekündigt wurde", erklärt Lakner. "Sollte diese Kürzung für einzelne Betriebe existenzgefährdend sein, dann lag diese Existenzgefährdung bereits vor der Kürzung latent vor und deutet auf bereits vorliegende ökonomische Schwierigkeiten hin." BDM-Sprecher Foldenauer sieht Betriebe in Gefahr, die noch immer unter den einst niedrigen Preisen leiden: "Wenn man nichts auf der hohen Kante hat, tut jeder Cent weh", erklärt er.

    Landwirte-Demo: Auswirkungen, Verkehr in Augsburg. Landwirte-Demo: Auswirkungen auf Verkehr in Augsburg
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    Eine groß angelegte Demonstration von Landwirten führt am Montag auch durch Augsburg. Hunderte Fahrzeuge legen den Verkehr lahm. So verlief der Bauernprotest.

    Auch im bayerischen Landwirtschaftsministerium hält man die Diesel-Beihilfe für wichtig: "Die Agrardieselbeihilfe stellt bisher für die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe eine verlässliche Größe dar", teilt das Ministerium auf Anfrage mit. "Gerade weil die Erzeugerpreise heute mehr denn je von internationalen Warenströmen beeinflusst werden und kurzfristig stark schwanken können, ist eine verlässliche Agrardieselbeihilfe besonders wichtig. Dies umso mehr, da Betriebe in Nachbarländern eine entsprechende Unterstützung erfahren. Durch den Wegfall in Deutschland würden sich handfeste Wettbewerbsnachteile ergeben." 

    Wie entwickelt sich die Zahl der Betriebe?

    Die Zahl der Betriebe nimmt stetig ab. Gab es 2005 noch rund 133.000 landwirtschaftliche Betriebe in Bayern, waren es 2021 nur noch 103.000. "Den Beruf an sich sehen viele junge Menschen als interessant an, die Zahlen zeigen aber auch, dass der jungen Generation häufig die wirtschaftlichen Perspektiven fehlen", sagt Foldenauer. Auch die Zahl der Milchviehhalter sinkt stark. "Die Dörfer bluten aus."

    Was könnte Hilfe bieten?

    Einen Verzicht auf die Agrardiesel-Besteuerung sieht man bei den Milchviehhaltern nur als einen Schritt. "Wir müssen unabhängiger werden von staatlichen Beihilfen, die im Schnitt rund 50 Prozent des Einkommens ausmachen", sagt Foldenauer. Der BDM fordert einen staatlichen Rahmen für ein Marktmanagement im Krisenfall. Es habe sich gezeigt, dass eine um ein oder zwei Prozent geringere Anlieferung zum Beispiel von Milch die Preise stabilisieren kann. 

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