Ob es der alten Bundesregierung gelungen war, ihre eigenen Ziele im Wohnungsbau zu erfüllen, ist umstritten. Der frühere CSU-Innen- und Bauminister Horst Seehofer war am Ende zufrieden, Kritikerinnen und Kritiker hielten ihm dagegen vor, die Ziele klar verfehlt zu haben. Die Mieten in vielen deutschen Städten jedenfalls sind stark gestiegen. Die neue Ampel-Regierung in Berlin will es nun besser machen. 400.000 Wohnungen pro Jahr kündigen SPD, Grüne und FDP an, davon 100.000 im sozialen Wohnungsbau. Bundesbauministerin Klara Geywitz stellte im Dezember für das Jahr 2022 eine zusätzliche Milliarde Euro in Aussicht. Doch ein breites Bündnis an Verbänden und der Gewerkschaft IG Bau bezweifelt, dass diese Mittel ausreichen werden.
Das Bündnis hält im Minimum sechs Milliarden Euro für nötig – fünf Milliarden Euro im sozialen Wohnungsbau und eine Milliarde, um weitere 60.000 bezahlbare Wohnungen pro Jahr für Haushalte mit niedrigem oder mittlerem Einkommen zu schaffen. Soll alles mit einem hohen Klima-Standard gebaut werden, kommt man sogar auf 12,9 Milliarden Euro.
Robert Feiger, IG Bau: "Eingeplante Mittel werden nicht reichen"
"Die aktuell eingeplanten Mittel werden nicht reichen, damit die Bundesregierung ihre Ziele erfüllen kann", sagt IG Bau-Chef Robert Feiger im Gespräch mit unserer Redaktion. "Um 100.000 soziale Wohnungen für maximal 6,50 Euro pro Quadratmeter Miete erstellen zu können, werden im Minimum fünf Milliarden Euro pro Jahr nötig sein", erklärt er. Die IG Bau hat damit zusammen mit anderen Verbänden im Bündnis "Soziales Wohnen" ein Preisschild an die Pläne der Ampel-Regierung in Berlin geheftet. Solle der Klimaschutz zudem "enorm getunt" werden, seien sogar 8,5 Milliarden Euro nötig. Dann ließen sich die Gebäude nach besonders energiesparenden Standards errichten.
Neben den 100.000 Sozialwohnungen fordert das Bündnis, auch an die Haushalte mit unterem und mittleren Einkommen zu denken, die knapp zu viel verdienen, um einen Wohnberechtigungsschein zu bekommen. "Gebaut werden müssen auch 60.000 Wohnungen pro Jahr mit einem bezahlbaren Mietpreis von 8,50 Euro pro Quadratmeter", fordert Feiger. Dies würde rund eine Milliarde Euro kosten, bei einem hohen Klimaschutzstandard wären 4,4 Milliarden Euro nötig.
Zehn Prozent der Sozialwohnungen sollten zudem dem Teil von Menschen vorbehalten bleiben, die es schwer haben, auf dem Wohnungsmarkt Fuß zu fassen, fordert das Bündnis. Zum Beispiel Menschen mit Behinderung, betreuten Senioren oder Frauen, die ein Frauenhaus verlassen.
Aktuell fehlen mindestens 450.000 Wohnungen in Deutschland
In Deutschland liegt der Nachholbedarf bei rund 450.000 Wohnungen. Das hat das Pestel-Institut aus Hannover in einer aktuellen Studie ermittelt, die das Bündnis "Soziales Wohnen" in Auftrag gegeben hat. Dem Bündnis gehören neben der IG Bau auch der Mieterbund, die Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie sowie zwei Partner der Bauwirtschaft an: die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau und der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel.
"Die Zahl von 450.000 fehlenden Wohnungen ist noch vorsichtig geschätzt", kommentiert IG Bau-Chef Feiger. "Im bezahlbaren Bereich fehlen über eine Million Wohnungen", sagt er. "Die höchste Dringlichkeit für neue Wohnungen besteht dabei in den Ballungszentren wie Berlin, München, Frankfurt oder Düsseldorf", erklärt Feiger. "Dort also, wo die Situation am Wohnungsmarkt am schwierigsten ist."
Pläne der Ampel könnten für Entspannung auf dem Wohnungsmarkt sorgen
Das Bündnis "Soziales Wohnen" begrüßt die Pläne der Ampel-Regierung. "Damit kann es gelingen, auf dem Wohnungsmarkt zu einer Entspannung zu kommen", sagt IG Bau-Chef Feiger. Zudem stimmt es ihn zuversichtlich, dass die Bundesregierung ein eigenes Bauministerium eingerichtet hat. "Damit zeigt die Bundesregierung, dass sie sich bewusst ist, dass im Wohnungsbau eine große Aufgabe zu lösen ist", sagt er. Es reiche aber nicht, dass die Bundesbauministerin ambitionierte Ziele habe. "Die Bauministerin muss auch bauen können - dafür muss die Regierung ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stellen", sagt Feiger. Ob es die Ampel-Regierung schaffe, ihre Pläne umzusetzen, hänge entscheidend davon ab, ob FDP-Finanzminister Christian Lindner "das erforderliche Geld für die verabredete Neubau-Offensive bereitstelle", so die Verbände.
Das Bündnis fordert, dass der Bund einen "Sonderfonds Wohnen" einrichtet. Vorbild könnte der Klima-Fonds für den Klimaschutz sein. "Der Bund allein muss auch nicht alle Mittel zahlen, anteilig müssen sich auch die Bundesländer mit eigenen Mitteln am sozialen Wohnungsbau beteiligen", sagt Feiger.
Noch fehlen die Arbeitskräfte
Wichtig allerdings sei, dass schnell Klarheit bestehe, dass die Bundesregierung die Gelder für den Wohnungsbau auch bereitstellt, betont Feiger. Nur dann würde die Bauindustrie entsprechende Kapazitäten schaffen. Beschäftigte und Material sind bereits heute auf den Baustellen knapp. "Die Unternehmen müssen die technischen und personellen Kapazitäten für die Wohnraum-Offensive aufbauen", erklärt Feiger. "Dies geschieht nicht von einem Tag auf den anderen", sagt er. "Investitionen müssen über einen längeren Zeitraum gewährleistet sein, nur dann werden im Bau neue Fachkräfte eingestellt und ausgebildet", fügt Feiger an. "Wenn es das Ziel ist, in den nächsten Jahren 1,6 Millionen neue Wohnungen zu errichten, dann muss schnell Klarheit bestehen, dass die dafür nötigen Gelder kommen", lautet sein Appell an die Regierung.
Gerade in den Metropolen ist es schwer, Bauland zu finden. Häufig sind nur teure Wohnungen rentabel zu errichten; der soziale Wohnungsbau hat es angesichts hoher Grundstückspreise schwer. "Bei Grundstückspreisen von 300 Euro pro Quadratmeter ist die Schmerzgrenze erreicht", sagte der Leiter des Pestel-Instituts, Matthias Günther, am Freitag. "Liegen die Grundstückspreise darüber, haben der soziale und bezahlbare Wohnungsbau praktisch keine Chance mehr."
Deckel bei 300 Euro: Hohe Grundstückspreise erschweren sozialen Wohnungsbau
Um Bauen bezahlbarer zu machen, fordert das Bündnis, dass Bund, Land und Kommunen Baugrund für maximal 300 Euro pro Quadratmeter bereitstellen. "Der Verkauf günstigeren Baulands muss dann aber mit der Verpflichtung an die Bauunternehmen verbunden sein, dass bezahlbarer Wohnraum entsteht", erklärt Feiger.
Zudem fordert das Bündnis die Bundesregierung auf, die Mehrwertsteuer im sozialen Wohnungsbau von 19 auf 7 Prozent zu senken. Berechnungen zufolge könnte damit die Miete um rund 60 Cent pro Quadratmeter sinken. Dies bedeute bei einer 60-Quadratmeter-Wohnung eine Ersparnis von 36 Euro im Monat. Für Geringverdiener sei dies bereits eine relevante Erleichterung, sagt Feiger.