Alle Hände voll zu tun: Bauen mit Lehm findet immer mehr Anhänger
Lehm ist als ökologischer Baustoff gefragt, nicht nur in der Sanierung alter Häuser. Ein schwäbischer Hersteller von Lehm-Dämmplatten will die Produktion sogar verdreifachen.
Es wird weniger gebaut, die Bauindustrie klagt. Gerade hat der Verband für Dämmstoffe, Putz und Mörtel bekannt gegeben, dass der Absatz im dritten Quartal dieses Jahres um 22,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gesunken ist. Doch nicht jeder in der Branche ist unzufrieden: „2021 und 2022 haben wir Rekordzahlen verzeichnet. Diesen Sommer einen Einbruch, doch seit Juli haben wir im Vergleich zum Vorjahr wieder sehr gute Zahlen“, freut sich Andreas Tanner, einer der Geschäftsführer bei der Naturbo Lehmputz Trockenbausysteme GmbH + Co. KG aus Nesselwang. Das 25 Beschäftigte zählende Unternehmen stellt in Kaufbeuren ein Lehmputz-Trockenbausystem her, das aus mit Lehm verputzten Holzweichfaserplatten besteht.
Die Lehmplatten werden für die Innendämmung, Heizung und Kühlung von Gebäuden genutzt. Das ökologische Produkt mit regionaler Herkunft – die Grundmaterialien, Sand und Ton, stammen von der schwäbischen Alb oder aus Rheinland-Pfalz – erfreut sich wachsender Beliebtheit, da Lehm der Schimmelbildung vorbeugt, zu einem angenehmen Raumklima beiträgt und die Platten gute Eigenschaften bei der Schall- und Wärmedämmung haben.
Vorgefertigte Elemente für Flächenheizungen
Die Lehmbauplatten aus Kaufbeuren sind vor allem in Kombination mit einem Heiz-/Kühlrohr gefragt. Dabei befindet sich im Inneren der Lehmplatte ein Aluverbundrohr, das an die Zentralheizung angeschlossen wird. Die Platten werden an Decken oder Wänden montiert und funktionieren als Flächenheizung. Das Heizsystem ist laut Andreas Tanner ideal im Zusammenspiel mit einer Wärmepumpe. Bisweilen trifft die Deckenheizung auf Skepsis („Wärme steigt doch nach oben“), doch insgesamt steige das Interesse.
„Bei der Sanierung wird die Wärmepumpe immer wichtiger. Wir sehen ein großes Potenzial und gute Wachstumschancen für uns“, sagt Tanner. Darauf reagiert das Unternehmen: 2024 sollen Büro und Produktion nach Görisried verlegt und durch die Erweiterung der Anlagen die Produktion verdreifacht werden. Tanners Ziel: „Ökologische Baustoffe müssen günstiger werden.“ Für eine Deckenheizung liegt der Quadratmeterpreis derzeit bei rund 85 Euro, hinzukommen Mehrwertsteuer sowie Verlege- und Transportkosten.
Dachverband Lehm: Produkte haben in der Herstellung niedrige CO2-Emissionen
Auch andere Unternehmen setzen auf Lehm: „Wir haben in diesem Jahr stabile Zahlen, es gibt eine große Nachfrage nach ökologischen Baustoffen“, bestätigt Stefan Volkhammer vom Lehmanbieter Conluto aus Blomberg. Das Unternehmen aus Ostwestfalen ist einer der wenigen deutschen Hersteller von Lehmputz, Lehmbauplatten, Lehmsteinen und weiteren Lehmprodukten. „Unsere Preise sind im Gegensatz zu Anbietern nicht-ökologischer Produkte stabil geblieben“, sagt Volkhammer, einer von 17 Mitarbeitern. Zu den am meisten verkauften Conluto-Produkten zählen Lehmfarben – bei den 36 Farbtönen sind zu 90 Prozent Weißtöne gefragt. Überwiegend wird Lehm bei Sanierungen eingesetzt, gerade bei alten Bauern- und Fachwerkhäusern.
Der Dachverband Lehm betont die Vielseitigkeit seines Produktes. Für den Bau tragender Wände sowie für den Trockenbau eignen sich Lehmsteine. Für Fußböden kann Stampflehm eingesetzt werden, für Decken und Dächer Strohlehm und Leichtlehm. Gegenüber Beton werde bei der Verarbeitung von Lehm deutlich weniger Energie, Wasser und Sand verbraucht, die CO₂-Emissionen liegen bis zu 90 Prozent unter denen von Beton.
Lehm ist bisher rund ein Drittel teurer als nicht-ökologische Baustoffe
Auf Lehm setzt auch Handwerker Ayran Otremba aus dem niedersächsischen Celle. Der gelernte Zimmermann hat eine Fortbildung zur Fachkraft für Lehmbau absolviert – ein typischer Weg für viele spezialisierte Betriebe (zu finden unter www.dachverband-lehm.de/firmen), da Lehmbauer kein Ausbildungsberuf ist. Erfahrung spielt beim Lehmbau eine große Rolle. Je nach Mischungsverhältnis verändert sich durch die Zugabe von Stroh, Hobelspänen, Holzhäcksel oder Hanffasern der Grad der Wasserempfindlichkeit, der Druckfestigkeit oder der Wärmedämmung.
„Wenn man bei der Wärmedämmung die Kosten für eine Entsorgung herkömmlicher Materialien mit berücksichtigt, dann ist Lehm nicht mehr teurer, denn Lehm kann vollständig recycelt werden“, betont Otremba, nach dessen Schätzung Lehm rund ein Drittel teurer ist als nicht-ökologische Baustoffe. Otremba bietet an, dass der Bauherr einfache Arbeiten unter seiner Anleitung selber ausführen kann, um Geld zu sparen. Mitunter stößt er auf Vorbehalte - Lehm könne reißen und von der Wand fallen. „Früher gab es Probleme, weil die Qualität je nach Herkunft und Eigenmischung auf der Baustelle unterschiedlich war“, räumt Otremba ein und fügt hinzu: „Heute gibt es durch die DIN-zertifizierten Fertigprodukte einen einheitlichen Standard.“ In der Altstadt von Celle restauriert er ein Fachwerkhaus von 1598, in das er selber einziehen will – die Lehmdecken sind weitgehend gut erhalten.
Über fehlende Nachfrage kann er jedenfalls nicht klagen: Otrembas Kunden müssen derzeit mit bis zu einem halben Jahr Wartezeit rechnen.
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