Wenn sich der Zug verspätet oder ausfällt, gelten künftig andere Rechte für Zugreisende. Ab dem 7. Juni haben Bahnkundinnen und -kunden nur noch drei Monate Zeit, um nach Verspätungen oder Ausfällen von Zügen Ansprüche geltend machen zu können. Eine drastische Verkürzung im Vergleich zu der bislang gültigen Regelung von zwölf Monaten. Und auch nicht mehr für alle Verspätungen oder Zugausfälle erhalten Betroffene eine Entschädigung. Im Falle von "höherer Gewalt" muss die Bahn in Zukunft keinen Cent mehr zahlen.
Grund dafür ist eine Verordnung des Rats der Europäischen Union, die das Fahrgastrecht in den europäischen Mitgliedstaaten neu regeln soll. Beschlossen wurde die Novellierung bereits vor zwei Jahren, nach Angaben des Deutschen Tourismusverbandes soll dadurch das Bahnreisen in Europa künftig noch attraktiver werden. Zudem soll die Verordnung fairere Wettbewerbsbedingungen gegenüber anderen Verkehrsträgern wie etwa Flugunternehmen bringen. Nun treten die neuen Regelungen in Kraft.
Keine Entschädigungszahlungen bei "höherer Gewalt"
Detlef Neuß, Bundesvorsitzender von Pro Bahn, findet, dass die Beschneidungen der Fahrgastrechte nicht besonders gravierend sind. Er begründet das damit, dass die meisten Bahnreisenden die Entschädigung ohnehin innerhalb weniger Wochen nach Reiseantritt einfordern. Der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zufolge machen 97 Prozent der Betroffenen innerhalb von drei Monaten ihre Ansprüche geltend. Bisher hatten Bahnreisende ein Jahr Zeit, um den Antrag auf Entschädigung zu stellen.
Die Ausnahme von Ereignissen "höherer Gewalt" bei den Entschädigungszahlungen sind für Neuß nachvollziehbar. Bisher mussten die Bahnunternehmen für Verspätungen zahlen, die durch Fremdverschulden wie etwa Personenunfälle, Polizeieinsätze oder durchgeschnittene Kabel verursacht wurden. Aber auch für Extremwetterereignisse mussten die Eisenbahnunternehmen geradestehen. Das entfällt mit der neuen Fahrgastrechtsverordnung.
Bahnbetreiber müssen bei Verspätungen durch Streiks weiterhin zahlen
"Die meisten Entschädigungen werden in Zukunft noch gezahlt werden", sagt Neuß. Das liege daran, dass der Großteil der Verspätungen oder Zugausfälle durch Personalausfälle oder Bauarbeiten ausgelöst werden. Wenn diese durch vorhersehbare Wetterereignisse wie etwa einen Herbststurm verursacht werden, können Betroffene in Zukunft weiterhin Rückerstattungen erhalten.
An der Höhe der Entschädigungszahlungen ändert sich mit der neuen Fahrgastverordnung nichts. Bei Verspätungen zwischen einer und zwei Stunden erhalten Bahnreisende weiterhin eine Rückerstattung von einem Viertel des Fahrpreises, darüber hinaus sind es 50 Prozent. Ebenfalls aufatmen können Bahnkunden in Bezug auf Streiks. Auch in diesem Fall muss die Bahn weiterhin für Verspätungen und Zugausfälle geradestehen.
Mehr Rechte für Menschen mit Behinderung
Doch die neue Verordnung stärkt auch Fahrgastrechte. Menschen mit Behinderung oder Mobilitätseinschränkung erhalten künftig das Recht auf Unterstützung beim Ein- und Ausstieg bei allen Regional- und Fernzügen in der EU. Bisher galt das nur für Fernzüge. Außerdem wird die Frist, in der benötigte Hilfe angemeldet werden kann, auf 24 statt 48 Stunden vor Zugabfahrt herabgesetzt. Ebenfalls neu ist, dass es einen grundsätzlichen Anspruch darauf gibt, Fahrräder mitzunehmen.
Die Eisenbahnunternehmen sind nun ebenfalls verpflichtet, den Fahrgästen Durchgangsfahrkarten anzubieten, für die Strecken, die sie selbst oder ein Tochterunternehmen betreibt. Dieses Ticket ist für aufeinanderfolgende Teilstrecken einer Fahrt gültig – etwa die Verbindung zwischen einem Regional- und einem Fernzug der Deutschen Bahn. Das bedeutet, dass die Bahnreisenden bei Verspätung oder Zugausfall Ansprüche einfacher bei dem entsprechenden Unternehmen geltend machen können.