Einigung nach mehr als 70 Stunden: Volkswagen und die IG Metall haben sich kurz vor Weihnachten im monatelangen Tarifkonflikt auf einen umfangreichen Sparplan geeinigt. Europas größter Autobauer will in Deutschland bis 2030 mehr als 35.000 Stellen streichen und die Kapazität an den deutschen Standorten um über 700.000 Fahrzeuge reduzieren.
«Das sind harte Entscheidungen, aber auch wichtige Weichenstellungen für die Zukunft», sagte VW-Markenchef Thomas Schäfer. «Wir hatten bei den Verhandlungen drei Prioritäten: Überkapazitäten an den deutschen Standorten abbauen, Arbeitskosten senken und Entwicklungskosten auf wettbewerbsfähiges Niveau senken.» Bei allen drei Themen seien tragfähige Lösungen erzielt worden.
Die Gewerkschaft betonte, dass betriebsbedingte Kündigungen und Werksschließungen vermieden wurden und eine neue Beschäftigungssicherung bis Ende 2030 vereinbart wurde. «Kein Standort wird dichtgemacht, niemand wird betriebsbedingt gekündigt und unser Haustarif wird langfristig abgesichert», sagte die Gesamtbetriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo. Es gebe tarifliche Zugeständnisse, aber auch eine neue Beschäftigungssicherung bis Ende 2030.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) begrüßte die Einigung als eine «gute, sozial verträgliche Lösung». Der Kompromiss stelle bei allen Härten sicher, dass der Konzern und seine Beschäftigten in eine sichere Zukunft gingen. Worum es in der Einigung geht:
Der geplante Stellenabbau
Volkswagen will bis 2030 mehr als 35.000 Stellen streichen. Der Abbau solle sozialverträglich erfolgen, teilte der Konzern in Berlin mit. Demnach sollen etwa 4.000 Jobs in der technischen Entwicklung in Wolfsburg wegfallen. Zudem werde die Zahl der jährlich angebotenen Ausbildungsplätze ab 2026 bedarfsgerecht von 1.400 auf 600 reduziert. VW spare durch die Arbeitskostenentlastung 1,5 Milliarden Euro pro Jahr. Gleichzeitig versprach der Autobauer eine Beschäftigungssicherung bis Ende 2030.
Die Beschäftigungsgarantie gehörte zu den Kernforderungen der IG Metall – die bisherige Beschäftigungsgarantie, die betriebsbedingte Kündigungen seit mehr als 30 Jahren ausschloss, hatte VW im September aufgekündigt. Sollte nun nach Auslauf der Garantie in sechs Jahren keine Anschlussregelung vereinbart werden, müsse VW eine Milliarde Euro an die Beschäftigten ausschütten, hieß es von der Gewerkschaft.
Die Zukunft der Werke
Ein weiteres Kernziel der IG Metall, ganze Werkschließungen zu verhindern, hat die Gewerkschaft erreicht. Für einige Standorte – darunter das Stammwerk in Wolfsburg – stehen aber gravierende Veränderungen an. Neben dem Abbau von rund 4.000 Stellen, steht das Aus für den Verbrenner-Golf fest. Die Produktion der Modelle Golf und Golf Variant werde ab 2027 nach Puebla in Mexiko verlagert, teilte der Konzern mit.
Künftig sollen am Unternehmensstammsitz die Elektro-Modelle ID.3 und der Cupra Born gefertigt werden. Die Zukunft des Standorts will VW mit dem elektrischen Golf und einem weiteren Modell auf der künftigen Elektroauto-Architektur sichern. Auch für die bereits auf E-Autos umgestellten Werke in Emden und Zwickau scheint mit Modellen der ID-Reihe beziehungsweise E-Autos von Audi klarer.
Anders sieht das für die zuletzt als gefährdet eingestuften Standorte in Osnabrück und Dresden aus. In Osnabrück soll die Produktion des T-Roc-Cabrio bis Spätsommer 2027 verlängert werden. Darüber hinaus ist die Perspektive für die zuletzt 2.300 Mitarbeiter schwieriger zu greifen. Die Gewerkschaft formuliert das Ziel, eine wirtschaftliche Zukunftsperspektive für den Standort zu entwickeln. Vom Konzern heißt es, dass Optionen für eine andere Verwendung des Standorts geprüft würden.
In Dresden endet laut VW Ende 2025 die Fahrzeugfertigung in der Gläsernen Manufaktur. Das Unternehmen erarbeite Alternativoptionen, hieß es. Dazu gehöre auch die Möglichkeit einer Beteiligung an einem Konzept Dritter. Die IG Metall betont, dass Volkswagen auch in Zukunft mit eigenen Aktivitäten am Standort präsent sein werde.
Entwicklung der Gehälter
Bei der Entgeltfrage kommt es zu einer Nullrunde für die rund 130.000 VW-Beschäftigten. Analog zum Abschluss in der Metall- und Elektroindustrie fließe ein Gehaltsplus von fünf Prozent in zwei Stufen in einen Fonds und nicht auf die Konten der Angestellten. Über diesen Fonds sollen sich beispielsweise flexible Arbeitszeitsenkungen für einen Teil der Mitarbeiter finanzieren lassen. Im November hatten Gewerkschaft und Betriebsrat dieses Konzept vorgelegt - der Autobauer habe es öffentlich abgelehnt, teilte die IG Metall mit.
Beide Seiten hätten sich außerdem auf eine Überarbeitung des inzwischen jahrzehntealten Entgeltsystems verständigt. Mit der Analyse wolle man im kommenden Jahr beginnen, mit der Umsetzung erst 2027. Ab dann könnten künftige Tarifrunden auch bei VW für neue Entgeltsteigerungen noch vor 2030 sorgen. «Damit üben sich Beschäftigte in einem temporären Verzicht, verhindern damit aber gemeinsam den Kahlschlag an den VW-Standorten und helfen sich solidarisch gegenseitig», teilte die Gewerkschaft weiter mit.
Das bisher gezahlte erhöhte Urlaubsentgelt, rund 1.290 Euro, entfalle. Ab 2027 solle ein Bonus für Mitglieder der IG Metall eingeführt werden.
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