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Autoindustrie: Wieso sind Verbrenner im Vergleich zu E-Autos immer noch so beliebt?

Autoindustrie

Wieso sind Verbrenner im Vergleich zu E-Autos immer noch so beliebt?

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    Zwar sind die Tage der Verbrenner mittelfristig gezählt, aber gekauft werden Benziner und Diesel immer noch.
    Zwar sind die Tage der Verbrenner mittelfristig gezählt, aber gekauft werden Benziner und Diesel immer noch. Foto: Patrick Pleul, dpa

    Wer in diesen Tagen ein Auto kaufen möchte, braucht nicht nur sehr viel Geduld, sondern kann bei der Warterei auch gewaltig ins Grübeln kommen. Jetzt das E-

    Der Trend ist in seiner großen Linie langfristig eindeutig. Das Kraftfahrt-Bundesamt hat die entsprechenden Statistiken: Während 2012 noch 1.555.241 Benziner in Deutschland zugelassen wurden, waren es im vergangenen Jahr noch 972.588. Beim Diesel ist der Rückgang noch ein bisschen krasser. Nimmt man dagegen die E-Autos, und zwar die reinen Stromer (BEV), dann stellt sich die Sache genau andersherum dar: 2012 wurden 2.956 E-Autos vom KBA auf die Straße gelassen. Und 2021 waren es 355.961. Bei den Hybrid-Autos steigen die Zahlen auch seit Jahren. In der EU ist 2035 Schluss mit Verbrennern. Und dennoch werden insgesamt noch immer deutlich mehr davon zugelassen als elektrifizierte Modelle.

    AVAG Holding SE: "Unsere Kunden kaufen das, was aktuell für ihre Bedürfnisse am besten passt. Und das ist der Verbrenner."

    Das bestätigt Roman Still, Vorstandssprecher der AVAG Holding SE. Die AVAG ist eine der führenden Automobilhandelsgruppen in Europa. Die Zentrale ist in Augsburg. Still hat also Marktüberblick und er sagt: „Unsere Kunden kaufen das, was aktuell für ihre Bedürfnisse am besten passt. Und das ist der Verbrenner."

    Einerseits, weil neu bestellte elektrifizierte Fahrzeuge nicht mehr so lieferbar seien, dass sie in die diesjährige Förderprämie kämen, und andererseits, weil der Verbrenner viele praktische Vorteile böte: keine Reichweitenregulierung, schnelles Betanken und günstiger im Unterhalt. Angesichts der aktuellen Energiepreisentwicklung werde auch der Benzinpreis billiger als das Laden an der eigenen Säule, meint Still und fasst die Lage so zusammen: „Haben unsere Kunden die Wahl für ein umweltbewusstes Auto, das gleich oder weniger kostet als ein Verbrenner, dann entscheiden sie sich für das umweltbewusste Fahrzeug. Wenn dieses aber deutlich mehr kostet, fällt die Wahl auf einen Verbrenner.“ Als die E-Fahrzeuge in diesem Jahr noch lieferbar waren, habe die AVAG-Elektroquote bei 20 Prozent gelegen, jetzt liegt sie bei einem Prozent.

    Auch die Deutsche Automobil Treuhand bestätigt die Verkaufszahlen für den Verbrenner

    Die Deutsche Automobil Treuhand (DAT), die als Software und Datendienstleister der Branche jahrzehntelange Expertise bei der Bewertung von Autos hat, schätzt die Lage nach ihren Erhebungen im DAT-Report sehr ähnlich ein: 67 Prozent aller Pkw-Halter warten noch auf einen weiteren Technologiesprung, 23 Prozent sehen in einem rein batteriebetriebenen Pkw (BEV) ein perfektes Alltagsauto. Und was die Umstiegspläne zu einem BEV betrifft, so wären 46 Prozent aller Pkw-Halter bereit, „aber die Mehrheit erst in fünf Jahren oder später".

    Martin Endlein, DAT-Sprecher, fasst zusammen: „Es gibt somit einerseits Vorbehalte, aber auch ganz praktische Gründe – etwa der Besitz einer Garage oder eines Carports: Nur 46 Prozent aller Pkw-Halter verfügen über eine eigene Garage, wo theoretisch auch das Potenzial für eine Wallbox gegeben wäre. Und das bedeutet: „Verbrenner werden weiterhin gekauft. Ganz aktuell im Monat Juni waren laut KBA von allen neu zugelassenen Fahrzeugen 14 Prozent rein batterieelektrisch und 12 Prozent Plug-in-Hybride. Gut 70 Prozent waren somit Verbrenner, zu denen auch die Mildhybride in großen Stückzahlen gerechnet werden.“

    Vergleichsportal carwow: Lange Wartezeiten für E-Autos und Verbrenner

    Auch Philipp Sayler von Amende, Geschäftsführer des Auto-Vergleichsportals carwow, sagt, dass die hohen Lieferzeiten für Elektroautos von bis zu 18 Monaten viele Käufer abschrecken, die ein Interesse an einem Neuwagen haben. Er schränkt allerdings ein: „Bei den Verbrennern sieht es aber nicht besser aus: Auch in dem Segment gibt es Wartezeiten von bis zu 18 Monaten. Der Chipmangel trifft eben alle Neuwagen." Aber es gebe auch immer Modelle, die schneller verfügbar seien. Als Käufer müssen man flexibler bei der Modellauswahl sein.

    Erschwerend für den Kauf eines E-Autos sei zudem die Unklarheiten bei der Förderung durch die BAFA bei einer Zulassung ab 2023. Und eben die technologische Entwicklung: "In 18 Monaten kann viel passieren - gerade was die Batterietechnologie betrifft. "Ein weiterer und vielleicht entscheidenderer Grund für den Griff zum Verbrenner ist für Sayler von Amende die unzureichende Ladeinfrastruktur für E-Autos, vor allem für Käuferinnen und Käufer die keine Lademöglichkeit zu Hause oder bei der Arbeit haben. "Es fehlen einfach Ladesäulen - besonders in den Städten."

    Warum Auto-Experte Stefan Bratzel zum Umstieg auf ein E-Modell wirbt

    Die E-Wende läuft, große Hersteller wie VW und die Ingolstädter Tochter Audi haben sich längst festgelegt. Aber ein Autokauf ist für viele eben immer noch eine ganz pragmatische Entscheidung. Auch Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach, sagt im Gespräch mit unserer Redaktion zunächst: „Wer jetzt ein Auto braucht, braucht ein Auto. Das hilft nix, das ist schwierig und die Wartezeiten sind tatsächlich ein Problem." Aber, betont der Branchenexperte: „Ich würde jedem empfehlen, den Umstieg zu wagen, wenn es geht. Wer einmal E-Auto gefahren ist, will in der Regel nicht zurück zum Verbrenner." Abgesehen vom Fahrgefühl gibt es natürlich sachliche Argumente.

    Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. "Mit besonderen Studien lässt sich eine Marke emotional aufladen."
    Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. "Mit besonderen Studien lässt sich eine Marke emotional aufladen." Foto: Frank Rumpenhorst, dpa

    Wenn nun in der Bundesregierung über eine Erhöhung der Kfz-Steuer für Diesel und Benziner diskutiert wird, meint Bratzel: „Man kommt in Zeiten des Klimawandels perspektivisch überhaupt nicht daran vorbei, den Malus für den Verbrenner zu erhöhen. Entweder dreht man an dieser Schraube oder man sucht andere Mittel, um das Verhältnis im Wettbewerb zugunsten der E-Modelle zu verbessern." Bratzel plädiert zudem schon lange dafür, die Förderprämie für E-Autos nicht von einem Jahr auf das nächste abzusetzen, sondern über Jahre kontinuierlich. „Damit wird jedem klar: Wer früher umsteigt, hat finanziell mehr davon. Und umgekehrt muss gelten: Wer länger wartet, muss immer mehr für seinen Verbrenner zahlen."

    Zugleich konstatiert der Professor: „Insgesamt, das darf man nicht verschweigen, wird die Mobilität immer teurer." Auch deshalb wirbt er für den Umstieg auf E-Modelle. Nach Berechnungen seines Instituts sind die Service-Kosten bei Stromern rund 40 Prozent niedriger als bei Verbrennern. „Die After-Sales-Themen werden oft nicht so richtig gesehen." Zugleich geht das CAM davon aus, dass die Restwerte für Verbrenner schlechter werden. „Wenn der Malus größer wird, kann sich das nicht positiv beim Wiederverkauf auswirken."

    Andererseits sagt auch Bratzel, dass es – abhängig von Modell und Schadstoffausstoß – nachhaltiger sein kann, einen gebrauchten Verbrenner zu Ende zu fahren. „Wenn Sie ein neues E-Auto kaufen, haben Sie erst mal auch eine CO2-Ladung hinten drauf. Bis sich das im Sinne der Umwelt rechnet, muss man – je nach Modell – bis zu 70.000 Kilometer abfahren, bis man auf die positive CO2-Route kommt."

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