Jeder Porsche habe eine Seele, sagt Oliver Blume eher beiläufig. Für den Chef des Sportwagenbauers hat eines seiner Fahrzeuge eine besonders tiefe Seele. Natürlich handelt es sich um den 911er, dessen 60. Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wird. Geht es nach dem Willen des Porsche-Chefs, soll die "Sportwagen-Ikone" über 2035 hinaus in Europa mit einem Verbrenner-Motor ausgeliefert werden dürfen. Und dies, obwohl Brüssel ab dem Zeitpunkt das Aus für den Verkauf neuer Autos mit Benzin- und Dieselmotor besiegelt hat. Nur noch Sonderwagen, etwa Rettungs- oder Feuerwehrfahrzeuge, sollen dann noch mit klassischen Motoren zu haben sein. Der 911er mag zwar für Blume besonders sein, er wurde von Brüssel nicht zum "Sonderwagen" geadelt.
Auch im 911er-Jubiläumsjahr gibt es bisher keinen Brüsseler Gnadenakt für Porsche, selbst wenn Autos mit klimafreundlichen synthetischen Kraftstoffen, die etwa mit Windenergie hergestellt werden, betrieben würden. Und das, obwohl die deutschen Sportwagenbauer in einer Pilotanlage in Chile bewiesen haben, dass sie die Öko-Bilanz von Verbrenner-Fahrzeugen mit solchen E-Fuels aufpeppen können. Die meisten EU-Länder, allen voran Frankreich, sind gegen eine Ausnahme für Deutschland. Doch Blume findet in der Bundesregierung bekanntermaßen vor allem in Kreisen der FDP, zuletzt auch bei Kanzler Olaf Scholz Gehör. So wurde die Abstimmung über das Verbrenner-Aus nach dem Druck aus Deutschland verschoben, was EU-Verantwortliche nerven soll.
Deutsche Blockade gegen Brüsseler Verbrenner-Pläne
Für den schwäbischen CSU-Europa-Abgeordneten Markus Ferber ist Verkehrsminister Volker Wissing mit seiner E-Fuels-Initiative "sehr spät aufgewacht". Nun würden in Brüssel zwei Kolonnen aufeinander zufahren. Deutschland mit Wissing hat in der Blockade des fertig ausgehandelten Gesetzes Italien, Polen und Bulgarien als Mitstreiter gefunden. Für Ferber ist völlig offen, wie das Spiel ausgeht, ob es also doch noch über 2035 hinaus eine Chance gibt, dass Autos wie der 911er, wenn sie Öko-Sprit tanken, mit Verbrennungsmotor verkauft werden dürfen.
Blume wiederum, der als Ingenieur an die Sinnhaftigkeit synthetischer Kraftstoffe standhaft glaubt, tritt bei der Jahrespressekonferenz des Unternehmens am Montag dem Eindruck entgegen, er würde in der Sache Druck auf die Bundesregierung ausüben. Nur wenn Parteien ihn diesbezüglich um Rat fragten, gebe er Antworten. Die drei Buchstaben "F", "D" und "P", der ihm aus der Seele sprechenden Liberalen, gehen dabei nicht über seine Lippen. Indirekt lobt der Porsche-Chef doch die Brüsseler FDP-Bockigkeit, schließlich sagt er: "Wir würdigen ausdrücklich, dass die Bundesregierung die notwendigen Schritte unternimmt." Dann verbindet Blume verbal die Welt der Ökologie mit der des Reinigungsgewerbes: "Wenn man Klimapolitik ernst nimmt, muss man jede Ecke auskehren." Dazu seien synthetische Kraftstoffe auf Wasserstoffbasis geeignet.
Der Porsche-Chef lässt nicht locker. Es geht ihm nicht nur um die Verbrenner-Seele des 911er. Er argumentiert auch damit, dass sich heute bereits mit der Beimischung synthetischer Kraftstoffe die Klimabilanz des Autoverkehrs verbessern lasse und weltweit Verbrenner noch Jahrzehnte unterwegs seien. Hier wird eingewendet, E-Fuels kosteten zu viel, seien allenfalls für eine Luxus-Nischenecke geeignet, etwa das zahlungswillige 911er-Reservat. Das lässt Blume nicht stehen. Nach seiner Auffassung können synthetische Kraftstoffe deutlich günstiger werden, wenn für die Produktion der E-Fuels massenhaft in geeigneten Ländern wie Chile Energie aus Wind- oder Solarkraft gewonnen wird. Bislang ist allerdings sehr viel grüner Strom notwendig, um die klimafreundlichen Kraftstoffe am Ende aus Wasserstoff und Kohlendioxid (CO₂) zu produzieren. So verschlingt die Herstellung von E-Fuels – je nach Berechnungsweise – drei bis sechs Mal so viel Geld wie fossile Kraftstoffe letztlich kosten. Noch sind E-Fuels ineffizient. Das kann sich ändern.
Weil Blume den Ausgang des EU-Machtspiels nicht kennt, gibt er sich einstweilen trotzig: „Wir werden den 911er so lange als Verbrenner fahren, wie es möglich ist.“ Er kündigt lediglich eine hybride Variante des Sportwagens an, aber eben keine rein elektrische im Gegensatz zu anderen Porsche-Modellen. Das Selbstbewusstsein der Sportwagenbauer speist sich aus exzellenten Zahlen: Porsche hat mit rund 6,8 Milliarden Euro, einem satten Plus von etwa 1,5 Milliarden gegenüber dem Vorjahr, "das mit Abstand stärkste Ergebnis in der Geschichte des Unternehmens erreicht". So wuchs die Umsatzrendite von 16 auf sportliche 18 Prozent. Langfristig strebt das Unternehmen hier 20 Prozent und mehr an. Nach dem erfolgreichen Börsengang im vergangenen Jahr winkt der Anlegerschaft eine Dividende von 1,00 Euro je Stamm- und 1,01 Euro je Vorzugaktie. "Wir drücken aufs Tempo und wollen das Feld vorne anführen", verspricht Blume. Gute Zahlen machen auch seelisch stark.