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Autoindustrie: Mercedes verdient Milliarden mit Luxus-Strategie

Autoindustrie

Mercedes verdient Milliarden mit Luxus-Strategie

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    Der Mercedes-Vorstandsvorsitzende Ola Källenius bei der Bilanzpressekonferenz in Stuttgaret.
    Der Mercedes-Vorstandsvorsitzende Ola Källenius bei der Bilanzpressekonferenz in Stuttgaret. Foto: Christoph Schmidt, dpa

    Für kurze Zeit wirkt es, als würde der aus Schweden stammende Mercedes-Chef doch Bodenhaftung aufnehmen. Ola Källenius lässt die Presse am Freitag in Stuttgart wissen: "Wir bleiben Schwäbisch im Herzen und in der Seele." Das klingt nach Linsen mit Spätzle samt Saitenwürsten. Es hört sich eher wie A- und B-Klasse an, eben nach Menschen, die nach Jahren harter Arbeit endlich einen Daimler, wenn auch zunächst nur einen kleinen, kaufen können. 

    Und trägt nicht der 53-Jährige einen eher schlicht wirkenden, dezent karierten Anzug? Hat Källenius doch ein Einsehen und mildert seine radikal klingende Luxus-Strategie ab? Soll der Stern nicht mehr nur golden glänzen, sondern auch einige silberne Mittelschicht-Einsprengsel bekommen? Wohl kaum. Denn wenn der Skandinavier vom Schwäbischsein im Herzen und in der Seele schwärmt, ist das als Ermahnung an Beschäftigte zur Kosten-Disziplin zu verstehen. Der Motorsport-Fan bricht es in die Formel-Eins-Welt hinunter: "Das, was wir jetzt tun, ist nur das Qualifying, die Hauptaufgabe geht erst los."

    Mercedes orientiert sich an Luxus-Marken

    Für den Mercedes-Lenker bleibt es alternativlos, dass der Stern dank der Konzentration auf teure Autos goldener glänzen soll. Gold heißt, dass Modelle wie die A- und B-Klasse auslaufen. Källenius versucht die Brisanz des Themas herunterzudimmen: Das mit der A- und B-Klasse sei hauptsächlich ein Thema in Deutschland. Mercedes werde nach wie vor kompakte Fahrzeuge anbieten. Verantwortliche des Konzerns reden indes über

    Die reinen Geschäftszahlen sprechen für die Teuer-Strategie von Källenius. Mercedes hat im vergangenen Jahr eine Umsatzrendite im Pkw-Geschäft von 14,6 Prozent eingefahren, was exzellent ist. Luxus zahlt sich aus für den Konzern und die Anlegerschaft: So steigt die Dividende von 5,0 auf 5,20 Euro je Aktie. Mercedes verdient Milliarden mit High-End-Autos, wie die Fahrzeuge genannt werden. Unterm Strich blieben in nur einem Jahr 14,81 Milliarden Euro Gewinn übrig, auch weil das Unternehmen die Preise erhöhen konnte.

    Daher stieg der Nettoumsatz pro Fahrzeug von rund 51.000 Euro in drei Jahren auf knapp 73.000 Euro. Folglich müssten die Auto-Experten des Landes Källenius für seine Champagner-Strategie einen ausgeben. Doch die meisten Vertreter der Zunft machen das Gegenteil: Sie warnen den Manager inständig vor den Gefahren seines radikalen Kurses. 

    Experte: Mercedes verfolgt Hochrisiko-Strategie

    Auto-Professor Willi Diez, ein ausgewiesener Mercedes-Kenner und einer der renommiertesten Vertreter seines Fachs, ist überzeugt, dass Källenius "ganz klar eine Hochrisiko-Strategie" verfolge, konzentriere er sich doch als Luxus-Marke auf eine kleine Kunden-Gruppe. Um hier eine führende Rolle zu spielen, müsse ein Autobauer sehr viel Geld in die Forschung investieren. Wenn es aber nicht gelinge, Umsatzeinbußen im unteren Segment durch zusätzliche Verkäufe in der Luxus-Klasse auszugleichen, werde es "für die Profitabilität und auch die Beschäftigung extrem kritisch", sagt Diez. Sein Kollege Ferdinand Dudenhöffer spricht zwar nicht von einer "Hochrisiko-Strategie", kritisiert aber hart den Luxus-Schwenk des Unternehmens: "Mercedes driftet ab in die Welt der Reichen und Schönen, in die Welt der herausragenden Gewinne als Liebling der Börse."

    Professor Dudenhöffer zieht hier einen interessanten Vergleich mit Josef Ackermann, dem radikalen Ex-Chef der Deutschen Bank, der dem Konzern einen knallharten Renditekurs verordnet hatte und dank luxuriöser Früchte des Investmentbankings eine Eigenkapital-Rendite von 25 Prozent vor Steuern anstrebte. Dadurch habe der Schweizer die Deutsche Bank in eine lebensbedrohliche Lage manövriert, erinnert sich Dudenhöffer an den Manager.

    "Mercedes muss auch die Mitte der Gesellschaft im Blick haben"

    Noch ist Mercedes quicklebendig. Jürgen Pieper, Auto-Analyst des Bankhauses Metzler, sieht Källenius auf dem richtigen Weg: "Er ist viel erfolgreicher als sein Vorgänger Dieter Zetsche." Denn Letzterer habe seine Versprechen an den Kapitalmarkt in drei Viertel der Fälle nicht eingehalten. Källenius sei weitaus verlässlicher. Das werde auch durch den Aktienkurs als neutrale Instanz bestätigt. Am Freitag notierte das Papier wiederum höher bei rund 75 Euro. Für Pieper ist klar: "Die Anleger sind überzeugt, dass der Konzern gut geführt ist."

    Dennoch warnt Auto-Experte Stefan Bratzel Källenius: "Mercedes muss auch die Mitte der Gesellschaft im Blick haben und aufpassen, nicht den Kontakt zu jungen Menschen zu verlieren, ja, ein abgehobenes Luxus-Image zu bekommen." Der Gründer und Direktor des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach räumt zwar ein, dass unter Källenius vieles besser laufe, Mercedes müsse aber darauf achten, nicht nur auf Marge, sondern auch auf Masse zu setzen. Würde Källenius auf die Auto-Sachverständigen hören, käme er nicht umhin, einen Mittelweg zwischen Hermès und schwäbischer Linsen-mit-Spätzle-Bodenständigkeit zu wählen. 

    Danach sieht es nicht aus.

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