Worte sind der Schlüssel zum Herzen eines Menschen. Wer verstehen will, wie der künftige Audi-Chef Gernot Döllner tickt, kann sich auf die Suche nach seinem Lieblingswort begeben. Da der von Volkswagen kommende Manager erst am 1. September die Nachfolge von Markus Duesmann antritt, geizt der neue starke Mann in Ingolstadt noch mit öffentlichen Bekundungen. Doch unserer Redaktion liegt ein Schreiben des von VW-Chef Oliver Blume überraschend zu Audi beorderten Döllners an die Beschäftigten vor.
Der Text ist nicht lang und dennoch gelang dem Manager und seinen Beratern das Kunststück, darin elfmal das Wort "Team" in unterschiedlichen Konstellationen unterzubringen. Döllner freut sich auf "das hoch qualifizierte Team" bei Audi. Er outet sich als "Teamplayer" und appelliert: "Nur wenn wir als ein Team aufs Spielfeld laufen und miteinander agieren, werden wir in diesem harten Wettbewerb auch gewinnen." Und der einstige Porsche- und VW-Mann freut sich nach der Sommerpause "schnell mit möglichst vielen aus dem Audi-Team zu sprechen".
Nachfolger von Markus Duesmann: Gernot Döllner ist neuer Audi-Chef
All das sind keine atemberaubenden Verlautbarungen, die häufige Wahl des für "Gemeinsamkeit" und "Mannschaftsgeist" stehenden Wortes ist indes verräterisch. Warum überschlägt sich eine Führungskraft mit Team-Bekenntnissen? Wer sich im weit verzweigten Volkswagen-Konzern an mehreren gesprächigen Verästelungen umhört, bekommt wiederholt eine Geschichte erzählt, die nicht dem Gedankengut gesteigerten Team-Spirits entspricht: Demnach habe Duesmannn vor einiger Zeit das Top-Management umgebaut, ohne das mit den Betroffenen vor der Ankündigung der Umstrukturierung eingehend zu besprechen.
Das wiederum soll zu einer gehörigen Unruhe unter selbstbewussten Audi-Führungskräften geführt haben. Sie fühlten sich demnach von Duesmann nicht ausreichend wertgeschätzt und mitgenommen, wie das heute so heißt. Dann sei irgendwann, verlautet aus Konzernkreisen, ein "Kipp-Punkt" entstanden. Die Loyalität gegenüber dem Audi-Boss geriet ins Wanken und fiel um.
Wie sich Unruhe bei Audi schlagartig entlud
Vieles, was sich in den vergangenen Jahren aufgestaut hatte, entlud sich schlagartig. Führungskräfte sollen ihren Zorn jetzt nicht mehr für sich behalten haben. Wie das im VW-Konzern und damit auch bei der Tochter Audi üblich ist, bekamen die mächtigen Betriebsräte, aber auch die Kapitalseite, also die Familien Porsche und Piëch, Wind davon, "dass das Vertrauen von Audi-Top-Leuten in Duesmann ins Wanken geraten ist", wie aus gut unterrichteten Quellen zu erfahren ist. Und welche Sehnsucht kam nun in einflussreichen Audi-Kreisen auf? Natürlich die Sehnsucht nach "Teambuilding", wird ein ums andere Mal gesagt.
Der Wunsch führender Audianer sollte sich bald erfüllen: Mit Döllner kommt "Mister Teambuilder" zu Audi. Er will seine neue Aufgabe, wie er schreibt, mit "Fairness und viel Herzblut" angehen. Mit Duesmann habe er eine Staffelstab-Übergabe im August vereinbart, "damit wir einen reibungslosen Übergang gestalten können". Der Manager fügt wertschätzend hinzu: "Auch dafür möchte ich ihm danken. Wie gesagt, bei mir steht Teamplay an oberster Stelle."
Künftiger Audi-Chef Döllner pflegt Vorliebe für Fußball-Metaphern
Was auffällig ist: Der künftige Audi-Chef pflegt eine ähnliche Vorliebe für Fußball- und Mannschafts-Metaphern wie Volkswagen-Kapitän Blume. So sagte Letzterer einst im Gespräch mit unserer Redaktion: "Ich habe in meiner aktiven Fußball-Zeit viel für mein späteres Manager-Leben gelernt. Erfolg ist Teamwork – im Fußball wie im Beruf." Wie ein Trainer müsse ein Manager die richtigen Menschen an der richtigen Stelle einsetzen. Auch Blume wiederholt das Wort "Teamgeist" gebetsmühlenartig: "Entscheidend für nachhaltige Erfolge sind Herzblut und Teamgeist." War da nicht was? Auch Döllner streut in seinem Brief an die Beschäftigten das Wort "Herzblut" ein. Die zwei Manager scheinen ein Herz und ein Team zu sein.
Das Schreiben des künftigen obersten Audianers beinhaltet neben der Ankündigung, die Beschäftigten mitnehmen zu wollen, auch die Botschaft, Döllner habe sich vorgenommen, Audi die alte Strahlkraft zurückzugeben. Dazu wolle er mit allen an die Spitze fahren. Denn dort gehöre die Traditionsmarke hin. Interessant ist der Hinweis des Managers darauf, nach seinem Eintritt in den VW-Konzern habe er sich als eines der ersten Themen mit der Verkürzung der Entwicklungszeiten beschäftigt. Darauf kommt es bei Audi jetzt besonders an. Der Druck ist immens.