Oliver Zipse ist kein Bayer. Der BMW-Chef stammt aus Heidelberg und ging in Hessen zur Schule. Das hört man bis heute. Doch wie viele, die es beruflich nach München verschlägt, hat auch der Auto-Manager die nicht nur im FC-Bayern-Kosmos herrschende Mentalität des „Mia san mir“ angenommen, fand der 58-Jährige doch schon 1991 zu BMW. Während seine Vorstandskollegen in Wolfsburg (VW-Chef Herbert Diess) und Stuttgart (Mercedes-Benz-Lenker Ola Källenius) sich zuletzt bei Jahrespressekonferenzen auf die Elektropläne ihrer Konzerne konzentrierten, hält es Zipse am Mittwoch mit der bayerischen Motoren-Werke-Art – und die ist, auch wenn Verbrenner-Autos trotz besserer Abgaswerte ins Reich des Bösen verschoben werden – maximal flexibel.
Der von Regisseur Helmut Dietl erschaffene Monaco Franze könnte zur BMW-Strategie sagen: „A bissel was geht immer.“ Schließlich verfolgen die Bayern eine Technologie mehr als ein bissel weiter, bei der Manager in anderen Auto-Metropolen wie Wolfsburg und Ingolstadt eher mit dem Kopf schütteln: Der Ingenieur Zipse sagt aber: „Wir halten wasserstoffelektrische Antriebe für eine ideale Ergänzung zu batterieelektrischen Antrieben.“ Deshalb unterstützt BMW die Pläne Brüssels, entlang europäischer Fernstraßen Ladestationen und Wasserstoff-Tankstellen zu bauen.
BMW baut ein Wasserstoff-Auto
Das Unternehmen hat mit dem iX5 Hydrogen ein Wasserstoffauto entwickelt, das ab Herbst zumindest in einer Kleinserie produziert wird. „Technologie-Offenheit“ nennt Zipse das. Wenn in diesem Jahr der neue 7er kommt, erblickt er nicht, was naheliegend wäre, als reines Elektroauto die Welt. Es gibt ihn auch in einer Plug-in-Hybrid-Variante und als „modernen“ Verbrenner. Mit dem neuen Modell aus der Luxus-Reihe, das im April vorgestellt wird, startet BMW auch „die neue Generation hocheffizienter Verbrennungsmotoren“, die dann bereits die zu erwartenden Anforderungen der Euro-7-Gesetzgebung erfüllen soll.
Das Soundsystem des BMW-Spitzenautos haben die Münchner mit dem Hollywood-Filmkomponisten Hans Zimmer entwickelt. Doch trotz aller Technologie-Offenheit will BMW bis Ende 2025 mehr als zwei Millionen vollelektrische Fahrzeuge ausliefern. 2030 sollen mindestens die Hälfte der weltweit verkauften Autos pure Stromer sein. Zipse verspricht: „Wir setzen alles daran, dieses Ziel schon früher zu erreichen.“ Damit das gelingt, wurden schon weltweit 50.000 Beschäftigte für die neue Welt der Elektromobilität qualifiziert. Und BMW stellt tausende zusätzliche Kräfte ein.
Ist BMW auf dem richtigen Weg?
Doch ist der Münchner Auto-Weg der richtige? Oder tanzt BMW auf zu vielen technologischen Hochzeiten, um ja nichts zu verpassen? Auto-Experte Professor Ferdinand Dudenhöffer meldet sich hier zu Wort: „Im Vergleich mit anderen Premiumherstellern sind die Geschäftsergebnisse von BMW im Jahr 2021 enttäuschend.“ So schafft etwa Audi nach Kenntnis Dudenhöffers eine EBIT-Marge, also Umsatzrendite vor Steuern, von 10,5 Prozent, während BMW im reinen Autogeschäft 10,3 Prozent einfuhr.
Dabei habe die BMW-Group mit rund 2,5 Millionen verkauften Fahrzeugen fast 50 Prozent mehr Wagen als Audi verkauft. Dudenhöffer stichelt weiter, dass BMW durch den hohen Absatz einen sehr großen Kostenvorsprung gegenüber den Ingolstädtern besitze und dennoch eine schlechtere Gewinn-Marge pro Fahrzeug aufweise. Noch größer sei der Abstand zur Mercedes-Benz Group mit 12,4 Prozent Marge. Und Tesla bringe es auf 12,1 Prozent – und das bei 100 Prozent Elektroautos. Daraus folgert der Auto-Experte: „Nach meiner Einschätzung hat sich BMW zu lange mit Spielereien wie dem Brennstoffzellen-Antrieb und Plug-in-Hybriden aufgehalten und damit zu wenig das Thema vollelektrische Autos fokussiert.“ Noch ist indes unklar, ob Mercedes-Benz, Audi oder BMW auf längere Sicht die richtige Strategie gewählt haben. Was Dudenhöffer nicht sagt, aber in der Branche kein Geheimnis ist: Wenn Unternehmen genannt werden, die vergleichbar gut mit dem Chip-Mangel zurechtkommen, fällt neben Tesla und Toyota immer wieder der Name „BMW“ – und das deutlich häufiger als Mercedes-Benz, Audi oder Volkswagen.
Auch auf die ausbleibenden Kabelbäume aus der Ukraine scheinen sich die Münchner in ihrer Mia-san-mir-Mentalität schneller als Konkurrenten eingestellt zu haben. Denn die BMW-Werke in München und Dingolfing, die zuletzt überwiegend stillstanden, werden jetzt hochgefahren und sollen kommende Woche wieder richtig laufen. Auf das Thema „Anpassungsfähigkeit auf Krisensituationen“ geht Dudenhöffer in seiner kritischen BMW-Analyse nicht ein. Aber dafür gibt es auch keine griffigen Kennziffern.