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Autoindustrie: Zu wenig "Vorsprung durch Technik"? Audi-Chef Duesmann muss gehen

Autoindustrie

Zu wenig "Vorsprung durch Technik"? Audi-Chef Duesmann muss gehen

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    Der Audi-Aufsichtsrat gibt Vorstandschef Duesmann den Laufpass.
    Der Audi-Aufsichtsrat gibt Vorstandschef Duesmann den Laufpass. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Seit Wochen verdichtete sich, dass Audi-Chef Markus Duesmann im Volkswagen-Konzern in Ungnade gefallen ist und um seinen Job kämpfen muss. Doch entsprechende Gerüchte gab es schon im vergangenen Jahr. Weil sich diese Spekulationen lange nicht erfüllen sollten, entstand der Eindruck, der 54-Jährige könne sich wieder im Amt halten. Seit Donnerstagabend ist aber klar: Der Manager muss gehen. Duesmann hatte sich noch bemüht, in einem Gespräch mit dem Handelsblattgegenzusteuern und Volkswagen-Boss Oliver Blume via Presse zu signalisieren, dass er jetzt auf dem richtigen Weg sei und die Probleme bei Audi erkannt habe. Vergeblich.

    Erwartungen nicht erfüllt? Duesmann sollte Innovationsoffensive starten

    Der Audi-Chef gelobte, was ungewöhnlich ist, öffentlich Besserung gegenüber Blume, der die Zügel im VW-Konzern kräftig angezogen hat. Duesmann erläuterte auf diese Weise, wie er die Audi-Probleme angehen will. An erster Stelle steht hier sicher, dass der Fahrzeugbauer bislang, was die Digitalisierung der Autos betrifft, die Erwartungen des Mutterkonzerns Volkswagen und auch der Kunden nicht erfüllen konnte. Zur Wahrheit gehört auch: VW selbst leidet an einem großen und ungelösten Software-Problem. Blume hat hier von seinem Vorgänger Herbert Diess eine Mega-Baustelle geerbt. Die Volkswagen-Software-Tochter Cariad liefert nicht wie erhofft Erfolge ab.

    Das allein hätte Duesmann sicher nicht das Amt gekostet. Aber die Vertreter der VW-Eigentümer-Familien Porsche und Piëch wirken seit geraumer Zeit unzufrieden mit der technologischen Entwicklung bei Audi. Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich die Hauptanteilseigner hier mehr "Vorsprung durch Technik" wünschen. Für eine solche Innovationsoffensive war der selbstbewusste Ingenieur Duesmann einst von BMW nach Ingolstadt gelockt worden. Viele sahen in dem anerkannten Techniker, umgänglichen und auch unkonventionellen Menschen den Retter nach dem Diesel-Skandal. In diese Rolle wuchs Duesmann auch hinein, als er sein Amt am 1. April 2020 offiziell antrat. 

    Audi: Duesmann hatte auch Pech

    Dabei hatte der Manager das Pech, Audi ausgerechnet in Zeiten der sich zuspitzenden Pandemie wieder auf Vordermann bringen zu müssen. Duesmann kam aus dem Krisen-Modus nicht heraus. Nach Corona stellten ihn der Teilemangel und schließlich der Überfall Russlands auf die Ukraine samt der galoppierenden Inflation vor immense Herausforderungen. Duesmann, der selbst früh an

    Duesmann, der einst in einer Punkband Schlagzeug gespielt hatte, verschaffte sich zwar immer wieder Gehör gegenüber den Volkswagen-Oberen: So machte Audi und nicht Porsche innerhalb des Konzerns das Rennen und darf am Formel-Eins-Zirkus teilnehmen. Das kam einer enormen Selbstbestätigung für Duesmann gleich, hatte er doch schon für seine früheren Arbeitgeber Mercedes-Benz und BMW als Motoren-Entwickler für die Motorsport-Königsklasse gearbeitet. Doch am Ende verübelten es ihm einflussreiche Kreise im VW-Konzern, dass Audi auf dem für das Unternehmen zentralen chinesischen Markt die hohen Erwartungen nicht erfüllen konnte.

    Letztlich trauen es die Konzern-Mächtigen Duesmann nicht mehr zu, dass er die zu lange verschobene Produkt-Offensive nun mit Tempo voranbringt. Bis 2025 soll Audi ja rund 20 neue Modelle auf den Markt bringen. Hier ist enormer Druck auf dem Kessel. Es geht um viel Geld. Der Finanzbedarf des Volkswagen-Konzerns ist enorm, muss doch nach dem 30 Milliarden Euro teuren Diesel-Skandal mit aller Macht die Wende zur Elektro-Mobilität gestemmt werden. Da ist Audi neben Porsche als Rendite- und Technologie-Vorreiter besonders in der Pflicht. Es hilft Duesmann nichts, dass Audi-Elektro-Autos besser bei Kunden als die gerade in China verschmähten VW-Stromer ankommen. 

    VW-Chef Blume erwartet mehr von Audi

    Blume erwartet sich mehr von Audi und setzte gegenüber Investoren die Renditeziele von zuletzt guten 12,2 auf 13 Prozent hinauf. Die VW-Führungsriege ließ den Audi-Chef wissen, er sollte die Probleme einfach lösen, dann sei wieder alles gut. Nichts ist gut. Blume bremst den ihm wohl eine Spur zu selbstbewussten Duesmann aus. Insidern ist klar: Der VW- und zugleich Porsche-Chef versucht dadurch, Audi stärker in die VW-Strategie einzubinden. Das komme einem Machtverlust für die stolzen Audianer gleich, wird gemunkelt. Für die Theorie spricht auch die Person des Duesmann-Nachfolgers, der sein Amt bereits zügig zum 1. September antreten wird: Denn Gernot Döllner leitet seit 2021 die Produkt- und Konzernstrategie sowie das Generalsekretariat im Volkswagen-Konzern. Letztere Position ist im VW-Kosmos eine Schlüsselstelle in dem komplizierten Machtgefüge zwischen dem starken Betriebsrat, dem Land Niedersachsen als Anteilseigner und den Eigentümer-Familien.

    Gernot Döllner wird neuer Audi-Vorstandsvorsitzender.
    Gernot Döllner wird neuer Audi-Vorstandsvorsitzender. Foto: Audi AG

    Der künftige Audi-Chef hat Maschinenbau studiert und fand 1993 als Doktorand zu Volkswagen. Anders als Duesman ist er ein Volkswagen-Urgestein, verfügt also über den wichtigen Stallgeruch in dem Auto-Imperium. Am Ende setzen sich in dem Konzern, wie auch das Beispiel Blumes zeigt, oft Manager mit langjähriger Unternehmens-Vergangenheit durch. Das sollte auch Diess zu spüren bekommen, der wie Duesmann von BMW in die Volkswagen-Welt gewechselt war.

    Neuer Audi-Chef Döllner hatte diverse Führungspositionen bei Porsche

    Döllner verfügt anders als Duesmann über eine umfangreiche Hausmacht. Was ihm auch zugutekommt: Der Manager hat in diversen führenden Funktionen für Porsche gearbeitet, unter anderem als Leiter der Produkt- und Konzeptentwicklung. Dass er bei Porsche für die Panamera-Baureihe verantwortlich war und hier, wie es heißt, einen guten Job gemacht hat, dürfte entscheidend für seinen Aufstieg zum Audi-Chef sein. Denn Döllner gilt als konsequenter Umsetzer, eine Kompetenz, an der manche VW-Zampanos zuletzt bei Duesmann gezweifelt haben. 

    Der Audi-Aufsichtsratsvorsitzende Manfred Döss bedankte sich jedenfalls, wie das in solchen Fällen üblich ist, bei dem scheidenden Vorstandsvorsitzenden: Duesmann habe bei Audi in den vergangenen Jahren mit Weitblick wichtige strategische Entscheidungen vorbereitet und vorangetrieben. Dazu gehöre insbesondere die Elektrifizierungsstrategie. Döss fügte hinzu: "Darauf wird Audi auch in Zukunft weiter aufbauen können." Und Peter Mosch, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender und Gesamtbetriebsratsvorsitzender von Audi sagte: "Markus Duesmann hat in schwierigen Zeiten für Audi und die Beschäftigten, mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie und des russischen Ukraine-Überfalls auf die Lieferketten und die Märkte, Verantwortung übernommen." Duesmann und Mosch haben nach Information unserer Redaktion stets gut zusammengearbeitet. Döllner indes ist guter Dinge: "Ich freue mich sehr auf die neue Aufgabe. Audi ist ein fantastisches Unternehmen mit einer großen Tradition." Auch auf ihm wird ein enormer Druck lasten. 

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