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Schwäbische Wirtschaftskrise: IHK sieht dringenden Handlungsbedarf

Konjunktur

Schwäbische Wirtschaft ist weiter im Tiefflug

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    Die schwäbische Wirtschaft ist auf holprigen Pfaden unterwegs.
    Die schwäbische Wirtschaft ist auf holprigen Pfaden unterwegs. Foto: Jan-Philipp Strobel, dpa

    Vor dem Gebäude der Industrie- und Handelskammer in Augsburg leuchten zumindest die Blätter der Herbstbäume golden und rot. Der Rest der Umgebung aber versinkt am Dienstag im Herbstgrau. Damit spiegelt das Wetter auch die Lage in der schwäbischen Wirtschaft wider, die IHK-Präsident Reinhold Braun zusammen mit Hauptgeschäftsführer Marc Lucassen skizziert. „Deutschland ist ein Restrukturierungsfall“, sagt Braun. „Unsere Wirtschaft rutscht tiefer in die Krise“, erklärt Lucassen. Die Stimmung habe sich seit Sommer nochmals verschlechtert. „Die Talsohle ist noch nicht erreicht“, warnen beide bei der Vorstellung der Konjunkturumfrage für den Herbst 2024, dabei zeigen sie aber auch Lösungswege auf.

    Die Industrie- und Handelskammern in Deutschland fragen halbjährlich ihre Unternehmen nach der wirtschaftlichen Lage und ihren Erwartungen. Die Antworten bilden sie in einem Index ab. In Schwaben ist der IHK-Konjunkturindex seit dem Frühjahr nochmals um zwei Punkte auf nur noch 99 Punkte gefallen. Das ist deutlich weniger als der Durchschnitt der letzten zehn Jahre, der bei 117 Punkten lag. „Wir stagnieren auch im Herbst 2024, es herrscht keine Aufbruchstimmung“, sage Lucassen. In den kommenden Monaten erwarten nur 15 Prozent der Firmen eine Verbesserung, 25 Prozent aber eine Verschlechterung.

    Konsum stagniert, Investitionen bleiben aus

    Für die festgefahrene Lage gibt es mehrere Ursachen. Zum einen seien die Bürgerinnen und Bürger zurückhaltend im Konsum. „Der Konsum stagniert“, sage Lucassen, die Brieftasche sitzt nicht mehr so locker. Zum anderen sorgen die Kriege und Handelskonflikte weltweit für Unsicherheit, im Inland kommen Belastungen zum Beispiel durch die Bürokratie hinzu. Dies führt dazu, dass die Unternehmen weniger investieren. „Die Investitionskrise verschärft sich“, erklärt Lucassen. „Trotz der Flaute im internationalen Handel wird lieber im Ausland als im Inland investiert. Der Standort ist nicht mehr attraktiv, das ist besorgniserregend“, sagt der Kammer-Geschäftsführer.

    Falls investiert werde, dann weniger in Innovationen, sondern in den Ersatz alter oder defekter Geräte. „Die Industrie - die in unserer Region für 40 Prozent der Wertschöpfung steht - fällt weiter zurück“, so Lucassen. Die schwäbischen Unternehmen sehen die schwache Inlandsnachfrage inzwischen als größtes Risiko an. 66 Prozent der befragten Firmen geben dies an. Besonders stark davon betroffen seien Industrie, Einzelhandel und Baugewerbe.

    Auch im Handwerk ist die Lage angespannt

    Im Handwerk ist die Lage leicht besser, aber ebenfalls nicht rosig: Im dritten Quartal bewerteten 41 Prozent der Handwerksfirmen ihre Lage als gut, 42 Prozent als befriedigend und 17 Prozent als schlecht, berichtet die Handwerkskammer für Schwaben. Gerade im Bauhauptgewerbe sei die Situation trotz einiger Lichtblicke angespannt. „Der Wirtschaftsstandort Deutschland steckt in der Krise“, sagt Ulrich Wagner, Hauptgeschäftsführer der Kammer. Bei Unternehmen und Verbrauchern sei eine hohe Verunsicherung zu spüren. „Das hemmt Investitionen, bremst die Kaufkraft und verhindert Wachstum.“

    Im Herbstgrau findet IHK-Chef Reinhold Braun aber auch Lichtblicke. Falls die Stagnation eine Folge wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen sei, könne man Einfluss nehmen. „All das kann man ändern“, sage er. „Man muss es nur wollen.“ Der Druck aus der Wirtschaft gegenüber der Politik steigt spürbar: „Die großen wirtschaftspolitischen Stellhebel gibt es in Berlin und Brüssel“, sagt Lucassen.

    Reinhold Braun, IHK: „Wir müssen die Arbeitsleistung erhöhen“

    Wo aber ansetzen? IHK-Präsident Braun setzt sich stark für Reformen am Arbeitsmarkt ein. Noch immer fehlten trotz der wirtschaftlichen Abkühlung 18.000 Fachkräfte in Schwaben: „Wer soll in Schwaben investieren, wenn er nicht weiß, ob er die Fachkräfte dafür findet?“, sagt er. Zuwanderung allein habe den Mangel nicht beseitigt. „Wir müssen die Arbeitsleistung erhöhen“, sonst werden wir in Bayerisch-Schwaben nicht wachsen“, ist Braun überzeugt.

    „Eine Stunde Mehrarbeit pro Woche und Beschäftigtem würde die Fachlücke schon füllen“, sagt Braun. Andere Lösungen seien die Erhöhung des Renteneintrittsalters von 67 auf 69 Jahre, was in Schwaben umgerechnet der Arbeitsleistung von 10.700 Beschäftigten entsprechen würde. Andere Lösungen wären Änderungen am Ehegattensplitting, um für Frauen Vollzeitjobs attraktiver zu machen oder die Abschaffung der abschlagsfreien Rente nach 45 Beitragsjahren.

    Populär ist dies sicher nicht, Braun warnt aber auch: „Wenn wir nicht den Mut zu Veränderungen haben, werden wir den Restrukturierungsfall Deutschland nicht sanieren.“

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    1 Kommentar
    Raimund Kamm

    Unser Bruttoinlandsprodukt, also das Ergebnis unserer Arbeit, ist nur knapp unter seinem historischen Höchststand. Die meisten Unternehmen verdienen gut, die Aktienkurse sind auf einem Allzeithoch. Deutschland mit 1 Prozent der Weltbevölkerung hat die drittgrößte Volkswirtschaft und einen der größten Exportüberschüsse der Welt. Doch die IHK ist im Wahlkampf und will die Bundesregierung schlecht machen und die Tarifpartner in den anstehenden Tarifauseinandersetzungen unter Druck setzen. Bezeichnend, dass keine Kritik an der miserablen bayerischen Industriepolitik und der versagenden Energiepolitik Bayerns geäußert wird.

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