Was die Wirtschaftsbeziehungen zu China angeht, tut sich Deutschland gerade etwas schwer. "Wir haben kein Interesse an einer wirtschaftlichen Abkopplung von China", bekräftigte Olaf Scholz vor wenigen Wochen bei den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen in Berlin. Die Erklärung des Regierungschefs wurde von seinem Pekinger Amtskollegen Li Qiang aufmerksam verfolgt. Scholz' Vize, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, hatte nämlich kurz zuvor eine staatliche Kontrolle deutscher Investitionen im Ausland ins Spiel gebracht. Der Grünen-Politiker zielt damit vor allem auf China, er sorgt sich, dass deutsches Know-how abfließt und die chinesische Rüstungsindustrie stärkt. Das Problem dabei: Habeck kann aus juristischen Gründen kein Gesetz schaffen, das sich allein auf das Reich der Mitte bezieht. Sein "Outbound Investment Screening" würde auch andere Länder betreffen. Die deutsche Wirtschaft ist alarmiert.
Der Wirtschaftsrat der CDU etwa verweist darauf, dass rund ein Viertel der Arbeitsplätze insgesamt und in der Industrie sogar fast jedes zweite Beschäftigungsverhältnis vom Exportgeschäft abhängen. Der Außenhandel sei wesentlich für Wachstum und Wohlstand in Deutschland, sagte Generalsekretär Wolfgang Steiger unserer Redaktion und ergänzte, China dürfe "nicht zum Vorwand für neue Formen der Ausfuhr- und Investitionskontrolle werden".
China liegt bei den deutschen Direktinvestitionen ins Ausland nur auf Platz drei
Der Bestand deutscher Direktinvestitionen im Ausland lag nach neuesten verfügbaren Zahlen der Deutschen Bundesbank Ende 2021 bei insgesamt mehr als 1,5 Billionen Euro. Das waren demnach acht Prozent mehr als zum Ende des Vorjahres, wobei die Steigerung teilweise auf positive Wechselkurseffekte zurückzuführen ist. Für 2022 ermittelte die Bundesbank bisher eine "robuste Entwicklung". Neuere Zahlen liegen noch nicht vor, weil die aus Unternehmensbilanzen ermittelten Direktinvestitionsbestände erst mit einer zeitlichen Verzögerung von etwa 16 Monaten zur Verfügung stehen.
Interessant dabei: Während die USA bei den Auslandsinvestitionen mit 409 Milliarden Euro unangefochten auf Platz eins liegen, folgt auf Platz zwei nicht etwa China – sondern Luxemburg (109 Milliarden). Die Chinesen belegen Platz drei mit 103 Milliarden Euro, eine Milliarde weniger ist bislang ins Vereinigte Königreich geflossen.
Minister Habeck weiß bei seinen Überlegungen Brüssel an seiner Seite. Man denke darüber nach, erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, ein Instrument zur Kontrolle europäischer Auslandsinvestitionen einzuführen, damit europäische Investitionen nicht die militärischen und nachrichtendienstlichen Fähigkeiten von Systemkonkurrenten verbesserten. Das Wirtschaftsministerium erklärte dazu kürzlich als Antwort auf eine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: "Wir haben ein gemeinsames Interesse daran, zu verhindern, dass durch das Kapital, die Fachkenntnisse und das Wissen unserer Unternehmen das eng begrenzte Set dieser technologischen Fortschritte, die Verbesserung der militärischen und geheimdienstlichen Kapazitäten von Akteuren befördert wird, welche diese Kapazitäten nutzen könnten, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu untergraben." Man erkenne daher an, dass Kontrollmaßnahmen in Ergänzung bestehender Instrumente nötig sein könnten und werde sich "konstruktiv" im EU-Prozess einbringen.
SPD stärkt Habeck den Rücken
Der Wirtschaftsrat rät von solchen Überlegungen ab und verweist auf das Beispiel Taiwan, das ein wesentlicher Handelspartner für Hochtechnologien sei. "Deutschlands Außenpolitik und Europas Handelspolitik sollten daher darauf ausgerichtet sein, im indopazifischen Wirtschaftsraum ein starkes Gegengewicht gegenüber China aufzubauen", forderte Steiger. Hilfreich seien strategische Partnerschaften und Handelsabkommen, mit denen Deutschland Taiwan den Rücken stärke. Bereits jetzt schon stünden zudem Absicherungsinstrumente zur Verfügung, "die nicht zu zusätzlicher Regulierung und Bürokratie über ein neues Investitionsgesetz führen", sagte Steiger.
Habeck kann derweil auf Rückdeckung der SPD setzen. "Die veränderte geopolitische Lage zwingt uns dazu, auch unsere Instrumente anzupassen", sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD, Bernd Westphal, dem Handelsblatt. Die Union im Bundestag scheint ebenfalls nicht abgeneigt. CDU/CSU-Fraktionsvize Jens Spahn erklärte: "Unsere Abhängigkeiten von China sollten von Experten differenziert hergeleitet und mögliche Gegenmaßnahmen – wie Investitionskontrollen – vorgeschlagen werden." Das Thema sei so wichtig, "dass sich alle Ausschüsse und das Plenum des Bundestages einmal im Jahr fundiert damit befassen müssen."