Weihnachtsgrüße per SMS sind etwas aus der Mode gekommen. Wie überhaupt diese Art der 160-Zeichen-Kommunikation ihre beste Zeit hinter sich zu haben scheint. Gerade einmal sieben Milliarden SMS sind laut Bundesnetzagentur im Jahr 2020 in Deutschland noch versandt worden. Ein schwaches Echo der beinahe 60 Milliarden aus dem Jahr 2012. Doch weil Weihnachten auch ein Fest der Nostalgie ist, kommt eine alte Weihnachts-SMS in diesem Jahr noch einmal groß raus.
Das französische Auktionshaus Aguttes versteigerte am Dienstag im Auftrag von Vodafone die erste jemals versandte SMS. Sie stammt vom 3. Dezember 1992 und hatte nur 15 Zeichen: „MERRY CHRISTMAS“. Nun stellt sich natürlich die Frage, was man bekommt, wenn man erfolgreich für so etwas Flüchtiges und nicht Fassbares wie eine SMS bietet, die vor 29 Jahren auf ein fremdes Telefon geschickt wurde. Auf den ersten Blick nicht viel: Das Aktionshaus spricht von einer Art digitalem Bilderrahmen mit den Maßen 29 auf 19,5 Zentimeter.
Darauf wird in Dauerschleife zwischen einem Bild des Telefons mit der Original-SMS und einem Auszug des Sendeprotokolls von damals mit den knappen Weihnachtsgrüßen am Ende hin- und hergewechselt. Wichtiger dürfte aber für den neuen Besitzer oder die neue Besitzerin der sogenannte „Non-Fungible Token“ (NFT) sein, der dazugehört. Das heißt übersetzt so viel wie „Nicht-austauschbare Wertmarke“ und hat den Kunstmarkt zuletzt mindestens so stark verändert wie die erste SMS den Telekommunikationsmarkt.
Die SMS hat unsere Art zu kommunizieren verändert
NFTs sind für Menschen, die auf der digitalen Evolutionsstufe des SMS-Verschickens vollkommen zurecht glücklich und zufrieden stehen geblieben sind, nicht ganz einfach zu durchschauen. Im Prinzip geht es darum, digitale Dinge, die bislang beliebig vervielfältigbar waren, einzigartig zu machen. Das geht mithilfe der sogenannten Blockchain-Technologie, die auch hinter Digitalwährungen wie dem Bitcoin steht. Weil die Technologie bislang als absolut fälschungssicher gilt, kann so auch die erste SMS der Welt in eine lange und komplizierte Zeichenfolge übersetzt werden. Sie ist von diesem Zeitpunkt an immer eindeutig zuordenbar – und damit handelbar. Es geht nicht um den Inhalt der Nachricht und auch nicht um die Technologie dahinter, sondern um das eher ideelle Konstrukt „Die erste SMS der Welt“. So weit der Ausflug in die Technik.
Deutlich interessanter dürfte sein, wie die SMS unsere Art zu kommunizieren verändert hat. Absender der Nachricht war laut dem Auktionshaus der damals 22-jährige Programmierer Neil Papworth. Er arbeitete damals mit einer Gruppe von Ingenieuren unter hohem Druck an einem neuen Dienst für Vodafone, einen wichtigen Kunden ihres Unternehmens. Die erste Nachricht ging darum an den Vodafone-Manager Richard Jarvis, um zu beweisen, dass die Gruppe um Papworth ihre Aufgabe erfolgreich gelöst hatte. Jarvis war angeblich gerade auf der Weihnachtsfeier von Vodafone, als er die Nachricht bekam – und in dem Moment die Bedeutung des erfolgreichen Tests und den weltweiten Siegeszug der SMS nicht vorhersehen konnte.
Die geschwätzigen Erben der SMS produzieren riesige Datenberge
Die SMS erweist sich zwar als robuster, als viele dachten. Doch im Vergleich zu ihren eher geschwätzigen Erben, den Messagerdiensten wie WhatsApp, Signal, Threema und Co, auf denen mit Bildern, Videos und Tonaufnahmen riesige Mengen Daten produziert werden, spielt sie für die private Kommunikation nur noch eine untergeordnete Rolle.
Doch wer weiß, vielleicht verschafft die NFT-Technologie der SMS noch ein ungeahntes Revival. Vielleicht kommen bislang unterschätzte Kurznachrichten von Angela Merkel mit konfuzianischen Weisheiten einmal als eindeutig identifizierbare Objekte ins Museum? Oder Stars versilbern scheibchenweise ihre private Kommunikation? Wo erst ein Markt geschaffen ist, kann alles Mögliche gehandelt werden. Der Marketing-Coup von Vodafone musealisiert also nicht nur die SMS. Er zeigt auch, wie groß unsere Sehnsucht nach dem vermeintlich Einzigartigen und Originalen nach wie vor ist, nachdem wir so lange an der möglichst vollständigen Digitalisierung unseres Lebens gearbeitet haben.
Aguttes rechnete mit einem Erlös von 100.000 bis 200.000 Euro für das SMS-NFT. Am Ende bekam ein ungenannter Bieter den Zuschlag für 107.000 Euro. Vodafone will die Summe dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen spenden. Und Neil Papworth, inzwischen 51 Jahre alt und wohnhaft in Montreal, Kanada sagt: „NFTs sind nicht so mein Ding, ich habe nie eins gekauft oder verkauft.“ (mit dpa)