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Augsburg - MAN-Chef Lauber: Wir kommen ohne Kündigungen aus

Augsburg

Augsburger MAN-Chef Lauber: Wir kommen ohne Kündigungen aus

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    Volkswagen-Chef Herbert Diess (Mitte) hat sich auch schon in Augsburg von Uwe Lauber (links),  
Leiter der VW-Tochter MAN Energy Solutions, die Projekte des Unternehmens für die Energiewende schildern lassen. VW-Personalvorstand und MAN-Energy-Aufsichtsratschef Gunnar Kilian (rechts) war bei dem Termin dabei.
    Volkswagen-Chef Herbert Diess (Mitte) hat sich auch schon in Augsburg von Uwe Lauber (links), Leiter der VW-Tochter MAN Energy Solutions, die Projekte des Unternehmens für die Energiewende schildern lassen. VW-Personalvorstand und MAN-Energy-Aufsichtsratschef Gunnar Kilian (rechts) war bei dem Termin dabei. Foto: MAN Energy Solutions

    Im März dieses Jahres war Uwe Lauber noch vorsichtig, was den Wegfall von 800 der zuletzt gut 4000 Arbeitsplätze in Augsburg betraf. Der Chef des Motoren-, Turbomaschinen- und Kraftwerkanlagenbauers sagte damals: „Ich bin guter Dinge, dass wir den Abbau schaffen, ohne betriebsbedingt kündigen zu müssen.“ Er schloss zu dem Zeitpunkt Entlassungen nicht aus. Doch jetzt zeigt sich der Manager gegenüber unserer Redaktion erleichtert: „Wir kommen in diesem Jahr ohne betriebsbedingte Kündigungen aus. Und ich bin zuversichtlich, dass uns das auch künftig im Rahmen unseres Programms Performance 2023 gelingen wird.“

    Die zum Volkswagen-Konzern gehörende Firma hat sich verpflichtet, die Rendite von nur 3,5 Prozent im Jahr 2019 auf neun Prozent in 2023 zu steigern. Im Zuge dessen werden Kosten gesenkt, Arbeitsabläufe gestrafft, Teile der Produktion ausgelagert, Aufträge für die Gießerei von Fremdfirmen reingeholt und im großen Stil Stellen gestrichen. Insgesamt hat der Vorstand des Unternehmens Volkswagen versprochen, rund 450 Millionen Euro einzusparen. Im Gegenzug - so will es der Deal - verzichtet der Wolfsburger Konzern bis 2024 auf einen immer wieder diskutierten Verkauf von MAN Energy Solutions. Gelingt es Lauber und seinem Team, die anvisierte Rendite von neun Prozent einzufahren, darf die Augsburger Firma noch zwei Jahre länger unter dem schützenden VW-Dach bleiben.

    200 Beschäftigte haben das Unternehmen in Augsburg bereits verlassen

    Am Unternehmenssitz in Augsburg haben bereits 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Unternehmen verlassen. Hier gilt wie für alle vom Personalabbau betroffenen Beschäftigten das Prinzip der doppelten Freiwilligkeit. Es müssen also beide Seiten einwilligen, damit ein entsprechender Altersteilzeitvertrag oder eine Abfindungsregelung zustande kommt. Lauber berichtet, dass viele, die gegangen sind, schon bei anderen Unternehmen untergekommen seien: „Und manche nehmen ein Studium auf. Wer weiß, vielleicht kommen sie in vier Jahren zu uns zurück.“ Insgesamt haben sich am Standort Augsburg etwa 750 Frauen und Männer bereit erklärt, aus dem Unternehmen auszuscheiden. Hunderte weitere Beschäftigte werden also in den nächsten Monaten gehen.

    Unternehmens-Chef Lauber: Das Geld kommt ganz massiv wieder

    Dabei beginnt das Effizienz- und Umbauprogramm wirtschaftlich zu greifen. Der MAN-Energy-Solutions-Chef „sieht Licht am Ende des Tunnels“. Nachdem es im vergangenen Corona-Jahr immerhin gelungen sei, einen Verlust zu vermeiden und bei einem Umsatz von 3,3 Milliarden Euro einen kleinen Gewinn von 42 Millionen Euro vor Steuern und Zinsen (Ebit) zu erzielen, steuere das Unternehmen schon in diesem Jahr auf eine Vorsteuerrendite von fünf bis sechs Prozent zu. Lauber sagte: „Wir kommen hier schneller voran, als ich das erwartet habe. Das Geld kommt ganz massiv wieder.“ Die neun Prozent Rendite seien in Reichweite.

    Kann sich der Vorstandsvorsitzende des Maschinenbauers nun zurücklehnen? Er schüttelt den Kopf und meint: „Die letzte Meile ist immer die schwerste, haben wir doch noch viel vor uns. Ich bin aber guter Dinge, dass wir unsere Ziele erreichen.“ Schon in diesem Jahr soll bei einem in etwa gleich bleibenden Umsatz der Gewinn deutlich anziehen. Nach den Vorstellungen von Lauber ist das jedoch erst der Anfang des Augsburger MAN-Comebacks. Ihm schwebt nämlich vor, bis 2030 noch einmal rund zwei Milliarden Euro Umsatz draufzupacken - und zwar rein grünen Umsatz, der mit Technologien zur Reduktion des Klimakillers CO2 erwirtschaftet wird.

    MAN will die Schifffahrt revolutionieren: Der Diesel wird ein Grüner

    Der Manager baut das Unternehmen mit seiner Mannschaft kräftig um. Das lässt sich schon allein am Namen ablesen. Die auf den genialen Erfinder Rudolf Diesel und den gleichnamigen Motor aufbauende Firma wurde 2018 von MAN Diesel & Turbo in MAN Energy Solutions umbenannt. Denn Lauber sagt: „Wir gestalten die Energiewende mit.“ Das Unternehmen setzt auf Technologien, mit denen umweltfreundliche, regenerative Energie aus Wind- und Solarstrom gespeichert, etwa zu grünem Wasserstoff verarbeitet und in gasförmigem oder flüssigem Zustand mit Schiffen transportiert werden kann. Die Firma, die so eng mit dem Dieselmotor verbunden ist, macht sich also daran, mit neuen Motoren die Schifffahrt ökologisch zu revolutionieren. Der Diesel wird ein Grüner.

    Wollte sich Volkwagen einst rasch von MAN Energy Solutions trennen, überhäuft Konzern-Chef Herbert Diess die Augsburger und allen voran Lauber mit Lob. Bei seiner Rede auf der Münchner Mobilitätsmesse IAA unterstrich der VW-Mann wieder einmal die ökologischen Pioniertaten der Firma. In einem Beitrag auf dem Karrierenetzwerk LinkedIn attestiert Diess Lauber, für eine klimagerechtere Welt einzutreten, indem er daran arbeite, Schiffe CO2-frei anzutreiben, Kohlendioxid-reduzierte Energie zu erzeugen und zu speichern und mit riesigen Wärmepumpen die Dekarbonisierung der Fernwärmeversorgung zu ermöglichen. Vor allem letztere Technologie von MAN Energy Solutions hat es Diess angetan. In der dänischen Stadt Esbjerg baut das Unternehmen mit einem Partner die weltweit erste Anlage der Art auf. Sie soll einmal rund 100.000 Menschen mit Wärme versorgen. Dabei kommt Strom aus nahe gelegenen Windparks und Meerwasser als Wärmequelle zum Einsatz. In der Endausbau-Stufe lässt sich nicht nur Wärme erzeugen und speichern, sondern auch in Elektrizität rückumwandeln.

    VW-Personal-Chef nimmt sich Zeit für MAN Energy Solutions

    Was interessant ist und für die engere Bindung zwischen VW und der Augsburger Tochter spricht: Bei einem Termin in Esbjerg mit dem dortigen Bürgermeister war neben Lauber auch der viel beschäftigte Volkswagen-Personalvorstand Gunnar Kilian vertreten. Der Manager ist auch Aufsichtsratschef von MAN Energy Solutions. Was die Verantwortlichen, ob von VW oder MAN, so fasziniert: Wenn die Anlage für klimaneutrale Fernwärme in Dänemark läuft, wird dort sogleich ein Kohlekraftwerk abgeschaltet. Lauber wähnt sich langsam am Ziel: „Vor zwei Jahren kam ich mir noch wie ein Wanderprediger vor, nun setzen wir Projekt um Projekt, wie die größte Wärmepumpe der Welt mit dem größten geschlossenen CO2-Kreislauf der Welt, in Esbjerg um.“

    MAN Energy Solutions will Schiffe emissionsfrei über die Weltmeere befördern und die Wasserstoff-Wirtschaft voranbringen.
    MAN Energy Solutions will Schiffe emissionsfrei über die Weltmeere befördern und die Wasserstoff-Wirtschaft voranbringen. Foto: Silvio Wyszengrad

    Technologie von MAN Energy Solutions kommt bei einem weiteren spektakulären dänischen Projekt zum Einsatz. Das Unternehmen begleitet den aus dem skandinavischen Land stammenden, weltweit führenden Container-Reeder Maersk dabei, seine Flotte vom Diesel- auf einen deutlich umweltfreundlicheren Antrieb umzustellen. Zunächst einmal geht es um acht Riesenfrachter, die ab 2024 mit „grünem“ Methanol fahren sollen. Der Clou dabei: Die Substanz wird nicht mit dreckiger Energie aus Kohle produziert, sondern stammt etwa aus Windkraft. Dass sich der Container-Riese bewegt, geht auf den Druck von Kunden zurück, die mit ihren Produkten bei vielen jüngeren Menschen nur noch landen können, wenn etwa Turnschuhe auch ökologisch transportiert werden. Voraussetzung dafür ist, dass massenhaft in sonnen- und windreichen Gebieten Wasserstoff produziert und per Schiff zu den Abnehmern transportiert wird. „Das ist der Match-Entscheider im Kampf für den Stopp des Klimawandels“, sagt Lauber.

    Als die Meldung über das radikale Umsteuern bei Maersk die Runde machte, standen die Telefone bei MAN Energy Solutions lange nicht still. Lauber macht die Arbeit „wieder richtig Spaß“. Er hat harte Monate hinter sich, ehe der Sanierungsplan mit der Beschäftigtenseite einvernehmlich ausgehandelt war. Der Manager räumte ein: „Mir fiel es schwer, den Personalabbau zu verkünden, schließlich arbeite ich 21 Jahre für die Firma und bin mit vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern per Du.“ Doch er ist davon überzeugt, dass MAN Energy Solutions für die vielen verbliebenen Beschäftigten ein immer attraktiverer Arbeitgeber werde: „Denn sie sehen, dass wir massiv die Energiewende vorantreiben. Das motiviert uns alle.“

    Dabei gibt es noch viel zu tun, um gerade die Industrie als großen Klimaschädiger umzurüsten. Für das Unternehmen tut sich ein großer Markt auf. Allein bei der Herstellung von Zement sollen weltweit jährlich 2,8 Milliarden Tonnen CO2 anfallen, was nach Studien knapp acht Prozent des globalen CO2-Ausstoßes entspricht. Die Branche schädigt das Klima demnach mehr als der Flugverkehr. Lauber berichtet, dass ein Zementwerk pro Jahr etwa so viel CO2 ausstößt wie rund 250.000 Autos. Und alle 150 Kilometer stehe eine solche Anlage.

    Auch für die Zementbranche hat MAN Energy Solutions eine Lösung

    Doch auch für einen derart dicken Klima-Brocken gibt es etwas von MAN Energy Solutions. So hat das Unternehmen wiederum mit einem Partner ein Verfahren entwickelt, um eine Anlage von Heidelberg Cement in Norwegen ökologisch umzurüsten. Dank der Technik wird das durch die Produktion entstehende CO2 „abgeschieden“, also rausgezogen und in ein Bohrloch vor der Küste Norwegens „verpresst“ und damit gelagert. Bei dem weltweit ersten Projekt der Art soll die Kohlendioxid-Emission des im Werk produzierten Zements um 50 Prozent gesenkt werden. Nicht nur Reeder stehen unter Druck, auch der deutsche Baustoffhersteller sieht sich in der Verantwortung und will bis spätestens 2050 klimaneutralen Beton anbieten.

    MAN Energy selbst hat auch noch einen langen Weg zum reinen Klima-Unternehmen vor sich. Auch wenn der Markt für grüne Lösungen stark wächst, erwirtschaftet das Unternehmen erst etwa 15 Prozent des Umsatzes mit solchen Produkten. Nach wie vor verkauft die Firma also Diesel-Schiffsmotoren, auch wenn weitaus umweltfreundlichere Gasmotoren stärker gefragt sind. Dabei profitiert MAN Energy Solutions nach der Corona-Krise „von dem größten Boom im Containerbereich seit 2008“. Das Geschäft mit Motoren für kleinere Schiffe, etwa für die Öl- und Gasindustrie, schwächelt aber nach wie vor.

    Doch die Kreuzfahrtbranche scheint sich nach dem Stillstand langsam wieder zu erholen. Lauber berichtet von ersten Aufträgen für MAN Energy Solutions. Für ihn ist klar: „Auch Kreuzfahrtschiffe müssen grün werden.“ Zunächst einmal werden sie aber durch die Umstellung auf Gasmotoren nur etwas grüner. Doch in drei Jahren könnte es soweit sein: Dann sollen die schwimmenden Mega-Hotels mit synthetischem, aus erneuerbaren Energien erzeugtem Gas angetrieben werden. Auch hier mischen die Augsburger mit.

    Augsburger MAN-Chef tritt Gerüchten entgegen

    Wer wie MAN Energy Solutions mit immer neuen Ideen und Projekten für eine bessere Umwelt Fantasien weckt, wird natürlich gefragt, ob nicht ein Börsengang eine Option sei, um mehr Kapital für all die Träume zur Verfügung zu haben. Lauber versichert jedoch: „Wir sind Teil von Volkswagen und das ist auch gut so. Langfristig kann man über so etwas nachdenken, aber zuerst müssen wir unsere Hausaufgaben machen.“ Dabei entbehrten die immer wieder aufkommenden Gerüchte, das Unternehmen werde trotz der Treueschwüre von VW doch verkauft, jeder Grundlage, versichert er. Auf alle Fälle wollen die ökologischen Liebesgrüße von Wolfsburg nach Augsburg nicht verstummen.

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