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Augsburg: Blick ins Kuka-Labor: Dieser Roboter könnte Ihr neuer Kollege werden

Augsburg

Blick ins Kuka-Labor: Dieser Roboter könnte Ihr neuer Kollege werden

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    Kuka-Roboter kommen dem Menschen ganz nahe.
    Kuka-Roboter kommen dem Menschen ganz nahe. Foto: Kuka (Archivbild)

    Die Kuka-Geheimlabore, intern „der Keller“ genannt, liegen hinter einer unscheinbaren Tür gegenüber einem Aufzug. Im Keller sieht es aus, wie Laien sich einen solchen Ort vorstellen mögen. Hinter Glasscheiben befinden sich Versuchsanordnungen, etwa Geräte, deren spindelförmige, silbern glänzende Arme von der Decke hängen. Was sich in einem James-Bond-Film als Krake, die Bösewichte beherzt packt, gut machen würde, findet schlicht in der Lebensmittelindustrie Verwendung. Der abwaschbare und hygienische Edelstahl ist erste Wahl, wenn von Kuka-Spinnen Pralinen gegriffen und die verschiedenen Sorten in Schachteln angeordnet werden.

    Das süße Projekt scheint nicht das geheimste aller geheimen zu sein. Besucher dürfen zwar nicht fotografieren, aber die Kraken schon eingehend inspizieren. Dabei stehen die Lebensmittel-Spinnen nicht im Mittelpunkt der Keller-Stippvisite. Kristina Wagner, Forschungsleiterin des Augsburger Roboterbauers, lenkt das Interesse auf ein anderes Experiment. Die Tür zum entsprechenden Raum steht halb offen. Der Blick wandert geradeaus an die Wand. Nichts ist zu sehen. „Gehen Sie ruhig rein“, sagt die 39-jährige Mathematikerin lächelnd. Das sich nun offenbarende Bild wirkt erklärungsbedürftig, sitzt doch ein kleiner, weißer, schüchtern wirkender Roboterarm am Boden auf einem Podest. Vor ihm steht ein Pappkarton mit einem Würfel in Kuka-Orange.

    Kuka in Augsburg: Roboter "Easy" können auch Nicht-Techniker programmieren

    Die Forscher nennen den niedlichen Kameraden „Easy“. Man dürfe ihn ruhig anfassen. Auch sei er gelehrig. An der Seite des Greifers hat der Mini-Kuka eine Art Knopf. Ein Druck und der Roboter ist entriegelt. Der Greifer lässt sich, wie es einem „Easy“ gebührt, einfach bewegen. Und was hat der Kleine so an Kunststücken drauf? Kristina Wagner, die an der RWTH Aachen promoviert hat, meint vielsagend: „Alles, was man ihm beibringt.“ Das Spiel beginnt. Der Mensch packt den Roboterarm und setzt den Greifer über den Würfel. Easy packt zu. Ohne großen Widerstand lässt er sich dorthin bewegen, wo er den Würfel ablegen soll. Dass Easy clever ist, zeigt sich bald, schließlich ist er umgehend in der Lage, die ihm vom Menschen antrainierte Arbeit akkurat ein ums andere Mal brav zu wiederholen.

    Was für Laien banal anmuten mag, ist eine Revolution, eine auf den zweiten und dritten Blick. Kuka-Produktarchitekt Benjamin Baumann, 34, gibt Erkenntnishilfe: „Das Große liegt hier im Kleinen. Was einfach aussieht, ist für uns meist komplex. Da darf man sich nicht täuschen lassen.“ Dass der offiziell LBR iisy heißende Easy unkompliziert nachmacht, was der Mensch ihm vorgibt, verdankt er neben entsprechenden Sensoren den Programmierkünsten von Kuka-Experten. Das Ergebnis ist die neue und in diesem Jahr erstmals vorgestellte Software iiQKA. Dank ihr sollen auch Nicht-Techniker intuitiv, wie sie ein iPhone bedienen, einen Kuka-Roboter rasch in Betrieb nehmen können. Kristina Wagner verspricht, „dass Käufer in weniger Zeit, als ein Fußballspiel dauert, loslegen und zumindest einfache Arbeiten ausführen können“. Das neue Betriebssystem wird indes weiter entwickelt. Anfang 2022 sollen erste Ruckzuck-Roboter ausgeliefert werden.

    Mensch und künstliche Intelligenz kommen sich ganz nah: Easy funktioniert nach "Learning by Doing"

    Easy stellt in mehrfacher Hinsicht eine technologische Revolution dar: Der Kleine ist nämlich ein Cobot, also ein kollaborativer Roboter, der eng mit Menschen zusammenarbeiten kann, weil er sie nicht verletzt. Da er sich auch leicht steuern lässt, sind der Fantasie kaum Grenzen gesetzt, was Einsatzfelder betrifft. Der Easy könnte wie Bohrer oder Akkuschrauber ein normales Werkzeug in einem Handwerksbetrieb werden, weil er sich rasch ohne Fachkenntnisse und langwierige Schulungen umprogrammieren lässt.

    Das Gerät funktioniert nach der bewährten pädagogischen Methode „Learning by Doing“. Dank künstlicher Intelligenz, eben entsprechenden Algorithmen und einer Anbindung an die Daten-Cloud, wird der Technik-Zwerg künftig noch schlauer und beweist, dass Großes im Kleinen stecken kann. Denn dank des neuen Betriebssystems, verspricht Kristina Wagner, sollen Kuka-Roboter in den nächsten Jahren in der Lage sein, selbst zu lernen, wie sie eine bestimmte Aktion noch besser, also für den Anwender effizienter ausführen können. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse, gespeist aus einem riesigen Datenpool, können Unternehmen helfen, produktiver zu arbeiten und dadurch bessere Ergebnisse abzuliefern.

    Letzteres ist sicher die größte Veränderung, vor der die Industrie steht. Auf dem langen digitalen Revolutionsweg gibt es für einen „Problemlöser“ wie Kuka allerlei kleinere Herausforderungen zu meistern, wie den Wunsch eines Kunden nach einem Roboter, der in Plantagen Äpfel pflückt. Kuka sei an dem Thema dran, verrät die Entwicklungsleiterin, ohne aber Details zu nennen.

    Kuka-Roboter sollen Äpfel pflücken

    Im „Keller“ spielt Easy nicht mit Äpfeln. Nur so viel ist klar: Der Roboter soll die Früchte wirklich greifen, pflücken und sachte in einen Behälter ablegen. Kuka arbeitet also nicht an einem Baum-Schüttel-Roboter. Die Äpfel sollen schließlich ohne Druckstellen in Supermärkten landen.

    Während die Agrar-Angelegenheit noch im Ungefähren bleibt, wie vieles, was sich im Keller abspielt, werden Kuka-Roboter schon heute in Bereichen eingesetzt, die nach Science Fiction klingen. Gerade in der Medizintechnik sind die Gerätschaften aus Augsburg seit rund 20 Jahren zunehmend gefragt. Die Anwendungen werden dabei immer spektakulärer. Basis sind oft Kuka-Roboter, wie sie etwa aus der Automobilproduktion bekannt sind. Wenn der Konzern derartige Kraftprotze, die große Lasten stemmen können, etwa dem langjährigen Partner Siemens liefert, sind sie später im eingebauten Zustand kaum wiederzuerkennen.

    Auch bei Operationen helfen Roboter.
    Auch bei Operationen helfen Roboter. Foto: Kuka

    Roboter pflanzt Haare ein

    Ein Kuka-Roboter wird Teil einer großen Anlage und bewegt bei dreidimensionalen CT-Aufnahmen im Operationssaal einen Röntgen-C-Bogen um den Patienten herum. Er kommt Patienten relativ nahe. Inzwischen rücken Kuka-Roboter Menschen noch mehr auf die Pelle, gerade wenn sie im „Haartransplantationssystem“ Artas iX eingesetzt werden. Nach Darstellung der kanadischen Firma VenusConcept handelt es sich dabei um das weltweit erste Gerät dieser Art, das mit Robotertechnik und künstlicher Intelligenz (KI) arbeitet. Die Technik des cleveren Haartransplantations-Roboters verfügt über mehrere Kameras. Damit unter Haarausfall leidende Menschen sich wieder lieber im Spiegel betrachten, wird Hightech aufgefahren: Denn dank seiner KI-Gaben überwacht das System Winkel, Größe und Richtung jedes einzelnen Haarfollikels, also die Strukturen, welche die Haarwurzel umgeben und die Haare in der Haut verankern.

    An dem siebenachsigen Kuka-Roboterarm sitzt eine Apparatur, die wie eine ultramoderne Föhnhaube aussieht. Der Chirurg sieht alles auf einem Bildschirm, wenn er Haarfollikel am Hinterkopf der Patienten entnimmt und an kahlen Stellen einpflanzt. VenusConcept nennt bei dem sensiblen Thema keine weiteren Details, zeigt aber einige Vorher- und Nachher-Bilder von Männern: Bei einem Kandidaten wurden Resthaare von den Seiten des Kopfes über die Glatze geschickt verteilt. Auch wenn die neue Haarpracht nicht üppig wirkt, ist die einstige Kahlheit – das legen die Werbefotos nahe – überwunden. Dergleichen Haartransplantationen sollen mehrere tausend Euro kosten und keine Narben hinterlassen. Wiederum dank künstlicher Intelligenz lassen sich die entnommenen Haare derart arrangieren, dass optisch eine möglichst hohe Dichte entsteht.

    Übernehmen Roboter die Pflege von kranken Menschen?

    Chirurgen vertrauen auf die immer wieder in gleicher Präzision wiederholbaren Dienste von Robotern. Kuka-Medizinrobotik-Experte Axel Weber und seine Kolleginnen wie Kollegen arbeiten mit vielen Firmen zusammen, die Augsburger Technik für spezielle Apparaturen benötigen. Die Schweizer Firma AOT geht mit Kuka neue Wege: Setzen Chirurgen, wenn sie Knochen schneiden, auf Sägen, bietet das Unternehmen eine andere Methode an: Ein Kuka-Roboter namens Carlo schneidet dank kalter Lasertechnologie Knochen berührungsfrei – und dabei nicht nur gerade, sondern auch bogen- oder puzzle-förmig. Dabei bleibe die Knochenoberfläche intakt und lasse sich nach dem Schnitt wieder passgenau zusammenfügen. All das verkürze im Gegensatz zur konventionellen Säge-Methode die Heilungszeit.

    Am Ende – und das ist Alltagsgeschäft für Roboterbauer – geht es darum, Technologien zu entwickeln, die Kosten für Auftraggeber senken, im Fall der Medizintechnik für Kliniken, Krankenkassen und Patienten. Wohl auch deshalb gibt es bis auf Saug-, Wisch- und Rasenmäher-Roboter noch nicht die Allzweckmaschine für den Haushalt, die Socken aufhebt, die Spülmaschine einräumt, den Tisch deckt, das Bett macht und mit einem plaudert. Ein solcher Apparat wäre viel zu teuer. Kuka-Forschungsleiterin Kristina Wagner glaubt, Service-Roboter würden aus finanziellen Überlegungen zunächst für Großküchen entwickelt. Dabei werden sie gerade im Pflegebereich interessanter, weil Fachkräfte oft Mangelware sind. So ist der LBR Med von Kuka das wichtigste Bauteil von „Robert“, einem Roboter, der medizinischem Personal bei der Rehabilitation hilft. Das Gerät bewegt geduldig das Bein eines im Bett liegenden Patienten hin und her, um die Beweglichkeit von bettlägerigen Menschen zu erhöhen. So viel Zeit wie Robert hat das Klinikpersonal kaum noch. Da kann sich ein Roboter rechnen.

    Kuka-Chef Peter Mohnen glaubt an den Siegeszug der technischen Helfer

    Auch die Forscher der Fraunhofer Projektgruppe für Automatisierung in der Medizin aus Mannheim haben bei ihren Projekten die Kosten im Blick. Wie Betriebswirte rühmen sich die Ingenieure, auf „Economy by Speed“ zu achten, Wirtschaftlichkeit auch durch Geschwindigkeit zu garantieren. Das berücksichtigen die Wissenschaftler beim Projekt „Guidoo“. Hier geht es um die Entnahme von Gewebeproben. Der Roboter führt eine Nadelhülse zur Einstichstelle. Ärztinnen und Ärzte stecken die Biopsienadel durch die Hülse hindurch ein. Sie können sich darauf konzentrieren, mit der Nadel so tief, wie es nötig ist, vorzudringen. Das Zusammenspiel von Roboter und Maschine, heben die Fraunhofer-Experten hervor, erhöhe die Trefferquote. Die Mediziner müssten nicht wiederholt einstechen und immer neue Kontrollaufnahmen anfertigen. Das Verfahren ist schneller, zuverlässiger und spart Kosten.

    Derartige Faktoren entscheiden, ob Kliniken, aber auch Maschinenbaufirmen hohe Investitionssummen für Roboter locker machen. Kuka-Chef Peter Mohnen glaubt an den weiteren Siegeszug der technischen Helfer: „Der Markt für Robotik und Automation wird sich mittelfristig gut entwickeln.“ Seiner Ansicht nach versuchen Unternehmen nach der Corona-Krise, noch effizienter zu arbeiten und Produktion zum Teil aus dem Ausland nach Deutschland zurückzuholen. Wenn am heimischen Hochlohn-Standort Pharma- und Chipfabriken entstehen, funktioniert das wirtschaftlich nicht ohne reichlich Automatisierung.

    Carbon macht die Maschinen leicht

    Dabei ist schon während der Pandemie in der boomenden Logistik-Branche der Bedarf an Roboterlösungen gestiegen. Das kommt einem zweiten Augsburger Roboter-Spezialisten zugute. German Bionic entwickelt und baut Kraftanzüge, mit denen sich Lasten rückenschonend heben lassen, sozusagen Roboter, die sich wie ein Rucksack an den Körper anschmiegen. Bei Gewichten bis zu 30 Kilo entfaltet das aktiv arbeitende System mit einer Akkulaufzeit von acht Stunden seine unterstützende Wirkung gerade im unteren Rückenbereich.“ Das neue Modell wiegt nur rund sieben Kilo. Derartige Zweit- oder Exoskelette werden zunehmend leichter und leistungsfähiger. Das Abspecken ist vor allem dem Einsatz des Zaubermaterials Carbon, also leichten und dennoch steifen Faserverbundwerkstoffen zu verdanken.

    Mit Hilfe des Exoskeletts werden schwere Lasten leicht.
    Mit Hilfe des Exoskeletts werden schwere Lasten leicht. Foto: German Bionic Systems

    Hier rühmt German-Bionic-Chef und Mitgründer Armin G. Schmidt die gute Zusammenarbeit mit dem Carbon-Spezialisten SGL aus Meitingen nördlich von Augsburg. Der Start-up-Unternehmer fühlt sich mit seinem Vorstandskollegen Peter Heiligensetzer, der einst bei Kuka gearbeitet hat, wohl in der Maschinenbau- und Innovationsregion Schwaben. Beide Manager rühmen die gute Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen und Firmen in der Region. „Hier finden wir auch ausreichend Fachkräfte. Ja, wir halten hier die Fahne hoch und wollen unsere Firma in Augsburg weiter ausbauen“, sagt Schmidt, der in Potsdam bei Berlin lebt. In der deutschen Hauptstadt und im Roboter-Mekka Tokio unterhalten die Bayern weitere Standorte. Die German-Bionic-Gründer sehen Deutschland und Japan als die weltweit führenden Robotik-Nationen.

    Augsburg soll "Robotic Valley" werden

    Schmidt, der in München sein Informatik-Studium abgebrochen hat, „um sich nicht für seine unternehmerischen Pläne sechs Jahre zu blockieren“, träumt davon, dass Augsburg einmal weltweit vor allem dank Kuka und German Bionic als „Robotic Valley“ gepriesen wird. Für ihn sind die Voraussetzungen dafür gut, „gibt es hier doch eine einzigartige Kombination aus Maschinenbau, Automatisierungskompetenz und Software-Expertise“. Der Aufschnall-Roboter „Cray X“ kann sich mit der Produktion vernetzen. Alle heißen technologischen Themen, mit denen Produkte leistungsfähiger und effizienter werden, ja sich besser an Bedürfnisse der Kunden anpassen lassen, sind hier mit im Spiel, also Künstliche Intelligenz, Cloud Computing, Internet der Dinge oder Industrie 4.0. Funktionen der Kraftanzüge lassen sich wie Tesla-Elektroautos „over-the-Air“ – per drahtloser Funkübertragung – auf den neuesten Stand bringen. German Bionic sieht sich als erster Exoskelett-Anbieter, der ein eigenes Betriebssystem speziell für am Körper getragene Roboter bis zur Marktreife entwickelt hat. Schmidt, der wie Heiligensetzer neben vielen anderen Investoren an der Firma beteiligt ist, hat eine Vision: „Wir wollen für Exoskelette sein, was Tesla für Elektro-Autos ist.“ Er träumt davon, etablierte Firmen ins Schwitzen zu bringen.

    Das muss sich rumgesprochen haben: Immer mehr Geldgeber wollen an den Technikträumen der Bayern teilhaben. In einer weiteren Finanzierungsrunde ist es German Bionic gelungen, „Technologie-Kapitalgeber von Weltrang“ anzulocken. Neben dem Investment-Arm des südkoreanischen Technikriesen Samsung sind zwei führende US-Fonds, ein japanischer Risikokapitalgeber und die erfolgreichen Münchener Technologieförderer der MIG AG eingestiegen. Letztere Finanziers scheinen ein Näschen für interessante Investments zu haben, sind die doch schon seit der Gründung am Impfstoff-Entwickler Biontech beteiligt. Damit kehrt in Augsburg ein wenig Silicon-Valley-Geist ein. Bei aller Weltläufigkeit ist der mit einer Taiwanesin verheiratete Schmidt ein bodenständiger Unternehmertyp, der immer wieder zufrieden hervorhebt, dass auch Bayern Kapital als Risikokapital-Tochter der staatlichen LfA Förderbank bei German Bionic investiert ist. Renommierte Geldgeber erwarten sich anscheinend Großes von den Kraftanzug-Entwicklern, auf deren Produkte heute gerade Firmen setzen, in deren Logistikbereichen Mitarbeiter schwerere Lasten herumwuchten müssen. Die Rückenstützer kommen etwa bei Ikea, DB Schenker, in einem BMW-Autohaus, beim Paketdienst DPD oder am Flughafen Stuttgart zum Einsatz.

    Augsburger Exoskelette kommen im Flughafen Stuttgart zum Einsatz

    Gerne zitiert German Bionic einen Stuttgarter Airport-Mitarbeiter aus der Gepäckabfertigung, der von den Augsburger Exoskeletten angetan ist: „Nun kann ich am Abend wieder ohne Schmerzen meine Tochter hochheben.“ Schmidts Vision besteht darin, „Menschen zu unterstützen, körperliche Schwachstellen auszugleichen und deren Lebensqualität zu steigern“. Er vergleicht die Wirkung anziehbarer Roboter mit der von Brillen. Menschen sind dank Exoskeletten wie einst dank Sehhilfen in der Lage, länger zu arbeiten, körperliche Defizite auszugleichen und Spaß am Leben zu haben. Ob Kraftanzüge einmal an die Bedeutung von Brillen heranreichen, ist unwahrscheinlich, gelten Brillengläser nach Lesart des Herstellers Zeiss hinter der Entdeckung des Feuers und des Rads als fünftwichtigste Erfindung der Menschheit. Roboter insgesamt dürften auf einer Innovationsrangliste allerdings weit vorne landen.

    Das Augsburger Unternehmen German Bionic baut Aufschnall-Roboter.
    Das Augsburger Unternehmen German Bionic baut Aufschnall-Roboter. Foto: German Bionic Systems

    Ihr Siegeszug ruft auch Kritik hervor, schließlich machen automatisierte Helfer Menschen Arbeit nicht nur leichter, sondern nehmen sie ihnen im wahrsten Sinne des Wortes manchmal ab. Nach einer Studie des Weltwirtschaftsforums in Davos werden 2025 Roboter uns, was die reine Arbeitszeit betrifft, mit 52 zu 48 Prozent überrunden. Die Entwicklung ist rasant, haben Frauen und Männer vor nicht allzu langer Zeit noch 71 Prozent der Arbeitsstunden geleistet. Schon bis 2022 kostet demnach die neue Runde der industriellen Revolution – also der Mix aus zunehmender Automatisierung und dem Einsatz künstlicher Intelligenz – 75 Millionen Arbeitsplätze, während im Gegenzug nach Berechnungen des Weltwirtschaftsforums 133 Millionen neue Stellen entstehen.

    Roboter-Experte Sami Haddadin glaubt an Roboter in der Pflege

    Die Arbeitswelt befindet sich in einem radikalen Umwälzungsprozess. Dennoch ist Professor Sami Haddadin, Direktor der Munich School of Robotics and Machine Intelligence, überzeugt, Roboter würden nicht irgendwann die Macht übernehmen: „Sie bleiben immer ein Werkzeug des Menschen. Der Mensch behält die Kontrolle.“ Für den Experten, der weltweit als einer der renommiertesten Forscher auf dem Gebiet gilt, „ist es äußerst wichtig, den Menschen in den Mittelpunkt der Entwicklung zu stellen.“ Dabei packt Haddadin das Thema grundsätzlicher, ja philosophisch an. Der 40-jährige Sohn eines jordanischen Arztes und einer finnischen Krankenpflegerin glaubt, Roboter sollten lediglich helfen, die Fähigkeiten des Menschen zu erweitern. Die Definition trifft auf Exoskelette zu, die dazu beitragen können, dass Menschen trotz körperlicher Arbeit Rückenschmerzen erspart bleiben, was wiederum Kosten für Krankenkassen senkt und krankheitsbedingte Fehlzeiten von Arbeitnehmern verringert. Haddadin glaubt auch, dass Roboter als Assistenten zunehmend im Pflegebereich Einzug halten: „So haben die Kräfte mehr Zeit für das Zwischenmenschliche.“ Trotz des Siegeszugs der Robotik geht der Wissenschaftler davon aus, dass „wir im Zeitalter von Mensch und Maschine und nicht Mensch oder Maschine leben werden“.

    Arbeitsmarktforscher sind sich sicher, dass von der weiteren Automatisierung vor allem Jobs im Niedriglohnsektor betroffen sind, die weder besondere Qualifikationen noch herausragende Fähigkeiten im Umgang mit Menschen erfordern. Gute Aus- und regelmäßige Weiterbildung können also im Zusammenspiel mit sozialer Kompetenz und Empathie davor schützen, dass Jobs durch den Einsatz von Robotern wegrationalisiert werden. Demnach sind gerade soziale Berufe wie Lehrer, Erzieher, Ärzte und Pflegekräfte oder künstlerische Tätigkeiten (Musiker, Maler) relativ robotersicher. Letztlich lautet die beruhigende Erkenntnis von Haddadin: „Roboter können nicht abstraktes Denken mit sensomotorischen Fähigkeiten kombinieren.“ Jedenfalls noch nicht.

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