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Auflagenschwund: Radikaler Stellenabbau: Das Ende der Hochglanz-Ära von Gruner + Jahr

Auflagenschwund

Radikaler Stellenabbau: Das Ende der Hochglanz-Ära von Gruner + Jahr

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    RTL-Beschäftigte protestieren gegen Zeitschriftenverkäufe. Sie fordern von RTL Deutschland und der Muttergesellschaft Bertelsmann eine Arbeitsplatz-Garantie bei möglichen Verkäufen.
    RTL-Beschäftigte protestieren gegen Zeitschriftenverkäufe. Sie fordern von RTL Deutschland und der Muttergesellschaft Bertelsmann eine Arbeitsplatz-Garantie bei möglichen Verkäufen. Foto: Marcus Brandt, dpa

    Im markanten Verlagsgebäude am Hamburger Hafen, wo seit drei Jahrzehnten hunderte Menschen an einer Reihe der bekanntesten deutschen Illustrierten von Brigitte über Geo, Stern oder Schöner Wohnen arbeiten, gären schon länger Frust und Wut. „Notruf Hafenkante – Stoppt den Ausverkauf am Baumwall“ spannten vor zwei Wochen die Beschäftigten als großes Transparent auf. Rund dreihundert protestierten mit abgewandelten Titelblättern gegen die Pläne von Bertelsmann-Chef Thomas Rabe, das Zeitschriften-Geschäft des Konzerns zu zerschlagen.

    Doch seit Dienstag herrscht Klarheit: Gut ein Drittel der Hamburger Belegschaft muss gehen, Bertelsmann trennt sich von zahlreichen Zeitschriftentiteln oder stellt sie wie Barbara oder Eltern ganz als gedruckte Ausgaben ein – insgesamt werden 500 Stellen abgebaut

    Am Traditionshaus Gruner + Jahr prangt nun das Firmenschild von RTL

    Jahrzehntelang standen die Namen Gruner und Jahr für deutschen Hochglanz-Journalismus. Doch die Nachnamen der Gründungsverleger Richard Gruner und John Jahr, die den Verlag zusammen mit dem Zeit-Verleger Gerd Bucerius gründeten, prangen schon länger nicht mehr am Hamburger Pressehaus Am Baumwall. Das grüne G+J-Logo wurde im August abgeschraubt, seitdem hängt dort das Schild von RTL

    Konzernchef Rabe hatte Ende 2012 die Magazinsparte von Gruner + Jahr zum Kaufpreis von 230 Millionen Euro in dem Fernseh-Konzern aufgehen lassen, um einen „nationalen Cross-Media-Champion“ zu schmieden, wie er betonte. Damals versprach Rabe, dass dies nicht zulasten der Zeitschriftensparte gehen sollte: „Ich schrumpfe doch nichts, nur um zu schrumpfen.“ Rabe, der in Personalunion Chef der RTL-Gruppe, von RTL Deutschland und Vorstandsvorsitzender von Bertelsmann ist, betonte viel lieber mögliche Synergien.

    Traditionszeitschrift „Eltern" verschwindet vom Kiosk

    Doch in Hamburg wuchs die Angst vor dem Kahlschlag. Seit Wochen gab es Gerüchte, RTL könne alle Zeitschriften außer der Stammmarke Stern verkaufen. Doch nun sollen zumindest Geo, Capital und Stern Crime bei RTL bleiben. Die Magazine Brigitte, Gala, Schöner Wohnen und Geolino wandern wieder unter die frühere Verlagsmarke Gruner + Jahr. 

    Eltern und Chefkoch verschwinden vom Kiosk und bleiben nur noch online erhalten. Das komplette Aus ereilt Barbara, Stern View, Hirschhausens Gesund Leben, Guido sowie Brigitte Woman und diverse Geo-Ableger. Zum Verkauf stehen die Kunstzeitschrift „art“, „Essen und Trinken“, „Beef“, „P.M“ sowie Beteiligungen an Landlust, 11 Freunde, Business Punk und anderen Titeln.

    Auflagen von Stern, Brigitte und Gala schrumpfen dramatisch

    Viele der Zeitschriften aus Hamburg leiden seit dem digitalen Wandel unter massiven Auflageverlusten: Allein der Stern büßte in den vergangenen zehn Jahren fast 60 Prozent seiner verkauften Auflage ein. Statt einst weit über eine Million verkaufte das Magazin zuletzt nur noch 325.500 Exemplare. Ähnlich sieht der Trend bei Brigitte und Gala aus. 

    „Die Strategie von Gruner ist in der Zukunft, sich auf die Kernmarken und die Haupttitel zu konzentrieren“, sagt Rabe und spricht von einer sich rasch verändernden Medienlandschaft. Seinen Worten zufolge habe das Verlagsgeschäft nur noch eine Million Euro Gewinn gemacht und drohte unter anderem angesichts steigender Papierpreise in die Verlustzone zu rutschen. 

    Interne Kritiker werfen Rabe vor, die Geschäfte schlecht zu rechnen und verweisen darauf, dass Gruner + Jahr vor der Übernahme durch RTL 2021 einen Betriebsgewinn von 134 Millionen Euro eingefahren habe. Kurz zuvor hatte Verlagschefin Julia Jäckel völlig überraschend das Haus verlassen.

    Journalistenverbände verurteilen Zeitschriften-Kahlschlag

    Journalistenverbände gehen mit Rabes Ausverkauf hart ins Gericht: „Diese Entscheidung ist durch nichts begründet als durch gewissenlose Profitmaximierung“, sagte der Chef des Deutschen Journalisten-Verbands, Frank Überall. Die Gewerkschaft Verdi wirft dem Bertelsmann-Chef gar „Unfähigkeit“ vor, ein profitables und europaweit beachtetes Zeitschriftenhaus in die digitale Transformation zu führen. „Die fehlgeleitete Strategie aus Gütersloh schneidet dem Medienstandort Hamburg und der Presselandschaft ein großes Stück Vielfalt heraus“, sagt Verdi-Medienvorstand Christoph Schmitz.

    Auch die Tage des bekannten Verlagsstandorts an der Hafenkante sind gezählt. Nächstes Jahr sollen die verbleibenen Medienschaffenden umziehen.

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