Seit November 2024 verhandeln die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite bei Audi über die Einsparungs- und Umbau-Pläne des Vorstands. In der vergangenen Woche wurde nach einem harten Ringen über insgesamt 88 Stunden ein Durchbruch erzielt, wie beide Seiten am Montagabend bestätigten. Demnach plant das Unternehmen, bis zu 7500 Arbeitsplätze in Deutschland, an den beiden Standorten Ingolstadt und Neckarsulm, abzubauen. Die Stellen sollen nach Darstellung von Unternehmen und Betriebsrat sozialverträglich bis 2029 ohne betriebsbedingte Kündigungen gestrichen werden.
Dabei peilt Audi einen Wegfall von bereits bis zu 6000 Jobs bis 2027 an. Das Unternehmen setzt auf das Prinzip der Freiwilligkeit: Beschäftigte sollen mit Altersteilzeit- oder Vorruhestands-Programmen aus dem Unternehmen ausscheiden. Der Audi-Mutterkonzern Volkswagen hatte für die Marke VW ein ähnliches Konzept beschlossen. Demnach wird in Deutschland bei mehr als 35.000 Arbeitsplätzen bis 2030 der Rotstift angesetzt. So fällt hierzulande fast jeder vierte Job bei der Marke VW weg.
Arbeitgeber wollten wohl noch mehr Arbeitsplätze streichen
In Deutschland beschäftigte Audi zuletzt 55.413 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, darunter knapp 40.000 in Ingolstadt. Der Autobauer hatte nach Berechnungen des Betriebsrats in der Vergangenheit im Rahmen eines anderen Restrukturierungsprogramms knapp 10.000 Stellen abgebaut. Aktuell gab es nach Informationen unserer Redaktion auf der Arbeitgeberseite Überlegungen, mehr Jobs wegfallen zu lassen. Die Rede ist in Ingolstadt von bis zu 12.000 Arbeitsplätzen. Das konnte der Gesamtbetriebsrat um den Vorsitzenden Jörg Schlagbauer abwehren.
Dass Audi wiederum Jobs reduziert, ist den großen Umbrüchen der Branche geschuldet: Einerseits musste das Unternehmen herbe Rückschläge auf dem chinesischen Markt hinnehmen, brach der Absatz dort doch im vergangenen Jahr um knapp elf Prozent ein. Andererseits setzen sich Elektroautos in wichtigen Märkten wie Deutschland nicht so schnell wie erhofft durch. Das führt zu Bremsspuren in den Bilanzen der Autobauer. Audi wird am Dienstag in Ingolstadt dazu Details nennen. Auf Nachfrage machte das Unternehmen keine Angaben dazu, wie viele Stellen in Ingolstadt und wie viele in Neckarsulm der aktuellen Aktion zum Opfer fallen. Audi-Chef Gernot Döllner sagte nach dem Abschluss der Gespräche: „In den Verhandlungen gibt es einen klaren Gewinner: Audi.“ Das Unternehmen müsse schneller, agiler und effizienter werden. Für den Manager ist klar: „Ohne Personalanpassungen geht das nicht.“

Die Arbeitnehmer-Seite um Schlagbauer konnte indes „nach harten Verhandlungen“ durchsetzen, dass die Beschäftigungsgarantie und damit der Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen von jetzt Ende 2029 auf Ende 2033 um vier Jahre verlängert wird, was für Industriebetriebe in Deutschland eine aus Sicht der Beschäftigten vorteilhafte Regelung ist. Arbeitnehmer-Vertreter werteten es zudem als Erfolg, dass der Betriebsrat den Vorstand von seiner Strategie „Mehr Audi im Audi“ überzeugen konnte. Demnach sollen bis zu 1000 Stellen, die das Unternehmen in der Vergangenheit ausgelagert hat, wieder in die Firma zurückgeholt werden, was in der Fachsprache „Insourcing“ heißt.
Audi-Betriebsrat konnte einiges raushandeln
Schlagbauer und seinen Kolleginnen wie Kollegen ist es überdies gelungen, dem Vorstand abzuringen, dass Arbeitsplätze erst dann wegfallen, wenn der Schritt inhaltlich begründet ist. Die angepeilten Stellen-Streichungen treffen nicht die Beschäftigten in der Produktion, sondern die in den übrigen, also indirekten Bereichen arbeitenden Frauen und Männer. Genauere Angaben macht Audi hier nicht. Der Betriebsrats-Vorsitzende ist auf alle Fälle zufrieden, dass die Arbeitnehmerseite die Verlagerung von Teilen der Firma verhindern konnte. Das Unternehmen hatte, wie Arbeitnehmer-Vertreter während der Verhandlungen enthüllten, weitreichende Outsourcing-Pläne verfolgt. Schlagbauer nannte unserer Redaktion Bereiche wie den Vertrieb Deutschland, den Werkservice, also die Instandhaltung wie die Haus- und Hofmeisterei, sowie die Gastronomie. Der Betriebsrats-Vorsitzende stellte klar: „Da reden wir über rund 1600 Kolleginnen und Kollegen.“ Das ist alles vom Tisch.

Was die Gastronomie betrifft, ging es bei Audi im wahrsten Sinne des Wortes um die Wurst. Der Ingolstädter Schlagbauer ist als Oberbayer ein Freund der Weißwurst. So hatte er schon einmal IG-Metall-Chefin Christiane Benner zum Verzehr der bayerischen Spezialität empfangen und nach dem Anlass auf dem sozialen Netzwerk LinkedIn getextet: „Wir freuen uns über die Weißwürste und Wiener, die unsere hauseigenen Metzgereien für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jeden Tag frisch herstellen. Das ist auch echtes Audi-Gfuih und das lassen wir uns auch nicht nehmen.“ Der Betriebsratsvorsitzende hat Wort gehalten. Audi verzichtet generell auf die ursprünglichen Outsourcing-Pläne. Damit bleiben die Metzgereien und Kantinen Teil des Unternehmens. Der Betriebsratsvorsitzende ist zufrieden: „Die Audi-Weißwurst konnten wir verteidigen, weil es uns als Betriebsrätinnen und Betriebsräte nicht wurscht ist.“
Das Unternehmen rüttelt nach dem Deal auch nicht an den Jubiläums-Zahlungen, die Beschäftigte nach Erreichen bestimmter Dienst-Jahre bekommen. Die Arbeitnehmer-Repräsentanten konnten einiges für ihre Zustimmung zum Stellenabbau und den geplanten mittelfristigen Einsparungen von jährlich mehr als einer Milliarde Euro erstreiten. So investiert Audi bis 2029 rund acht Milliarden Euro in die deutschen Standorte.
Einkommen der Audi-Beschäftigten werden nicht angetastet
Was dem Betriebsrat und der Gewerkschaft IG Metall wichtig war: Die Monats-Einkommen der Beschäftigten werden nicht angetastet und die aktuellen Tariferhöhungen werden nicht verschoben. Schlagbauer sagte dazu: „Wir hatten einen klaren Auftrag der Belegschaft: das monatliche Grundeinkommen sichern! Standortübergreifend haben wir dieses Ziel erreicht.“ Hinzu kommt: Die vorteilhafte Kurzarbeitsregelung bei Audi bleibt erhalten. Mitglieder der IG Metall bei dem Autobauer erhalten ab 2026 einen Bonus von jährlich 1250 Euro von dem Unternehmen. Dafür muss es der Betriebsrat hinnehmen, dass die Audi-Ergebnisbeteiligung befristet im Volumen geschmälert wird. Neben dem Stellenabbau stellt das den härtesten Einschnitt für Mitarbeitende dar.
In dem Kompromiss-Paket stecken weitere interessante Nachrichten: Der Standort Ingolstadt bekommt zur besseren Auslastung die Produktion eines zusätzlichen Verbrenner-Modells zugeteilt. In dem Werk wird demnach die nächste Generation des Audi Q3 in Zusammenarbeit mit der ungarischen Fabrik in Győr gefertigt. Zudem verwies Döllner darauf, dass in Ingolstadt ein weiteres Elektro-Modell im Einstiegssegment gebaut wird. Details nannte er nicht. Der Autobauer prüft zudem, ob Neckarsulm ein weiteres Auto-Modell erhält. Zur Absicherung bildet Audi einen „Standortfonds Neckarsulm“ von 250 Millionen Euro. Das Werk soll als KI-und Digitalisierungszentrum für das Unternehmen ausgebaut werden. Mit einem weiteren Zukunftsfonds von ebenfalls 250 Millionen Euro unterstützt das Unternehmen neue Technologien und den dafür notwendigen Aufbau von Kompetenzen an beiden deutschen Standorten. Dabei hält Audi an der in der Vergangenheit beschlossenen Absenkung des Produktions-Volumens fest. So sollen in Neckarsulm pro Jahr weiter 250.000 statt früher 300.000 und in Ingolstadt 450.000 im Vergleich zu ehedem 600.000 Autos gebaut werden.
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