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Atomausstieg: So ist die Nacht des Atomausstiegs gelaufen

Atomausstieg

So ist die Nacht des Atomausstiegs gelaufen

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    Mit der Trennung der letzten drei Kernkraftwerke vom Stromnetz endete in der Nacht vom 15.04. auf den 16.04.2023 die Ära der kommerziellen Stromerzeugung mit Atomkraftwerken in Deutschland.
    Mit der Trennung der letzten drei Kernkraftwerke vom Stromnetz endete in der Nacht vom 15.04. auf den 16.04.2023 die Ära der kommerziellen Stromerzeugung mit Atomkraftwerken in Deutschland. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Die letzten Momente – sie müssen emotional gewesen sein im Kraftwerk Isar 2, das sich in der Gemeinde Essenbach in Niederbayern befindet, an der Isar. In der Nacht zum 16. April, ab 22 Uhr begann das Team die Leistung der Anlage schrittweise zu senken. Um 23:52 Uhr trennte sich der Generator dann automatisch vom Stromnetz, berichtet der Betreiber Preussen Elektra. "Die Abschaltung von Isar 2 ist ein routinemäßiger Vorgang, den wir jedes Jahr während der Abschaltung zur Revision durchgeführt haben – doch heute zum letzten Mal", erklärte Standortleiter Carsten Müller. "Damit endet die Ära der Stromerzeugung aus Kernkraft hier am Standort und in ganz Deutschland. Dieser Moment geht unserer Mannschaft und mir persönlich sehr nahe.“ Deutschland hat den Atomausstieg vollzogen. Auch die anderen letzten verbliebenen Atomkraftwerke in Neckarwestheim und im Emsland stellten fast zeitgleich ihren Betrieb ein. 

    Das Bedauern bei Preussen Elektra ist groß. Mit einer jährlichen Stromproduktion von etwa zwölf Milliarden Kilowattstunden habe Isar 2 rund zwölf Prozent des in Bayern verbrauchten Stroms geliefert. 3,5 Millionen Haushalte hätten damit "rund um die Uhr zuverlässig mit CO2-armem Strom" versorgt werden können. 

    Preussen-Elektra-Chef dankt den Beschäftigten von Isar 2

    "Den enormen Erfolg von Isar 2 verdanken wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Kraftwerken und der Unternehmenszentrale", würdigte Preussen-Elektra-Chef Guido Knott die Leistung des Teams. "Mit ihrem unermüdlichen Einsatz haben sie den Weiterbetrieb von Isar 2 ermöglicht und damit bis zum letzten Tag einen wertvollen Beitrag für eine sichere Stromversorgung in Deutschland geleistet." 

    Eigentlich hätten die Meiler bereits zum 31. Dezember 2022 abgeschaltet werden sollen. Durch den Krieg in der Ukraine und die Energiekrise sind sie nochmals bis 15. April dieses Jahres in den Streckbetrieb gegangen. 

    Jahrelang war um den Atomausstieg in Deutschland hart gerungen worden. Während Umweltschützer auf die Risiken der Atomkraft und den strahlenden Müll hinwiesen, machten sich Befürworter unter anderem Sorgen um die Stromversorgung, sollten die Meiler abgeschaltet werden. 

    Übertragungsnetzbetreiber Tennet meldet komplikationsfreien Betrieb

    Tatsächlich lief die Abschaltung aus Sicht der Übertragungsnetzbetreiber kontrolliert ab. Die Stabilität des Netzes war am Samstagabend nicht gefährdet. Der Netzbetreiber Tennet, in dessen Zuständigkeitsgebiet Isar 2 liegt, meldete einen normalen Netzbetrieb: "Ich kann nach Rücksprache mit unserer Schaltleitung bestätigen, dass die Abschaltung von Isar2 um 23:52 Uhr planmäßig und ohne jegliche Komplikationen verlaufen ist", sagte eine Sprecherin am Sonntag unserer Redaktion. Für die Bereitstellung von sogenannter Blindleistung zur Stabilisierung des Netzes habe man vorsorglich das Kraftwerk Zolling bereitgehalten. Das Kraftwerk in Zolling stützt sich auf mehrere Energieträger, darunter Steinkohle, Klärschlamm, Gas und Biomasse.

    Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, würde das AKW Isar 2 gerne in bayerischer Eigenregie weiterführen.
    Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, würde das AKW Isar 2 gerne in bayerischer Eigenregie weiterführen. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder hatte am Wochenende für Aufmerksamkeit mit seiner Forderung gesorgt, die drei abgeschalteten Atomkraftwerke doch weiterzubetreiben. Die Bundesländer könnten sie in Eigenregie übernehmen. Die Forderung stieß auf harte Kritik: "Söders Aussagen sind ein durchsichtiges Wahlkampfmanöver", sagte Grünen-Bundestagsfraktionschefin Britta Haßelmann. "Das Atomgesetz verlangt seit 2017 den unverzüglichen Abbau der AKW. Wenn Söder jetzt den Rückbau eines Atomkraftwerks verhindern oder verzögern will, muss geprüft werden, ob das nicht Haftungsansprüche gegenüber dem bayerischen Umweltministerium auslöst", drohte sie. "Ein bisschen Seriosität muss man doch auch von Markus Söder erwarten können."

    RWE-Chef fordert erneuerbare Energien und wasserstoffbetriebene Gaskraftwerke

    In München, Neckarwestheim und Lingen haben Atomkraftgegner die Abschaltung mit Festen gefeiert. "In Bayern geht ein jahrzehntelanger Kampf gegen die Atomkraft zu Ende – ein historischer Tag!", sagte Richard Mergner, Chef des Bund Naturschutz in Bayern. "Ich appelliere an die Parteivorsitzenden von CSU, Freie Wähler und FDP in Bayern, das Aus des Atomzeitalters in Deutschland auch zu akzeptieren und keine Verrenkungen mehr zu machen, um diese hochgefährliche und viel zu teure Technik wiederzubeleben."

    Das Interesse an einem Weiterbetrieb der Kraftwerke ist bei den Unternehmen nicht groß, das machte am Wochenende Markus Krebber deutlich, Chef des RWE-Konzerns, der das Kernkraftwerk im Emsland betrieb. "Das Ende der Kernenergie in Deutschland ist eine politische Entscheidung", sagte er. "Das Kapitel ist nun abgeschlossen."

    Ohne Atomstrom braucht es neue Arten der Energieerzeugung in Deutschland

    Dem Ausstieg muss aus Krebbers Sicht aber auch der Einstieg in neue Arten der Stromproduktion folgen: "Jetzt kommt es darauf an, die ganze Kraft dafür einzusetzen, neben erneuerbaren Energien auch den Bau von wasserstofffähigen Gaskraftwerken möglichst schnell voranzutreiben." Schließlich will Deutschland bis 2038 auch aus der Kohle aussteigen. 

    Die Pläne für die erneuerbaren Energien sind ambitioniert. Ob sie sich umsetzen lassen? Das muss jetzt bewiesen werden. 

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