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Streiks: Wird in Deutschland mehr gestreikt als in anderen EU-Ländern?

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    Die GDL darf weiter streiken. Trotz der großen Auswirkungen ist Deutschland im europäischen Vergleich eine moderate Streik-Nation.
    Die GDL darf weiter streiken. Trotz der großen Auswirkungen ist Deutschland im europäischen Vergleich eine moderate Streik-Nation. Foto: Hannes P. Albert, dpa

    Die GDL streikt weiter und weiter - gerade erst wieder gerichtlich genehmigt. Die Flugbegleiter streiken, im Handel gibt es immer wieder Ausstände, in Ingolstadt zieht ein langer Zug von Krankenkassenangestellten durch die Innenstadt - und pfeift, dass es in den Ohren saust. Am Montag machten die Ärzte der bayerischen Universitätskliniken Alarm. Und selbst da, wo man Ruhe finden könnte, auf und an den bayerischen Seen, wurde nun die Schifffahrt bestreikt. Deutschland - ein lahmer Dampfer? Könnte man meinen. Immer mehr Menschen lassen ihren inneren Claus Weselsky raus? Vielleicht.

    Die Deutschen sind im Streiken Mittelmaß

    Die Zahlen indes sehen ganz anders aus: Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung kommt in der jüngst verfügbaren Arbeitskampfbilanz für 2022 zu dem Ergebnis, dass die Deutschen gar nicht so wilde Sachen machen. Sowohl im internationalen Vergleich als auch über die Jahre sind die Deutschen Streik-Mittelmaß. Und Enzo Weber, Forscher am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg, hat aktuelle Zahlen: 2023 fielen in Deutschland pro Beschäftigten wegen Streiks rund sieben Minuten der Arbeitszeit aus. Also in einem ganzen Jahr. Auch hat er seit den 2010er-Jahren nur "einen leicht ansteigenden Trend" hin zu mehr Streiks ausgemacht. Denn, sagt der Arbeitsmarktexperte: "Wenn eine große Branche mal zwei Wochen streikt, dann überlagert das jeden Trend." 

    Auch die jetzigen Ausstände fielen von ihrem Umfang in Sachen ausgefallene Arbeitszeit kaum ins Gewicht. "Es gibt nicht so viele Lokführer", erklärt der Professor, "sie streiken nur an einer Stelle, wo es sehr viele Menschen betrifft." Die Gründe für den leichten Trend hin zu mehr Streiks sieht er in zunehmenden Engpässen am Arbeitsmarkt, weil die Arbeitnehmer wieder an einem längeren Hebel säßen. Und weil die Inflation hochschnellte, die Löhne aber nicht hinterherkamen. Weber sagt: "Die aktuelle Kaufkraft der Löhne ist im Vergleich fünf Prozent geringer als vor Ausbruch der Pandemie."

    Die Belgier streiken gerne und ausgiebig

    Ganz vorn dabei sind in Europa die Belgier. Im Königreich verzeichnete das WSI zwischen 2012 und 2021 im Jahresdurchschnitt knapp 96 Ausfalltage pro 1000 Beschäftigte. Ob bei der Polizei, Bahn, Post oder bei Fluggesellschaften, an Häfen, in Krankenhäusern, Industrieunternehmen oder Gefängnissen – der Ärger zieht sich regelmäßig durch zahlreiche Branchen. Gerade erst gaben die Gewerkschaften der Mitarbeiter der belgischen Haftanstalten bekannt, dass sie ab Donnerstag für 24 Stunden ihre Arbeit niederlegen. Die sozialistische Eisenbahnergewerkschaft hat das Land wie in der Vergangenheit auch dieses Jahr bereits für einige Tage zum Stillstand gebracht. 

    Und im Frühjahr 2023 traten die Angestellten der viertgrößten europäischen Supermarktkette Delhaize in den Streik – monatelang waren zahlreiche Filialen geschlossen. Mehr als 1000 Putzkräfte, die über die staatlich geförderten Dienstleistungsschecks bezahlt werden, streikten 2021 für mehr Lohn. Und Belgiens Frauen rufen am Internationalen Frauentag mittlerweile jährlich zum Ausstand auf. In Belgien sind sowohl direkte als auch indirekte Streiks erlaubt, rein politische Arbeitskämpfe jedoch nicht. Das heißt, dass eine Niederlegung der Beschäftigung rechtswidrig ist, wenn sie sich lediglich gegen die Regierung richtet und nicht im Zusammenhang mit sozialen Fragen steht. 

    2022 gab es in Italien 1129 Streiks

    Der CGS, der überaus bedeutsamen Kommission zur Gewährleistung der Umsetzung des Streikrechts, kommt dabei als unabhängigem Aufsichtsgremium eine besondere Rolle zu. Das fünfköpfige Gremium wacht über die Einhaltung der Streikregeln und kann bei Verstößen Sanktionen verhängen. Jährlich erstattet die CGS dem Parlament Bericht. 

    In ihrem aktuellen Bericht schreibt Präsidentin Orsola Razzolini, „anders als in anderen europäischen Ländern“ dürfe ein Streik in Italien „nicht die völlige Beeinträchtigung der erbrachten wesentlichen öffentlichen Dienstleistungen umfassen“. Zuletzt ging die Zahl der Streiks in Italien zurück. 2017 wurde branchenübergreifend 1617 Mal gestreikt, während der Pandemie reduzierte sich die Zahl auf 894. 2021 waren es 1009 Streiks und 2022 1129. 

    In Großbritannien wurde das Streikrecht eingeschränkt

    Inflation und zu geringe Löhne sorgen auch in Großbritannien für regelmäßige Streiks: Allein zwischen Juni und Dezember 2022 fielen auf der Insel nach Angaben des nationalen Statistikamts fast 2,5 Millionen Arbeitstage aus, 843.000 davon im Dezember. Auch in diesem Jahr kam es zu Ausfällen. Im Februar legten etwa Lokführer und Jungärzte erneut für mehrere Tage ihre Arbeit nieder. 

    Als Reaktion auf die massenhaften Ausstände hat London im vergangenen Jahr das Streikrecht eingeschränkt. Mit dem sogenannten „Strikes (Minimum Service Level) Act 2023“ können Arbeitgeber in einer Reihe von kritischen Sektoren, wie dem Gesundheits-, dem Transport- und Bildungswesen, Vorschriften erlassen, nach denen an bestimmten Streiktagen eine Mindestversorgung gewährleistet sein muss. Für den Schienenverkehr soll diese beispielsweise bei 40 Prozent liegen. Die Betriebe müssen vor einem geplanten Ausstand das Personal benennen, das sie für die Aufrechterhaltung des festgelegten Niveaus für erforderlich halten. Gehen diese Angestellten dennoch streiken, droht ihnen die fristlose Kündigung. 

    Auch Frankreich ist streikfreudig

    Laut WSI lag Frankreich mit 92 Ausfalltagen pro 1000 Beschäftigten in den Jahren 2012 bis 2020 nur einen Platz hinter Belgien. Französische Beamte haben grundsätzlich das Recht zu streiken, allerdings bestehen einige Ausnahmen. Diese gelten für Mitglieder des Militärs und der nationalen Polizei, Justizbeamte, Gefängniswärter sowie das vom Innenministerium angestellte Personal, das sich um IT-Geräte sowie Überwachung und Aufbewahrung von Daten kümmert. 

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