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Lesetipp: Macht Freizeit glücklicher als Geld? Eine Forscherin klärt auf

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Macht Freizeit glücklicher als Geld? Eine Forscherin klärt auf

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    Viele Menschen haben das Bedürfnis nach mehr Freizeit.
    Viele Menschen haben das Bedürfnis nach mehr Freizeit. Foto: Monika Skolimowska, dpa

    Zeit ist kostbar. Gerade im Alltag wird das vielen Menschen bewusst, wenn außerhalb der Arbeit wenig Raum für Freunde, Hobbys oder zum Abschalten bleibt. Nicht nur die junge Generation Z stellt deshalb etablierte Konzepte wie die 40-Stunden-Woche infrage. Alternative Modelle werden heiß diskutiert. Laut einer Studie der Versicherung HDI aus dem vergangenen Jahr würden 48 Prozent der Vollzeit-Beschäftigten in Deutschland in Teilzeit wechseln, wenn sie vom Arbeitgeber die Möglichkeit dazu bekämen, drei Viertel aller Beschäftigten plädieren für die Einführung der Vier-Tage-Woche in ihren Unternehmen. Die Kehrseite der Medaille: weniger Arbeitszeit bedeutet in aller Regel auch weniger Geld. Doch macht Geld überhaupt glücklich?

    Forschung: Geld macht bis zu einer gewissen Summe glücklich

    Die Glücksforschung liefert darauf eine bemerkenswerte Antwort. Expertin Annegret Braun verrät: "Untersuchungen zeigen, dass Geld bis zu einer gewissen Summe glücklich macht." Die Kulturwissenschaftlerin setzt sich an der Ludwig-Maximilians-Universität in München schon seit Jahren immer wieder mit dem Thema Glück auseinander. Beim Geld geht es dabei nicht um einen exakten Betrag, sondern um die Grundbedürfnisse. Solange Menschen sich über die Kosten für Miete, Essen und Freizeitspaß Gedanken machen müssen, hat Geld eine große Auswirkung auf das Glücksempfinden. Verdient man über diese Grenze hinaus, sinkt der Einfluss.

    Mehr Geld wünschen sich trotzdem die Meisten. Studien zeigen, sagt die Wissenschaftlerin, dass sich Menschen generell rund 20 Prozent mehr Einkommen erhoffen – und zwar unabhängig von der Höhe ihres Verdienstes. Bekommen sie eine Gehaltserhöhung oder werden befördert, sind sie erst einmal glücklicher. So lange bis sie sich an den neuen Zustand gewöhnt haben. Dann fallen die Nachteile wie längere Arbeitszeiten wieder stärker ins Gewicht, das Glücksempfinden nimmt ab und der Wunsch nach mehr Gehalt wird wieder größer.

    Geld oder Freizeit? Das sagen Menschen aus der Region

    Doch Geld ist nicht alles. Welche Rolle Freizeit in ihrem Alltag spielt, das haben uns Menschen aus der Region verraten. Denise Konle aus Lauingen arbeitet als Verkäuferin in einer Metzgerei. Seit der Pandemie arbeitet die 37-Jährige nur noch vier Tage in der Woche, zuerst unfreiwillig. In der Kurzarbeit lernte sie aber ihre neu gewonnene

    Ähnlich sieht das Anna-Lena Bauer, die im öffentlichen Dienst arbeitet. Jeden Tag bis halb fünf, fünf im Büro zu sitzen – "das Geld ist es mir nicht wert", sagte sich Bauer, die seit einigen Monaten statt 40 nur noch 35 Stunden pro Woche arbeitet. Dafür verzichtet sie auf rund 250 Euro. "Geld macht zufrieden, aber allein halt nicht glücklich", findet die Augsburgerin. Ihr Fazit: "Geld ist weniger wert als Freizeit." Doch es käme auch auf die Lebensumstände an. Hätte sie Kinder und müsste stärker aufs Geld achten, hätte sie die Entscheidung möglicherweise nicht getroffen, glaubt sie.

    Weniger Arbeitszeit führt oft zu Nachteilen im Job

    Dass das Thema aber durchaus polarisiert, zeigen die Antworten auf eine Umfrage unserer Redaktion auf Facebook. Ein Nutzer schreibt: "Aber später meckern, dass die Rente zu wenig ist." Ein anderer glaubt: "Ich denke nicht, dass einer dieser Vier-Tage-Woche-Aktivisten auf Geld verzichten will." Bei anderen geht es schlichtweg nicht. So schreibt eine Leserin: "Wenn's mir nicht finanziell das Genick brechen würde, 4-Tage-Woche."

    Wissenschaftlerin Annegret Braun erklärt, dass mehr Menschen ihre Arbeitszeit reduzieren würden, wenn sie dadurch keine Nachteile im Job hinnehmen müssten. Wollen Menschen etwa eine Führungsposition erreichen, lässt sich das meist nicht damit vereinbaren, weniger Stunden oder Tage zu arbeiten.

    Alternative Modelle lassen sich nur schwer auf dem Arbeitsmarkt durchsetzen

    Dabei gibt es bereits einige Firmen, die Führungspositionen mit Menschen besetzen, die sich im Rahmen eines Jobsharings eine Stelle teilen. Andere haben die 4-Tage-Woche eingeführt oder flexible Stundenmodelle erprobt. Obwohl Studien zeigten, dass die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dadurch erhöht würde, "lassen sich diese Modelle nur schwer auf dem Arbeitsmarkt durchsetzen", sagt Braun.

    "Work-Life-Balance" ist das geflügelte Wort, das dem Wunsch nach einem ausgeglichenen Zustand zwischen Berufs- und Privatleben seit einigen Jahren Ausdruck verleiht. Doch Braun findet den Begriff trügerisch. Er suggeriere, dass es auf der einen Seite das Leben und auf der anderen Seite die Arbeit gebe. "Das Leben findet aber nicht nur außerhalb des Berufs statt", sagt die Wissenschaftlerin. Die Menschen müssten Wege finden, die Arbeit in die Lebensqualität zu integrieren.

    Je sinnstiftender eine Arbeit ist, desto glücklicher macht sie

    Warum das wichtig ist? Weil der richtige Job die Menschen ebenfalls zufrieden macht. In der Wissenschaft ist man sich über einen Grundsatz einig, verrät Braun: Glück entsteht durch das Tun. Schließlich könne man bei der Arbeit seine Begabungen einbringen. Wenn das Verhältnis zwischen den Herausforderungen und den eigenen Fähigkeiten stimme, mache das besonders glücklich. Die Arbeitsbedingungen seien dabei sehr wichtig. Wird den ganzen Tag nur im Neonlicht gearbeitet? Ist es ein kreativer Beruf? Ist der Job vielseitig? Je sinnstiftender eine Arbeit sei und je mehr die Menschen ihren Job gestalten könnten, desto glücklicher mache es sie, erklärt die Wissenschaftlerin.

    Und noch aus einem anderen Grund spielt die Arbeit eine wichtige Rolle: "Beziehungen sind eine große Glücksquelle für Menschen", sagt Braun – und im Job pflegt man bekanntlich viele davon, zu Kolleginnen und Kollegen. Viel Zeit bei der Arbeit zu verbringen, kann also durchaus glücklich machen. Dagegen ist auch Freizeit nicht gleich Freizeit, erklärt die Expertin. Nur wer mit seiner Freizeit etwas anzufangen wisse, sei glücklicher. Sonst könne auch dadurch das Glücksempfinden sinken.

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