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Ankerkraut verkauft an Nestlé: Ruf ruiniert?

Gewürzhersteller

Nestlé schluckt Ankerkraut: Marke verkauft, Ruf ruiniert?

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    In der Fernsehshow „Die Höhle der Löwen“ wurde die Gewürzmarke Ankerkraut bundesweit bekannt – und attraktiv für Großkonzerne.
    In der Fernsehshow „Die Höhle der Löwen“ wurde die Gewürzmarke Ankerkraut bundesweit bekannt – und attraktiv für Großkonzerne. Foto: Imago Images

    Wer in der Höhle der Löwen bestehen will, muss eine gute Geschichte erzählen. Immer öfter geht diese Geschichte so: Eine kleine Firma, am besten von zwei alten Freunden oder von einem Paar gegründet, hat eine kreative Idee und nimmt es mit den ganz Großen der Branche auf. David gegen Goliath, regional gegen global, Familienbetrieb zum Anfassen gegen anonymen Konzern. Anne und Stefan Lemcke haben in der Gründershow „Die Höhle der Löwen“ eine solche Geschichte erzählt.

    Das Ehepaar aus Norddeutschland verkauft Gewürze und baut mit der Marke Ankerkraut einen sympathischen Underdog in diesem Markt auf. Doch vor wenigen Tagen nimmt die Story eine Wendung, die vielen Kundinnen und Kunden gar nicht schmeckt.

    Als bekannt wird, dass Nestlé Ankerkraut übernimmt, bricht ein Shitstorm los

    Als im April bekannt wird, dass Ankerkraut einen neuen Mehrheitseigentümer bekommt, bricht ein regelrechter Shitstorm los. Denn der Investor gilt für viele Menschen als Inbegriff des profitorientierten und skrupellosen Großkonzerns. Ankerkraut gehört nun zu Nestlé, treue Kunden wenden sich ab, bekannte Influencer wollen nicht mehr für die Gewürze aus Hamburg werben. Das sorgsam kultivierte Image des kleinen, aber feinen Familienbetriebs bröckelt. Markenforscher Oliver Errichiello kennt solche Geschichten zu Genüge. Nicht immer gehen sie gut aus.

    „Die meisten Menschen lieben das Besondere, sie wollen individuell sein, nicht Masse“, sagt der Professor für Markenmanagement. Darin sieht er den Erfolg von authentischen Start-ups wie Ankerkraut begründet. „Marken sind positive Vorurteile in den Köpfen der Menschen“, erklärt Errichiello. Für Investoren wie Nestlé wiederum bieten solche Übernahmen in mehrfacher Hinsicht die Chance, das eigene Image aufzupolieren. „Firmen wie Ankerkraut werden von großen Konzernen gerne genommen, weil sie diese mit einer Glaubwürdigkeit ausstatten, die sie selber nicht mehr erreichen können. Man sonnt sich im Schein dieser Marken“, sagt der Soziologe.

    Dabei geht es im Übrigen nicht nur um die Kundschaft, sondern auch darum, sich in Zeiten des Fachkräftemangels als Arbeitgeber attraktiv zu machen. „So kann man sagen: Wir sind nicht nur ein großer Konzern, sondern wir sind ein cooles Unternehmen, das hippe Marken integriert.“

    Ob diese Marken auch hipp bleiben, hängt aus Errichiellos Sicht vor allem damit zusammen, wie viel Zeit man ihnen gibt. Deshalb sieht er Formate wie die „Höhle der Löwen“ kritisch. „Da geht es ja darum, dass ich in möglichst kurzer Zeit das Ding groß mache. Wir wissen aber: Alles, was schnell entsteht, vergeht genauso schnell auch wieder“, warnt er. Um eine Marke wirklich in den Köpfen zu verankern, müsse man mit zehn bis 20 Jahren rechnen. Doch vielen Firmen fehle die Geduld dafür.

    Der Fall Bionade sollte Ankerkraut eine Warnung sein

    Ankerkraut könnte mit dem Nestlé-Deal sein Wachstum zwar beschleunigen. Wie schmal der Grat ist, auf dem sich die Hamburger Gründer dabei bewegen, zeigt allerdings der Fall Bionade. Die nachhaltige Bio-Limo aus Unterfranken wurde zu Beginn des Jahrtausends zum Kultgebräu einer ganzen Generation, vor allem im großstädtischen Milieu.

    Das weckte Begehrlichkeiten bei Konkurrenten. Sogar die Getränkeweltmacht Coca-Cola legte damals ein Übernahmeangebot vor, doch die Unternehmensleitung widerstand – was den „David gegen Goliath“-Faktor zunächst sogar noch verstärkte.

    Bionade war Kult, bis die Marke verkauft wurde.
    Bionade war Kult, bis die Marke verkauft wurde. Foto: dpa

    Wenige Jahre später übernahm dann allerdings die Radeberger-Gruppe Bionade – zum Unmut der Stammkundschaft. Die neuen Eigentümer überwarfen sich mit den Gründern und konnten die Erfolgsgeschichte nicht fortschreiben, auch weil schon bald Nachahmerprodukte auf den Markt drängten, die neue Geschichten zu erzählen hatten. Nach gut zehn Jahren verkaufte Radeberger Bionade ernüchtert weiter.

    Die Übernahme von Basic durch den Lidl-Mutterkonzern platzte

    Noch schneller wurde die heftig umstrittene Liaison zwischen Basic und Lidl geschieden. Als im Sommer 2007 bekannt wurde, dass der Mutterkonzern des Discount-Riesen sich an der aufstrebenden Bio-Supermarkt-Kette beteiligt und sogar ein Übernahmeangebot vorgelegt hatte, liefen viele Kunden Sturm. Der Deal platzte noch im selben Jahr – auch aufgrund des öffentlichen Drucks, wie Basic einräumte. Das Image der Bio-Läden war nachhaltig ramponiert.

    Drohen Ankerkraut durch den Pakt mit Nestlé ähnliche Turbulenzen? Markenforscher Errichiello hält das nicht für ausgemacht. „In erster Linie kaufen Menschen Leistungen. Sie machen eine positive Erfahrung mit einem Produkt und sagen dann ihren Freunden: Musst du auch kaufen“, sagt er. „Eine eigene Marke entsteht erst daraus, wenn diese Leistung mit einem emotionalen Mehrwert aufgeladen wird.“ Die Kunst bestehe nun darin, die aufgebaute Erwartungshaltung weiterhin zu erfüllen.

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