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Analyse: Profitiert China vom Krieg in der Ukraine?

Analyse

Profitiert China vom Krieg in der Ukraine?

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    Es ist erst wenige Wochen her, als Russlands Machthaber Wladimir Putin in China bei der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele zu Gast war.
    Es ist erst wenige Wochen her, als Russlands Machthaber Wladimir Putin in China bei der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele zu Gast war. Foto: Imago Images, Russian Look

    Die Bilder von Wladimir Putin und Xi Jinping bei der Eröffnung der Olympischen Spiele vor wenigen Wochen, verdichteten den Eindruck einer sich vertiefenden Allianz von Russland und China. Putin war in Peking überaus freundlich begrüßt worden, man versprach sich „grenzenlose Freundschaft“. Das war vor dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Und jetzt? Die Position Chinas ist mindestens ambivalent. Und Peking hält sich – jedenfalls für den Moment – nach wie vor mit direkter Kritik am russischen Machthaber zurück. Belastet der Krieg aber die „grenzenlose Freundschaft“ das Verhältnis zunehmend? Oder könnte China sogar ökonomisch von den gegen Russland verhängten Sanktionen profitieren und die globale Machtposition im Welthandel stärken?

    Die Meinungen gehen auseinander, die Situation ist komplex. Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler vertritt auf Anfrage unserer Redaktion die Position, dass China profitieren wird. Warum? „Weil Russland durch die Sanktionen des Westens, wenn sie denn greifen, in die Arme Xi Jinpings getrieben wird – und China ist dabei der wirtschaftlich und demografisch mächtigere Akteur.“ Was nun entstehe, sei eine für den Westen „unkomfortable Allianz“. Aber, so Münkler weiter, „sie ist nun einmal das, womit wir rechnen müssen.“

    Chinas Handelsvolumen mit Russland beträgt knapp 150 Milliarden Dollar

    Chinas Handelsvolumen mit Russland beträgt knapp 150 Milliarden Dollar. Es ist noch nicht so hoch wie das zwischen Moskau und der Europäischen Union, aber es steigt. Zudem wäre es nicht das erste Mal, dass die Volksrepublik China die Sanktionspolitik des Westens unterläuft. Als die USA beispielsweise das nordkoreanische Regime aufgrund seines Atomprogramms in die Knie zwingen wollten, hielt Peking den Nachbarstaat mit seinen Handelslieferungen künstlich am Leben.

    Alexander Sandkamp ist am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) mit Außenhandelsfragen befasst und hat Fernost-Expertise. Die Frage, ob China von diesem Krieg profitiert, ist nicht eindeutig zu beantworten. So erwartet Sandkamp in einigen Sektoren - bei Öl oder Gas - „erhöhte Exportaktivitäten von Russland nach China“. In anderen Sektoren aber könnte der wechselseitige Handel abnehmen. Wenn Europa und die USA, wenn der „Westen“ aber nicht mehr mit Russland Handel treiben, Geräte und Maschinen liefen, dann tut das aber doch vermehrt China, oder? Ökonom Sandkamp bleibt abwartend. Er sagt: „Für Chinas wirtschaftlichen Aufstieg dürften diese Handelsumlenkungen keine große Rolle spielen, selbst wenn Russland sich stark in Richtung China orientiert.“

    Ein paar Zahlen dazu: Im Jahr 2020 gingen nur knapp zwei Prozent der chinesischen Exporte nach Russland. Gleichzeitig kamen knapp 23,7 Prozent der russischen Importe aus China. Selbst wenn Russland nun vermehrt aus China importiert, dürften sich laut Sandkamp die Auswirkungen auf China in Grenzen halten. Ähnlich sieht es bei den russischen Exporten aus. So gingen knapp 14,6 Prozent der russischen Exporte nach China, allerdings kamen nur knapp 2,8 Prozent der chinesischen Importe aus Putins Reich.

    Verschlechtert sich Chinas Verhältnis zum "Westen"?

    Die Lage Chinas ist in diesen Kriegstagen heikel. Das sieht auch Sandkamp so, denn: „Je nachdem wie sich China in diesem Konflikt positioniert, besteht sogar die Gefahr, dass sich die chinesischen Beziehungen zum politischen Westen weiter verschlechtern, was für alle Beteiligten negativ wäre.“ Außerdem dürfte auch die chinesische Wirtschaft unter steigenden Preisen von Öl, Gas und Nahrungsmitteln leiden.

    China, davon ist der Europaparlamentarier Markus Ferber (EVP) überzeugt, beobachtet die Situation in der Ukraine und die Reaktion des Westens „ganz genau“. Nicht zuletzt wegen der Taiwan-Frage. Zugleich aber, sagt Ferber, ist es für eine „tief in die Weltwirtschaft integrierte Volkswirtschaft wie China niemals gut, wenn es zu größeren kriegerischen Auseinandersetzungen kommt“. Absatzmärkte fallen weg und Lieferketten können unterbrochen werden. Mittelfristig aber könnte China „einer der Profiteure sein, wenn die westlichen Wirtschaftssanktionen für längere Zeit greifen und Russland sich in Folge dessen beim Export bestimmter Rohstoffe oder Energieträger umorientieren müsste.“ Das wäre „eine Chance“ für China „zu günstigen Konditionen in die Lücke zu stoßen“. Auf der anderen Seite tun sich damit auch neue Absatzmärkte für chinesische Produkte auf, die dann westliche Exporte ersetzen.

    Europa-Abgeordneter Markus Ferber: EU muss schneller und entschlossener werden

    Zugleich, gibt der Sprecher der EVP-Fraktion im Ausschuss für Wirtschaft und Währung zu bedenken, müsse man berücksichtigen, dass China „sicherlich nicht alle Güter und Dienstleistungen aus Europa eins zu eins ersetzen kann.“ Wartungsarbeiten an Airbus-Flugzeugen etwa würden sich zum Beispiel nicht so einfach von chinesischen Dienstleistern erbringen lassen. Hier also gebe es „keine direkten Substitutionseffekte“. Ferber bilanziert: „Insgesamt kann die Auseinandersetzung, gerade wenn sie länger andauert, sicherlich eine Blockbildung zwischen Russland und China weiter befördern. Russland ist aber global gesehen kein riesiger Wirtschaftsfaktor und einige Prozentpunkte mehr Handel zwischen Russland sind für die chinesische Außenhandelsbilanz ein überschaubarer Effekt. Bedeutender ist eher die strategische Allianz zwischen Russland und China.“ Und das wiederum setzt Europa noch mehr unter Druck, „schneller und entschlossener“ zu Entscheidungen zu kommen. Ferber fordert etwa, dass dazu in der Außenpolitik der EU das Einstimmigkeitsprinzip fallen muss.

    Je länger der Krieg dauert, könnte er aber eben auch die das Verhältnis von China und Russland – in der Dreiecksbeziehung mit dem „Westen“ belasten. Der politische Druck steigt, dass Xi den Angriffskrieg Russlands verurteilt und seinem strategischen Partner in Moskau keinen ökonomischen Rettungsanker zuwirft, um die Sanktionen zu umgehen, steigt. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich etwa rief in der Sondersitzung des Bundestags in Richtung China: „Präsident Xi, ändern Sie Ihren Kurs. Stoppen Sie den Krieg Putins. Nur dann kann China eine internationale Ordnung für den Frieden in Zukunft mit prägen“.

    Xi und Putin eint ihre Opposition gegenüber den USA

    Das Bündnis zwischen Russland und China ist vor allem eine Zweckgemeinschaft. Xi und Putin eint ihre Opposition gegenüber den Vereinigten Staaten und ihrer hegemonialen Weltordnung, und beide brauchen sich auf dem internationalen Parkett. Die Volksrepublik wird sich wohl erst dann von Putin distanzieren, wenn die politischen und wirtschaftlichen Kosten deutlich dem strategischen Nutzen seiner Partnerschaft mit Russland übersteigen.

    Alle Informationen zur Eskalation erfahren Sie jederzeit in unserem Live-Blog zum Krieg in der Ukraine.

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