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Analyse: Audi darf nicht zu einer Filiale der VW-Stammburg in Wolfsburg werden

Analyse

Audi darf nicht zu einer Filiale der VW-Stammburg in Wolfsburg werden

Stefan Stahl
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    VW will stärker bei Audi reinregieren.
    VW will stärker bei Audi reinregieren. Foto: Uli Deck, dpa

    Im Volkswagen-Reich stimmt etwas nicht. Allein der Blick auf die Halbwertszeit von Spitzen-Managern belegt das. So darf Markus Duesmann nur drei Jahre und fünf Monate an der Spitze der Ingolstädter VW-Tochter Audi stehen, dann muss er am 1. September dem Volkswagen-Mann Gernot Döllner weichen.

    Duesmanns Vorgänger Bram Schot schaffte es nur ein Jahr und drei Monate, auf dem Chef-Sessel der Marke mit den vier Ringen Platz zu nehmen. Die Spitzenposition in Ingolstadt ist zum Schleudersitz geworden. Dabei war Schot erfolgreich. Er handelte mit dem überaus selbstbewussten Betriebsrat das Programm "Audi.Zukunft" aus – und das in für den Konzern ungewöhnlich geräuschloser Weise.

    Erfolg allein reicht bei Volkswagen nicht

    Schot und die Arbeitnehmerseite einigten sich auf den Abbau von maximal 9500 Arbeitsplätzen bis 2025. Die Stellen fallen "sozialverträglich" weg. Gleichzeitig kommen bis zu 2000 neue Arbeitsplätze in Zukunftsfeldern wie der Software-Entwicklung hinzu. Der Dreiklang lautet: Abbau, Umbau und Aufbau. Tausende Beschäftigte werden für die Transformation der Branche, also den Wandel von der Verbrenner- zur Elektro-Welt, qualifiziert. Audi wird durchgerüttelt. Schot hat das gut organisiert und brachte nach dem tiefen Fall des langjährigen Audi-Chefs Rupert Stadler wieder Ruhe in den Diesel-Skandal-Laden.

    Der Vertrag eines solch erfolgreichen Managers, könnten Außenstehende denken, hätte von den Eigentümern mit Kusshand verlängert werden müssen. Doch in der Volkswagen-Welt gelten andere, ruppigere Gesetze. Schot ist zwar ein empathischer Mensch, wie ihn sich Angestellte wünschen. In der Wolfsburger Mäkel-Republik wurde aber moniert, ein Vertriebs-Mann und Nicht-Techniker wie der Niederländer könne nicht das Audi-Marken-Versprechen "Vorsprung durch Technik" einlösen. Dabei wurde verdrängt, dass der im Diesel-Skandal zu einer Bewährungsstrafe verurteilte Stadler Betriebswirt ist und trotzdem elf Jahre an der Audi-Spitze ausharrte. Schot musste gehen.

    VW hat einen Super-Techniker gesucht

    Ein Superman musste her, eben ein Wunder-Techniker, der den vom einstigen VW-Chef Herbert Diess radikal eingeforderten Elektro-Schwenk traumwandlerisch sicher vorantreibt und alle Kräfte im Volkswagen-Imperium glücklich macht. Das ist ein nahezu unmögliches Unterfangen: Denn auf der einen Seite steht die starke Arbeitnehmer-Truppe, die ihre Macht aus einer überdurchschnittlich hohen Zahl an Gewerkschaftsmitgliedern speist. Dass die Betriebsräte derart einflussreich sind, verdanken sie zudem einem schlagkräftigen Verbündeten: Denn das SPD-regierte Niedersachsen ist nach den Familien Porsche und Piëch der wichtigste VW-Aktionär. Die beiden letzteren, weit verzweigten Clans, die sich in der Vergangenheit schon kräftig bekämpft haben, bilden den dritten Power-Block.

    Was dabei für eine Aktiengesellschaft mit mehr als 675.000 Beschäftigten einmalig sein dürfte: Die Mannschaft aus Betriebsrat und Niedersachsen ist in etwa so durchsetzungsstark wie das Porsche-Piëch-Kapitalisten-Team. So muss bei VW die Quadratur des Kreises gelingen: Die Beschäftigten-Vertreter sind nur dann kompromissbereit, wenn die Werke gut ausgelastet sind. Die Arbeitgeberseite fordert ordentliche Renditen ein. Und technisch, da sind sich beide Parteien einig, muss VW mit all seinen Marken mit im Spitzenfeld fahren.

    An solch insgesamt überzogenen Erwartungen können Manager nur scheitern. Weil Schot nicht alle Kriterien der VW-Wünsch-dir-was-Liste erfüllt hat, wurde mit Markus Duesmann ein Spitzen-Manager von BMW in die Volkswagen-Hemisphäre gelockt. Ähnlich wie beim FC Bayern Trainer munter gefeuert werden, wenn sie nur gut, aber nicht überragend sind und mindestens zwei Titel holen, ist der Mann aus München in die Wolfsburger Falle überzogener Erwartungen getappt. Es reichte für Duesmann nicht, prima Geschäftszahlen für das vergangene Jahr abzuliefern. Dass Audi den Gewinn nach Steuern von 5,65 auf sehr gute 7,12 Milliarden Euro gesteigert hat, war den Herren in

    VW ist der FC Hollywood der Autoindustrie

    Um wieder mal einen Manager zu schassen, werden gerne böse Gerüchte gestreut, etwa, dass Duesmann nicht nahe genug am Audi-Entwickler-Team dran gewesen sei und dort deshalb den Spitznamen "Das Phantom" verpasst bekommen habe. Der Manager ist stark durch die unaufgeregte, aber erfolgreiche BMW-Kultur geprägt, in der Konflikte rechtzeitig hinter den Kulissen ausgeräumt werden. Anders als in Wolfsburg.

    Dass Volkswagen-Chef Oliver Blume mit dem Rausschmiss Duesmanns ausgerechnet als selbst erklärter Team-Spieler das erste große Foul begeht, mag seine Macht in Wolfsburg erst mal zementieren. Als Kapitän gliedert er Audi stärker in die VW-Spielgemeinschaft ein und kann über seinen Vertrauten, den neuen Herrn der Ringe, Gernot Döllner, stärker Ingolstadt seine Spiel-Philosophie überstülpen. Audi darf indes nicht zu einer Filiale der VW-Stammburg in Wolfsburg werden. Sonst besteht die Gefahr, dass die einst von Volkswagen-Patriarch Ferdinand Piëch geschaffene Ingolstädter Erfolgsmentalität, die auch auf Eigenständigkeit beruht, Schaden nimmt.

    Blume geht volles Risiko, indem er den Konzern auf sich ausrichtet. Schlittert Volkswagen in eine Krise und muss Arbeitsplätze abbauen, ist die Freundschaft mit den Betriebsräten schnell dahin. Die Risiken sind groß: Im für den Konzern so wichtigen chinesischen Markt kommen VW und Audi mit ihren Elektroautos nicht an. In Deutschland dominiert Tesla die Autobahnen. Und chinesische Elektrowagen-Anbieter werden zunehmend mit günstigen Wagen den deutschen Markt aufrollen. Damit fügen sie vor allem der Kernmarke VW und damit Blume Schmerzen zu. Duesmann sagte einmal, Audi-Chef sei sein Traum-Job. Die Tätigkeit eines Spitzen-Managers kann sich rasch in einen Albtraum verwandeln.

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