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Aktienkonzerne: Aktivistengruppe nutzt Hauptversammlungen, um Vorstände zu kritisieren

Aktienkonzerne

Aktivistengruppe nutzt Hauptversammlungen, um Vorstände zu kritisieren

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    Aurubis-Kupferproduktion am Standort Hamburg.
    Aurubis-Kupferproduktion am Standort Hamburg. Foto: Marcus Brandt, dpa

    Sie kaufen eine Aktie großer Konzerne oder lassen sich das Stimmrecht von Aktionären übertragen, damit sie sich auf den jährlichen Hauptversammlungen der Aktiengesellschaften als Redner für mehr Klimaschutz, für die Einhaltung von Arbeits- und Menschenrechten und eine Abkehr von der Profitorientierung einsetzen können. Die Rede ist vom Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Wegen Corona konnte er seinen Protest lange nur auf virtuellen Hauptversammlungen äußern – bei der Hauptversammlung der Aurubis AG, des größten europäischen Kupferkonzerns, kürzlich in Hamburg wurde wieder der direkte Kontakt zu den übrigen Aktionären gesucht. 

    "Menschenrechte und Umwelt schützen – Lieferkettengesetz befolgen!" – so steht es groß auf einem Transparent, an dem die Besucher der Hauptversammlung vorbeilaufen. Mit dem Transparent unterstreichen Aktive ihre Ablehnung der Geschäftspolitik von Aurubis. Bei der plakativen Aktion vor der Veranstaltungshalle bleibt es nicht – Markus Dufner, Geschäftsführer der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, weist in seiner Rede auf die Umweltzerstörung eines Aurubis-Partners in Chile hin, die unter anderem zu einer fünfmal höheren Krebsrate in der dortigen Minenregion führe.

    Der Vorstand muss direkt auf unangenehme Fragen antworten

    "Warum ignoriert Aurubis Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen beim Kupferabbau in Südamerika?", fragt Dufner in Richtung Konzernführung, verbunden mit dem Antrag, Aufsichtsrat und Vorstand nicht zu entlasten und auf die geplante Ausschüttung der Dividende in Höhe von 79 Millionen Euro an die Aktionäre zugunsten einer Rücklage zur Absicherung der Risiken zu verzichten. Dufner weiß: Sein Antrag hat keine Chance auf Erfolg, denn bei der Abstimmung hat nicht jeder Aktionär eine Stimme, sondern es geht nach der Zahl der Aktien. Trotzdem ist er zufrieden, muss die Unternehmensleitung doch auf seine Fragen auf der Hauptversammlung eingehen und Missstände werden so einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Zudem muss der Vorstand direkt Auskunft zu unangenehmen Fragen geben, die er sonst häufig nur ausweichend, erst nach langer Wartezeit oder gar nicht beantwortet.

    Conny Folger unterstützt die Kritischen Aktionäre, indem sie ihnen ihr Stimmrecht bei Hauptversammlungen überträgt. Die ehemalige Schulleiterin aus München hat von einem Onkel Aktien unter anderem von BMW geerbt. Für ihr Aktienpaket bekommt sie jedes Jahr als Dividende einen niedrigen vierstelligen Eurobetrag. "Auf dieses Geld kann ich verzichten. Wichtiger als die Auszahlung von Dividenden wären mir ordentliche Löhne in allen Werken, die Abkehr vom Individualverkehr und eine verstärkte ökologische Produktion sowie eine soziale Umverteilung durch mehr Aktien für die Belegschaft", sagt Folger. Selber besucht sie keine Hauptversammlungen. "Ich schaue mir nur die Tagesordnung an, das finde ich abschreckend", sagt sie und fügt hinzu: "Aber es ist gut, wenn die Kritischen Aktionäre in meinem Sinne dort auftreten." Ihre Hoffnung ist, dass durch solche Aktionen das Bewusstsein für die Ungerechtigkeit der Weltwirtschaft wächst und sich das System radikal verändert. Und doch glaubt sie: "Ich werde das nicht mehr erleben."

    Digitale Hauptversammlungen behindern die Kritiker

    Möglicherweise bekommen die Kritischen Aktionäre demnächst Rückenwind durch die EU. Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung soll in diesem Jahr eine neue EU-Richtlinie verabschiedet werden, die Unternehmen verpflichtet, ihre Geschäftspolitik am Pariser Klimaziel auszurichten, also an einer Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad. In Großbritannien hat die Umweltorganisation Client Earth als Aktionär von Shell gegen Direktoren des Konzerns geklagt, weil diese nicht genug für die Abkehr von fossilen Energien getan hätten. In Deutschland können Minderheitsaktionäre bislang nicht gegen den Vorstand klagen – aber unter Berufung auf die geplante neue EU-Richtlinie den Vorstand verstärkt unter Druck setzen.

    Im Mai werden Dufner und seine Mitstreiter häufiger bei bayerischen Unternehmen im Einsatz sein, so bei den Hauptversammlungen von MTU Aero Engines, Puma, Münchener Rück, Adidas, BMW, Allianz und bei Hensoldt aus Ulm. Bislang will nur Adidas seine Hauptversammlung wieder in alter Form mit Aktionären vor Ort durchführen, am 11. Mai in Fürth. Die meisten Dax-Konzerne planen digitale Aktionärstreffen – diese Möglichkeit wurde zu Beginn der Pandemie gesetzlich eingeführt. Aktionärsvertreter kritisieren, dass durch die Verlagerung der Hauptversammlung ins Netz eine kritische Diskussion der Unternehmenspolitik erschwert werde. 

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