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Airbus: Showdown im Kampf um das Augsburger Premium-Aerotec-Werk

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Showdown im Kampf um das Augsburger Premium-Aerotec-Werk

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    Im September 2021 sind viele Beschäftige von Premium Aerotec auf die Straße gegangen, um gegen die Pläne des Airbus-Konzerns zu protestieren.
    Im September 2021 sind viele Beschäftige von Premium Aerotec auf die Straße gegangen, um gegen die Pläne des Airbus-Konzerns zu protestieren. Foto: Bernd Hohlen

    Die massiven Warnstreiks in deutschen Airbus-Werken haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Im vergangenen Jahr legten allein am Augsburger Standort der Konzern-Tochter Premium Aerotec Beschäftigte die Arbeit zunächst für 21 Stunden und dann für zweieinhalb Tage nieder. Mit dem Ausmaß des Widerstands rechnete die Konzern-Führung wohl nicht. Und weil die Beteiligung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an den Arbeitsniederlegungen derart hoch war, habe die Leitung des Unternehmens auf den Kurs hin zu „konstruktiven Gesprächen“ gewechselt, heißt es in der Arbeitnehmerschaft.

    Mit wem man auch immer im Hintergrund spricht, ob aus der Beschäftigten- oder Konzern-Ecke: Keiner vergisst darauf hinzuweisen, dass nun nach dem schon seit März vergangenen Jahres schwelenden Konflikt um die Zukunft der deutschen Standorte ausgesprochen offen und fair verhandelt werde.

    Für das Augsburger Werk von Premium Aerotec steht viel auf dem Spiel

    Gerade für die Werke von Premium Aerotec steht viel auf dem Spiel, sollten Standorte wie Augsburg und Varel im Kreis Friesland nach den Plänen des Managements teilweise an einen Investor verkauft werden. Der schwäbische Luftfahrt-Stützpunkt, der zugleich auch Hauptsitz von Premium Aerotec ist, würde für den Fall, dass der Zulieferer abgestoßen wird, „zerschlagen“, wie das Betriebsrätinnen und Betriebsräte nennen.

    Für den Augsburger IG-Metall-Chef Michael Leppek stellt eine solche Aufspaltung des Werkes „eine rote Linie“ dar. „Da machen wir nicht mit“, sagt er am Freitag unserer Redaktion. Nach der Stoßrichtung der Airbus-Chefetage wäre das Augsburger Werk IV mit rund 2200 Beschäftigten der Hauptleidtragende eines Verkaufs. Während die übrigen rund 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Standortes in die neue Airbus-Gesellschaft, die sich um die Struktur der Flieger kümmert, wandern würden, wäre das Schicksal des restlichen Personals in den Händen eines neuen Investors ungewiss. Denn der könnte, so glauben Betriebsrat wie Branchenkundige, der Versuchung nicht widerstehen und Arbeitsplätze an günstigere Produktionsstandorte nach Osteuropa oder Asien verlagern. Dabei werden in dem bei weitem größten Werksteil in Augsburg nicht nur kleinere Einzelteile produziert, welche die Airbus-Spitze gerne auslagern würde. Dort entsteht auch die große Sektion 19, also das Rumpfende für Maschinen der mittelgroßen A-320-Flugzeugfamilie. Hier halten Beschäftigte der Airbus-Führung vor, unlogisch zu argumentieren. Das Rumpfende sei kein Einzelteil.

    Das Blatt könnte sich für die Beschäftigten von Premium Aerotec wenden

    Doch das Blatt könnte sich zugunsten der Belegschaft wenden, zumal sie in der neuen Bundesregierung eine einflussreiche Verbündete gewonnen hat: Die SPD-Politikerin Siemtje Möller, 38, ist als verteidigungspolitische Sprecherin zur Staatssekretärin im Verteidigungsministerium aufgestiegen. Sie lebt mit ihrer Familie in Varel und ist eine der größten Kämpferinnen für das friesische Premium-Aerotec-Werk. Dabei setzt sich Möller auch für Augsburg ein. Im Wahlkampf war es ihr gelungen, den heutigen Kanzler Olaf Scholz nach Varel zu lotsen, wo er sich für den Erhalt der Jobs starkgemacht hat.

    Aus Sicht der Airbus-Führung um Guillaume Faury ist die Bundestagswahl nicht optimal für den Konzern gelaufen. Denn Möller werden noch weitere Karriereschritte zugetraut. Schon heute kann die Frau mitreden, wenn der europäische Luftfahrt-Konzern mal wieder das Wohlwollen und vor allem die Spendierbereitschaft der Bundesregierung für neue militärische Programme austestet. Die Gleichung, Varel zu verkaufen und danach Gelder in Berlin einzufordern, dürfte für Airbus nicht aufgehen.

    Die Botschaft scheint längst bei Faury angekommen zu sein, ist hinter den Kulissen zu hören. Der Airbus-Chef neige zwar dazu, wie es heißt, Dinge erst einmal laufen zu lassen, ehe er eine Entscheidung fällt, doch nun drängt die Zeit. Denn auch der neue grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck soll nach Informationen unserer Redaktion jüngst bei seinem Antrittsbesuch bei Airbus in Hamburg deutlich gemacht haben, dass er im Gegenzug für die Vergabe von Forschungsgeldern und Aufträgen an Airbus auch entsprechend positive Beschäftigungseffekte in Deutschland erwarte. Sein Gastgeber Faury kann also kaum anders, als zu erkennen, wie sehr sich in der neuen Ampelkoalition dank roter wie grüner Machtblöcke der Wind zugunsten der Beschäftigten von Airbus und Premium Aerotec gedreht hat.

    Beschäftigte von Premium Aerotec waren mit CDU-Politikern nicht zufrieden

    Die Vorgänger-Regierung – und hier vor allem die konservativen Vertreter – haben aus Sicht der Belegschaft an den Flugzeug-Standorten monatelang „nicht geliefert“, wie immer wieder erzählt wird. Ex-Wirtschaftsminister Peter Altmaier und sein CDU-Kollege, der frühere Kanzleramtsminister Helge Braun, seien eher defensiv aufgetreten. Manchmal fällt auch das Wort „lustlos“. Irgendwann Ende 2021 schien nach den heftigen Warnstreiks die Lage so verfahren zu sein, dass der Ruf nach einer Vermittlerin oder einem Vermittler laut geworden ist.

    Der Augsburger IG-Metall-Chef Michael Leppek wehrt sich gegen die Zerschlagung des Augsburger Werks.
    Der Augsburger IG-Metall-Chef Michael Leppek wehrt sich gegen die Zerschlagung des Augsburger Werks. Foto: Klaus Rainer Krieger

    Hier fielen dem Vernehmen nach die Namen zweier SPD-Politiker, nämlich der des ehemaligen Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel und jener der früheren Justizministerin und Luftfahrt-Koordinatorin Brigitte Zypries. Doch die Idee, wie in einer festgefahrenen Lohn-Tarifverhandlung eine Schlichterin oder einen Schlichter zur Hilfe zu rufen, hat sich nach Informationen unserer Redaktion zerschlagen. Nun steuert im Drama um die Zukunft tausender Arbeitsplätze alles auf einen Showdown Ende Januar zu. Dann wird noch einmal zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite auf Spitzenebene verhandelt.

    „Nun muss endlich Butter bei die Fische“, sagt ein Belegschaftsvertreter aus dem Norden. Der Augsburger Betriebsratsvorsitzende Sebastian Kunzendorf meint: „Jetzt heißt es hopp oder top.“ Hopp wäre demnach, wenn die Airbus-Spitze an ihren Verkaufsplänen etwa für große Teile des Augsburger Werkes festhält. Top wäre hingegen aus Sicht des Betriebsrats, wenn das Management die Verkaufspläne beerdigt und mit der Arbeitnehmerseite auf Augenhöhe darüber verhandelt, wie Standorte wie Augsburg wettbewerbsfähiger werden.

    Die Belegschaftsfraktion sperrt sich nicht gegen Veränderungen, ist also bereit, einfachere Arbeiten aus den Werken ins kostengünstigere Ausland zu vergeben, wenn im Gegenzug höherwertige Pakete zur Job-Sicherung hereingeholt werden. In dem Zusammenhang hatten hier Gewerkschafter wie IG-Metall-Vorstand Jürgen Kerner von „einer ausgestreckten Hand der Arbeitnehmerseite“ gesprochen.

    Am 31. Januar wird über die Zukunft von Premium Aerotec verhandelt

    Doch klar ist auch: Wenn die Airbus-Mächtigen die Hand am 31. Januar, dem Tag der Verhandlungen in Hamburg, nicht ergreifen, leitet die IG Metall eine Urabstimmung ein. Die Beschäftigten werden dann gefragt, ob sie für einen unbestimmten Streik stimmen. Ein solcher womöglich ein, zwei Wochen dauernder Arbeitskampf würde den Konzern besonders hart treffen. Schließlich hat sich die Luftfahrtindustrie schneller als erwartet erholt. Airbus steuert zumindest für Kurz- und Mittelstreckenflieger auf immer höhere Produktionsraten zu. Dem Unternehmen geht es wirtschaftlich besser, was sich auch in der Ankündigung widerspiegelt, nach einem Arbeitsplatzabbau in der Vergangenheit nun weltweit bis Jahresmitte rund 6000 Stellen zu schaffen. Für Kunzendorf steht damit fest: „Arbeit ist da, Wir wollen jetzt die Standorte weiterentwickeln.“

    Sebastian Kunzendorf kämpft als Vorsitzender des Augsburger Betriebsrats von Premium Aerotec für den Standort und die Arbeitsplätze.
    Sebastian Kunzendorf kämpft als Vorsitzender des Augsburger Betriebsrats von Premium Aerotec für den Standort und die Arbeitsplätze. Foto: Silvio Wyszengrad

    Die Arbeitnehmerseite streckt nun ein zweites Mal die Hand Richtung Führungsetage aus. Kunzendorf sagt: „Wir haben ein Interesse daran, ein tragfähiges Verhandlungsergebnis zu erzielen.“ Betriebsräte wie er lassen aber keinen Zweifel daran, dass Vorbereitungen für eine Urabstimmung und einen möglichen Arbeitskampf bereits auf Hochtouren vorangetrieben werden. Wenn die Airbus-Spitze die Hand ausschlagen sollte, droht noch im Februar ein heftiger Streik. Die Beteiligung dürfte hoch sein. Allein in Augsburg, lässt sich recherchieren, liegt der gewerkschaftliche Organisationsgrad bei über 90 Prozent, was komfortablen VW-Verhältnissen in Wolfsburg gleichkommt.

    Wie geht das Hopp-oder-Top-Spiel nun aus? Einmütig verlautet aus Beschäftigtenkreisen: „Die Chancen stehen 50:50.“ Es ist demnach aktuell unklar, ob sich eine Einigung jenseits der vom Augsburger IG-Metall-Chef Leppek skizzierten roten Linie abzeichnet, oder ob es doch zu einer Urabstimmung und einem Arbeitskampf kommt.

    Bisher werden zwei Interessenten für Premium Aerotec gehandelt

    Vielleicht gibt am Ende der politische Siemtje-Möller-Faktor den Ausschlag, Ungemach von den Werken in Varel und Augsburg abzuwehren. Deutschland ist schließlich indirekt mit knapp elf Prozent wie Frankreich an Airbus beteiligt. Das ist ein Druckmittel in den Händen der Politik. Und wie in Industriekreisen zu erfahren ist, habe Airbus bislang noch keinen überzeugenden möglichen Käufer für die Einzelteilefertigung gefunden. Branchenkennern waren zuletzt nur zwei Kandidaten bekannt, ein nicht namentlich angeführter Finanzinvestor und der Leichtbau-Spezialist Mubea aus dem nordrhein-westfälischen Attendorn. Das Unternehmen ist vor allem im Fahrzeugbau tätig, verfügt aber auch über eine „Mubea Flamm“ heißende Luftfahrt-Sparte. Die Firma wirbt auf ihrer Homepage dafür, dass sie komplexe Stanz-, Umform- und Ziehkomponenten aus Edelstahl, Aluminium und Titanlegierungen herstellt. Insgesamt arbeiten für die Mubea-Gruppe rund 14.000 Beschäftigte.

    Ob Airbus-Chef Faury am Ende einen dritten Investor aus dem Hut zaubert, gilt als offen. Doch selbst in Kreisen altgedienter Airbus-Manager heißt es: „Der Konzern muss seine Tochter Premium Aerotec selbst neu aufstellen, die Werke erhalten und die Sanierungsarbeit nicht einem Fremden aufdrücken. Das ist auch eine Frage der Ehre.“

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