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Ärger bei der Energiewende: Wenn die fertige Solaranlage nicht ans Netz kann, weil der Zähler fehlt

Ärger bei der Energiewende

Wenn die fertige Solaranlage nicht ans Netz kann, weil der Zähler fehlt

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    Karl Eberle, 75, wartete 16 Wochen auf den Anschluss seiner Photovoltaikanlage. Grund: der fehlende Zähler.
    Karl Eberle, 75, wartete 16 Wochen auf den Anschluss seiner Photovoltaikanlage. Grund: der fehlende Zähler. Foto: Michael Kerler

    Blickt Karl Eberle auf das Dach des Hauses, blutete ihm noch immer das Herz. "Die neue Photovoltaik-Anlage, die Installation, der Wechselrichter, alles war da", sagt der 75-Jährige. Nur ein Bauteil ließ in diesem sonnigen Frühjahr auf sich warten. "Es fehlte der Stromzähler." Ein entscheidendes Element: Denn ohne Zähler kann die fertig montierte Solaranlage nicht ins Netz einspeisen. Eberle konnte den Strom nicht einmal selbst nutzen. 

    Ein Zähler, denkt man, müsste sich im Handumdrehen installieren lassen. Doch weit gefehlt. Zuständig für den Einbau ist der Netzbetreiber. Eberle fragte nach, wann mit dem Einbau zu rechnen sei. Dort bestätigte man ihm, dass die Anmeldung seiner neuen Anlage ganz ordnungsgemäß eingegangen sei. Er müsse jedoch mit einer Wartezeit rechnen. Und zwar circa 16 Wochen. 

    Eberle ist von der Photovoltaik überzeugt, auf den Dächern der Familie hat er bereits früher Anlagen installiert. Klima- und Umweltschutz sind auch für ihn ein Motiv. "Unabhängig von der Parteizugehörigkeit muss man sich fragen, ob wir uns den Umgang mit der Natur noch so erlauben können wie bisher", sagt der langjährige Controler und Unternehmer. 

    Zähler fehlt: Verzögerungen bei Photovoltaik-Anlagen

    Ganz so, wie es ich die Bundesregierung wünscht, beschloss Eberle, aus privaten Mitteln nochmals in zwei weitere Anlagen zu investieren: einmal auf dem Zweifamilienhaus der Familie in Derching, daneben auf einem Neubau in Gaulzhofen. Die beiden Anlagen im Landkreis Aichach-Friedberg haben eine Leistung von 26 beziehungsweise 30 Kilowatt in der Spitze. Insgesamt hat er rund 60.000 Euro eingesetzt - eine Investition, die bei Sonnenschein guten Ertrag hätte liefern können. Ohne Zähler aber wurde daraus nichts. "Ich habe in der Wartezeit rund 4000 Euro in den Sand gesetzt", sagt er. 

    Bei dieser Anlage von Karl Eberle in Derching auf einem Haus seiner Familie zog sich die Installation des Zählers arg in die Länge.
    Bei dieser Anlage von Karl Eberle in Derching auf einem Haus seiner Familie zog sich die Installation des Zählers arg in die Länge. Foto: Karl Eberle

    Die Lechwerke in Augsburg und ihre Netz-Tochter LVN bestätigen, dass es derzeit bei der Inbetriebnahme neuer Photovoltaik-Anlagen zu Verzögerungen kommen kann. Als Grund gibt das Unternehmen eine massive Zunahme neuer Anlagen und damit eine hohe Arbeitsbelastung an: "Wir verzeichnen aktuell einen nie da gewesenen Boom bei Photovoltaik-Anlagen", berichtet das Unternehmen. "Wenn wir den aktuellen Trend hochrechnen, erwarten wir für dieses Jahr rund 30.000 Anmeldungen für neue PV-Anlagen." Zum Vergleich: Im Jahr 2022 gingen "nur" rund 7000 Photovoltaik-Anlagen ans Netz der LVN. 

    Lechwerke: Solar-Boom führt zu längeren Bearbeitungszeiten

    Zwar baue man die Kapazität zum Anschluss neuer Solaranlagen an das Netz kontinuierlich aus. "Allerdings lassen sich die Kapazitäten derzeit nicht so schnell hochfahren, wie der massive Zubau sich vollzieht", schränken die Lechwerke ein. "Hier spielen auch Faktoren wie der Fachkräftemangel eine Rolle. Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen sich außerdem erst in die komplexe Materie einarbeiten", heißt es. "Nach wie vor gibt es auch Engpässe bei der Hardware, etwa Zählern." 

    Auch in Gaulzhofen setzt die Familie auf Photovoltaik. Die Anschlussprobleme waren ähnlich.
    Auch in Gaulzhofen setzt die Familie auf Photovoltaik. Die Anschlussprobleme waren ähnlich. Foto: Karl Eberle

    Die Folge sind Wartezeiten: "Aus diesen Gründen können wir Anmeldungen für neue Einspeiseanlagen oder für Änderungen an bestehenden Anlagen aktuell nicht so schnell abarbeiten, wie es unser Ziel ist und es die Betreiberinnen und Betreiber von uns erwarten", bestätigen die Lechwerke. Man arbeite mit Hochdruck daran, die Bearbeitungszeiten wieder zu verkürzen. "Wir rechnen damit, dass wir hier in den kommenden Monaten auch entsprechende Effekte sehen." 

    Bundesverband Solarwirtschaft: Zu viel Bürokratie trifft auf Fachkräftemangel bei den Netzbetreibern

    Anderen Netzbetreibern im Bundesgebiet geht es durch den Solar-Boom ähnlich, bestätigt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft. "Grundsätzlich kommt es immer wieder zu zeitlichen Verzögerungen bei Netzbetreibern", sagt er unserer Redaktion. "Verzögerungen entstehen durch zu viel Bürokratie oder wegen fehlender personeller Kapazitäten bei den Netzbetreibern bei gleichzeitig massivem Anstieg der Anträge." 

    Viele Prozesse seien noch nicht ausreichend digitalisiert, kritisiert Körnig. "Auch spezifische Regularien für verschiedene Anlagengrößen mit diversen Netzanschlussspannungen sind Zeitfresser", sagt er. "Ein grundsätzliches Problem sind auch begrenzte Netzkapazitäten in einigen Regionen. Das lokale Netz muss hier zum Teil erst ausgebaut oder die Netzausbauplanung gestartet werden, was ebenfalls Kapazitäten bindet und teils schleppend verläuft." 

    LEW: Neue Anlagen deutlich vor Fertigstellung anmelden

    Um Wartezeiten zu senken, raten die Lechwerke, neue Anlagen frühzeitig - "deutlich vor Fertigstellung der Anlage" - bei LEW-Verteilnetz im Installateurportal anzumelden. Außerdem sei es wichtig, dass Betreiberinnen und Betreiber zusammen mit ihrem Elektrofachbetrieb auf eine korrekte und vollständige Übermittlung der Daten achten. 

    Karl Eberle hat es inzwischen geschafft. Vor einigen Tagen wurde seine Anlage ans Netz genommen. "Dass man wegen eines fehlenden Zählers auf den Ertrag verzichten muss, ist absolut nicht nachvollziehbar", wundert er sich aber noch immer.

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