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Abriss-Atlas: Mehr als 14.000 Gebäude jährlich: Reißen wir zu viel ab?

Abriss-Atlas

Mehr als 14.000 Gebäude jährlich: Reißen wir zu viel ab?

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    Das historische Mietshaus an der Gärtnerstraße 24/26 in Augsburg stand an einer städtebaulich sensiblen Stelle, aber nicht unter Denkmalschutz. Inzwischen ist es abgerissen.
    Das historische Mietshaus an der Gärtnerstraße 24/26 in Augsburg stand an einer städtebaulich sensiblen Stelle, aber nicht unter Denkmalschutz. Inzwischen ist es abgerissen. Foto: Annette Zoepf/Silvio Wyszengrad

    Betroffen ist beispielsweise das historische Generalshotel auf dem Flughafen Berlin-Brandenburg. Betroffen ist die Radrennbahn in Nürnberg. Und betroffen sind Wohnhäuser wie die "Diesel-Villa" in Augsburg. Zahlreiche Gebäude in Deutschland sind vom Abriss bedroht. Nicht immer wird dabei öffentlich so stark darüber diskutiert wie in den Beispielen. Meist findet der Abbruch schnell und ohne größere Debatten statt. Für den Klimaschutz und das kulturelle Erbe sei dies fatal, kritisiert ein neues Bündnis aus Architektur-, Kultur- und Umweltschutzorganisationen. Die Verbände stellten am Donnerstag einen "

    Pro Jahr fallen in Deutschland mindestens 14.000 Gebäude dem Bagger zum Opfer. Die Zahl könnte aber deutlich höher liegen, berichtete Alexander Stumm von der Initiative "Abriss-Moratorium", da nicht alle Abbrüche in die Statistik einfließen. Man müsse von rund 50.000 Abrissen im Jahr ausgehen. "Der Abrisswahn in Deutschland muss endlich aufhören", forderte Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe. 

    Pro Sekunde 7,3 Tonnen Bauabfall durch Abrisse

    Aus Sicht des Bündnisses sind die Abbrüche eine große Belastung für die Umwelt und das Klima. Pro Sekunde würden in Deutschland 7,3 Tonnen Abfall entstehen. Zudem gehe jede Menge "grauer Energie" verloren. Das ist die Energie, die einst für den Bau der Gebäude aufgebracht werden musste, also beispielsweise für das Brennen der Ziegel oder den Transport der Baumaterialien. Durch anschließende Neubauten würden weitere CO₂-Emissionen erzeugt, kritisiert Metz. Nach Berechnungen entstehen durch Ersatzbauten für die 14.000 abgerissenen Gebäude rund eine Million Tonnen CO₂. "Wir können uns die hohen CO₂-Emissionen und Bauabfälle im Gebäudesektor nicht leisten", kritisierte Metz deshalb. 

    Das Generalshotel in Brandenburg soll abgerissen werden.
    Das Generalshotel in Brandenburg soll abgerissen werden. Foto: Annette Riedl, dpa

    Doch es geht nicht nur um die Umwelt, sondern auch um das Bild der Städte, um das historische Erbe. "Ein Gebäude ist nicht nur eine graue Masse", sagte Ben Buschfeld vom "Kulturerbenetz Berlin", einem Zusammenschluss von Personen und Institutionen, die sich im Denkmalschutz engagieren. "Ein Gebäude strahlt auch aus, es ist ein Zeugnis der Geschichte, ein Meilenstein der Kultur, mit Sicherheit aber ein Identitätsanker", sagte er. Häufig sei es die Zivilgesellschaft, die sich für denkmalswerte Objekte starkmache. "Mit jedem Abriss gehen nicht nur wertvolle Rohstoffe verloren, es verschwinden auch Erinnerungen, Atmosphären und Spuren der Vergangenheit", sagte auch Tim Rieniets, Professor an der Leibniz Universität Hannover. 

    Forderung: Sanieren statt neu bauen

    Jetzt ist Wohnraum in Deutschland rar, die Bundesregierung hatte sich das Ziel gesetzt, 400.000 Wohnungen pro Jahr zu schaffen. Angesichts der Krise am Bau dürfte es meilenweit verfehlt werden. Das Bündnis kritisiert aber die Ergebnisse des Wohnbaugipfels Anfang dieser Woche im Kanzleramt, der gegensteuern sollte. "Die

    Blick in das ehemalige Generalshotel.
    Blick in das ehemalige Generalshotel. Foto: Patrick Pleul, dpa

    Das Bündnis fordert, bestehende Gebäude viel stärker als bisher zu sanieren, statt sie abzureißen. "Wir brauchen in Deutschland einen rechtlichen Rahmen, der Sanierung, Umbau und Erweiterungsbau gegenüber Abriss und Neubau erleichtert", sagte Metz. Deutschland brauche eine "Abreißgenehmigungspflicht", bei der die gesamte Ökobilanz betrachtet werde. Teilnehmer des Bündnisses forderten auch ein "Abriss-Moratorium", also einen zeitweisen Stopp weiterer Abrisse. 

    Im Abriss-Atlas kann man gefährdete Objekte selbst eintragen

    Aus Sicht des Bündnisses ist es nicht immer besser für die Umwelt, alte Gebäude durch energiesparende neue zu ersetzen. "Der Mythos des energieeffizienten Ersatzneubaus als beste Antwort auf die Herausforderungen der Klimakrise hält sich hartnäckig", kritisiert die Initiative Architects4Future. Rechnet man die graue Energie ein, die durch Abrisse und Neubau entsteht, werden große Emissionen verursacht. Die Sanierung sei leider häufig teuer, weil Bestandsgebäude jahrelang vernachlässigt wurden oder Bauvorschriften sehr streng seien. Es sei schwer, ein vor 100 Jahren entworfenes Gebäude auf heutige Standards zu bringen. "Wir müssen neue baurechtliche Rahmenbedingungen für Sanierungen schaffen", sagte Rieniets. 

    Am Bündnis beteiligen sich unter anderem Architects for Future, der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten, die Deutsche Umwelthilfe, Denkmalnetz Bayern, das Kulturerbenetz Berlin, die Initiative Abrissmoratorium, die Leibniz Universität Hannover und Theatrum e. V. Unter der Adresse www.abriss-atlas.de sind gefährdete Häuser zu finden. 

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