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Abgas-Affäre: Staatsanwalt erklärt Rupert Stadler die Audi-Betrugswelt

Abgas-Affäre

Staatsanwalt erklärt Rupert Stadler die Audi-Betrugswelt

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    Ex-Audi-Chef Rupert Stadler dürfte ums Gefängnis herumkommen.
    Ex-Audi-Chef Rupert Stadler dürfte ums Gefängnis herumkommen. Foto: Matthias Schrader/AP-Pool/dpa

    Es ist der erste Prozesstag nach einem der wohl am schwersten zu verstehenden Geständnisse in der Geschichte deutscher Wirtschaftsverfahren. Selten passte das Wort „kryptisch“ besser als zu dem Rätsel, das Rupert Stadlers Verteidigerin Ulrike Thole-Groll mit dem für ihren Mandaten verlesenen und mit Bandwurmsätzen gespickten späten Diesel-Skandal-Outing aufgab. Selbst juristisch geschulte Menschen mussten sich bei Richter Stefan Weickert rückversichern, ob die Ausführungen wirklich dem Geständnis entsprechen, das er sich gewünscht hat und als Voraussetzung für die von ihm in Aussicht gestellte Bewährungsstrafe ansieht. Am Ende war doch klar, dass Stadler es wirklich getan hat und sich nach dem knapp zwei Jahre und neun Monate währenden Prozess einen Schubser in die Welt der Wahrheit verpasste. 

    Am Dienstag, dem 169. Prozesstag, wirkt Stadler entspannt. Braun gebrannt nimmt der Manager mit dunkelblauem Anzug und weißem Hemd Platz. Zuvor verstaut der 60-Jährige mit dem vollen, grau melierten Haar einen grünen, modischen Rucksack unter der Anklagebank. Ein Prozess-Beobachter spricht ihn von hinten an. Stadler dreht sich um, lächelt und verkneift sich ein Gespräch mit dem Mann. Wenn alles glattläuft, liegen nur noch drei, höchstens vier Tage im unter dem Münchner Gefängnis Stadelheim gelegenen Gerichtssaal vor ihm, dann ist der Prozess beendet. 

    Staatsanwalt führt Rupert Stadler und den Mitangeklagten ihre Verantwortung vor Augen

    Zuvor darf sich der frühere Audi-Chef stundenlang von Staatsanwalt Niko Petzka anhören, warum Audi-Verantwortliche auf die schiefe Bahn geraten sind und Abgaswerte geschönt, also die Kundschaft betrogen haben. Der Jurist kämpft zunächst mit der Technik. Das Mikrofon ist nicht lang genug, sodass er im Stehen kaum verstanden wird. Der schlanke Mann mit den buschig nach oben abstehenden dunklen Haaren hat sich einiges vorgenommen. Er will den

    Mit dem früheren Audi-Chef und Giovanni P. hat sich das Gericht verständigt. Somit locken für sie Bewährungsstrafen. Was Hatz betrifft, ist der Ausgang des Prozesses für den Angeklagten noch offen. Der Staatsanwalt macht erneut klar, er habe im Gegensatz zum Richter Bedenken, dass der einstige Chef der Audi-Motoren-Entwickler mit einer Bewährungsstrafe davonkommt. Petzka bittet in seinem Plädoyer zunächst um Verständnis, dass er keinen „knappen und schmissigen“ Vortrag hält. Doch in dem so lange währenden Verfahren habe er „weitreichende Einblicke in die strukturellen Ursachen des Diesel-Skandals gewonnen“. Auch wenn das Verfahren kein Diesel-Untersuchungsausschuss sei, stellt der unaufgeregt sprechende Petzka in Richtung der drei Angeklagten fest: „Das waren nicht die Allein-Verantwortlichen.“ Dann fällt die bemerkenswerteste Feststellung des Tages, ist der Jurist doch überzeugt, im Audi-Verfahren gebe es „nicht die Hauptverantwortlichen“. Schließlich seien in dem Unternehmen so viele Beteiligte in die falsche Richtung gelaufen. Demnach lässt sich aus Sicht der Staatsanwaltschaft kein Ober-Abgas-Betrüger ausmachen. Dass die Autos mehr gesundheitsgefährdendes Stickoxid ausstießen als behauptet, ist aus Sicht von Petzka „auf eine Vielzahl von Einzelfall-Entscheidungen zurückzuführen, von denen unsere Angeklagten sicherlich bedeutsame, aber bei Weitem nicht alle getroffen haben“. 

    Den Ausgangspunkt für die Manipulationen sieht Petzka wie andere Diesel-Skandal-Experten beim Umgang mit dem Thema „Harnstoff“. So seien bei Audi viel zu kleine Tanks für ein entsprechendes AdBlue-Gemisch eingebaut worden. Mit der Mixtur lässt sich der Ausstoß gesundheitsschädlicher Stickoxide verringern. Weil der Autobauer auch noch darauf trachtete, dass die Diesel-Käufer möglichst selten

    Laut Staatsanwaltschaft sind P. und Hatz für einen erheblich umfangreicheren Schaden als Stadler verantwortlich

    Petzka geht auf die einzelnen Angeklagten ein. Dem Techniker Giovanni P. hält er vor, Mitarbeiter angewiesen zu haben, Abschalteinrichtungen einzubauen. Mit einer entsprechenden Software wurde der Ausstoß gesundheitsschädlicher Stickoxide manipuliert: Bei Tests gingen die Emissionen wie von Zauberhand nach unten, während auf der Straße viel zu viel ausgestoßen wurde. Hatz wirft der Staatsanwalt vor, als Leiter der Audi-Antriebstechnik damit einverstanden gewesen zu sein, dass Abschalteinrichtungen eingebaut werden. Stadler wiederum habe es billigend in Kauf genommen, dass solche technischen Tricksereien eingesetzt wurden. Ihm lastet der Staatsanwalt an, die Käuferinnen und Käufer über diesen den Wert ihrer Autos mindernden Umstand nicht informiert zu haben. 

    Was interessant ist: Nach Einschätzung von Petzka sind Giovanni P. und der früher zwei Ebenen über ihm stehende Hatz für einen erheblich umfangreicheren Schaden als Stadler verantwortlich. So kommt er für die beiden Ersteren auf eine Gesamtschuld von 2,2 Milliarden Euro für 94.924 Autos. Stadler hingegen rechnet er 26.546 verkaufte und mit illegaler Software ausgestattete Wagen und damit einen Schaden von 69 Millionen Euro zu. Hatz und Giovanni P. wird zum Verhängnis, dass sich die Vorwürfe gegen sie auf einen viel längeren Zeitpunkt als gegen Stadler erstrecken. Am Ende fordert der Staatsanwalt Bewährungsstrafen von jeweils zwei Jahren für Stadler und Giovanni P. Der frühere Audi-Boss solle eine Geldauflage von 1,1 Millionen Euro zahlen, der Techniker 50.000 Euro. Für Hatz hingegen strebt Petzka eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten an. 

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