Der erste Strafprozess im Audi-Abgas-Skandal steht vor seinem Ende. Am Dienstag, dem 171. Verhandlungstag in dem Mammutverfahren um manipulierte Diesel-Motoren, standen zunächst allerdings noch die Plädoyers der Verteidigung an. Auf der Anklagebank verblieben sind der frühere Audi-Ingenieur Giovanni P. sowie der ehemalige Audi-Motoren-Entwickler und Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz, und Ex-Audi-Chef Rupert Stadler. Alle drei haben gestanden. Das Verfahren gegen den vierten Angeklagten, den Kronzeugen der Staatsanwaltschaft, war vor Monaten eingestellt worden.
Auch wenn die Luft aus dem zähen, mit technischen Details dicht versehenen Verfahren ein bisschen raus ist, nachdem sich die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München II, Staatsanwalt Nico Petzka und dieAnwälte von P. und Stadler auf einen sogenannten Deal (vollumfängliches Geständnis gegen Bewährungsstrafe und Geldauflage) verständigt hatten, war noch ein gewisser Druck übrig geblieben.
Der Audi-Prozess wegen Abgasmanipulation: Sind die Angeklagten nur "Bauernopfer"?
Es begannen die Anwälte von Giovanni P., Klaus Schroth und Walter Lechner. Und sie warfen dem VW-Konzern erneut vor, ihren Mandanten zum "Bauernopfer" gemacht zu haben. Die Herstellung eines Fahrzeugs, das Projekt "Clean Diesel", sei nicht das Werk eines einzelnen, sondern von vielen. Kein Ingenieur entscheide auf eigene Faust. Deshalb: "Das Unternehmen als solches gehört auf die Anklagebank." Zudem warfen sie der Staatsanwaltschaft vor, sich von VW/Audi bei den Ermittlungen in die Irre haben führen lassen, weil sie diese letztlich von unten nach oben - und nicht umgekehrt - geführt hätten. Ihre Forderung lautete schließlich: Eine deutliche geringere Haftstrafe als von der Staatsanwaltschaft verlangt, zudem möge das Gericht nochmals über eine Verfahrenseinstellung nachdenken, sagte Schroth. Lechner plädierte für ein "gerechtes Urteil" und dafür, den Haftbefehl gegen seinen vom Verfahren schwer mitgenommenen Mandanten aufzuheben und die Kaution freizugeben.
Für den Mandanten von Gerson Trüg, den Anwalt von Ex-Audi-Motoren-Entwickler Wolfgang Hatz, ist das Verfahren noch vergleichsweise offen, denn die Staatsanwaltschaft hatte der vom Gericht vorgeschlagenen Verständigung für den früheren Audi-Motoren-Entwickler nicht zugestimmt. Trüg stellte keinen eigenen Antrag, sprach sich aber dafür aus, dass sich eine Freiheitsstrafe im Rahmen zwischen eineinhalb und zwei Jahren bewegen möge, ferner regte auch er an, den Haftbefehl aufzuheben und die Kaution freizugeben.
Der Verteidiger von Rupert Stadler fasst sich relativ kurz
Am späten Nachmittag dann konnte Stadler-Anwalt Thilo Pfordte das Wort ergreifen. Prozessbeobachter hatten auf diesen Auftritt gewartet, denn das Geständnis, das der Ex-Audi-Boss nach 166 Tagen des Abstreitens verlesen hatte lassen, war juristisch anspruchsvoll formuliert gewesen. Pfordte indes hielt es knapp, er lieferte den kürzesten, aber prägnantesten Schlussvortrag der Verteidiger. Auf die Frage, welche Strafe angemessen sei, hob Pfordte hervor, wie sehr die U-Haft Stadler geprägt habe und wie in der Folge das nach wie vor, also seit fünf Jahren, geltende Kontaktverbot gegenüber aktuellen und ehemaligen Audi-Mitarbeitern dessen Leben in Ingolstadt erschwert habe. "Das ist gravierend, nicht nur für ihn, auch für seine Umwelt."
Stadler, der zwar der prominenteste, aber nicht der Hauptangeklagte in dem Verfahren ist (bei ihm geht es um Unterlassung), habe dieses "unendlich belastet". Pfordte regte an, das Gericht möge darüber nachdenken, ob die Strafe nicht im unteren Rahmen dessen, was bei der Verständigung ausgemacht wurde, bleiben könne, sprich: ein Jahr und sechs Monate. Ferner regte er an, dass der Haftbefehl aufgehoben werden möge. In seinem letzten Wort schloss sich der tief gefallene Ex-Audi-Boss den Worten seines Verteidigers an: "Ich habe keine weiteren Ergänzungen."
Staatsanwalt Petzka hatte vergangene Woche Bewährungsstrafen von jeweils zwei Jahren für Stadler und Giovanni P. gefordert. Der frühere Audi-Boss solle ferner eine Geldauflage von 1,1 Millionen Euro zahlen, der Techniker 50.000 Euro. Für den vormaligen Porsche-Vorstand Hatz hingegen strebt Petzka neben 400.000 Euro Geldstrafe eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten an. Petzka hatte mit Blick auf alle drei Angeklagten festgestellt, sie seien nicht die Allein-Verantwortlichen und im Audi-Verfahren gebe es "nicht die Hauptverantwortlichen".
Es bleibt abzuwarten, wie die Kammer unter dem Vorsitzenden Richter Stefan Weickert die Dinge final sieht und begründet: Das Urteil soll kommende Woche verkündet werden.