Startseite
Icon Pfeil nach unten
Wirtschaft
Icon Pfeil nach unten

Wirtschaft: Zehn Monate kaum Arbeit: Wie sieht die Zukunft der Messen nach Corona aus?

Wirtschaft

Zehn Monate kaum Arbeit: Wie sieht die Zukunft der Messen nach Corona aus?

    • |
    Die Hannover Messe kann nun schon zum zweiten Mal nicht in ihrer geplanten Form stattfinden. Wie sieht die Zukunft der Messen nach Corona aus? Wird alles ins Digitale verlagert?
    Die Hannover Messe kann nun schon zum zweiten Mal nicht in ihrer geplanten Form stattfinden. Wie sieht die Zukunft der Messen nach Corona aus? Wird alles ins Digitale verlagert? Foto: Holger Hollemann, dpa

    Die Kooperation zwischen der Hannover Messe und dem 17.000-Inseln-Staat Indonesien wird Corona überdauern. Das südostasiatische Land war 2020 Partnerland der eigentlich größten, aber dann abgesagten Industrie-Schau der Welt, ist es auch heuer und wird es 2023 sein, wenn sich, hoffentlich, alle wieder von Angesicht zu Angesicht treffen und mehr über die wirtschaftlichen Ambitionen und Produkte des Tigerstaates erfahren können.

    Im April wird es bei einem digitalen Format bleiben müssen, denn das Virus und seine Mutanten machen ein internationales Branchentreffen mit normalerweise rund 200.000 Besuchern und 6000 Ausstellern nach wie vor unmöglich. Zu besprechen gibt es vom 12. bis zum 16. April vieles: welche Rolle Künstliche Intelligenz in der Industrie spielen wird, wie viel Potenzial Wasserstoff hat. Etwa 1000 Unternehmen werden sich dort nun digital zeigen, darunter Kuka. Der Augsburger Automatisierungsspezialist und Roboterbauer will dort der Welt "erste Elemente" eines "Betriebssystems der Zukunft" präsentieren. Der Zugang zur Robotik soll im Mainstream ankommen.

    Internationale Grüne Woche: Digitalisierung kann Messen nicht ersetzen

    Die Hannover Messe leidet an der aktuellen Situation wie die Konkurrenz auch. Inzwischen werden viele Messen bereits zum zweiten Mal abgesagt oder eben online abgehalten. Die Bau-Messe in München fand digital statt. Genauso die Internationale Grüne Woche (IGW) in Berlin. Insgesamt zählten die Veranstalter dort 50.000 Zugriffe auf die digitalen Angebote. Manche Elemente könnten auch in Zukunft Verwendung finden, heißt es. Aber die Digitalisierung könne den Erlebnischarakter einer IGW nicht ersetzen, sagt eine Sprecherin auf Anfrage. Und weiter: "Lebensmittel muss man schmecken, riechen und anfassen können."

    Für die Branche sind Präsenz-Veranstaltungen allein aus wirtschaftlicher Sicht bald wieder notwendig. Beispielhaft zeigen das die Zahlen der Nürnberger Messe: Der Umsatz ging von mehr als 285 Millionen Euro im Jahr 2019 auf 115 Millionen Euro im Jahr 2020 zurück. Mit am Umsatz beteiligt sind hier die von Corona ungetrübten Monate Januar und Februar sowie Messe-Veranstaltungen in anderen Ländern. Das Unternehmen gibt für das Jahr 2020 einen Verlust von 50 bis 60 Millionen Euro an. Zwei Drittel der Angestellten am Standort Nürnberg sind in Kurzarbeit.

    Nächste Messe im Augsburger Terminkalender ist im September

    Auch die Messe Augsburg hat zu kämpfen. Ende Januar 2020 fand mit der Augsburger Frühjahrsausstellung (afa) die letzte große Veranstaltung statt. Seit März wird die Messe kaum benutzt. Im Sommer gab es lediglich Konzerte und ein Autokino vor dem Gelände. In der Halle 3a ist das Corona-Testzentrum untergebracht. Ansonsten steht das Gelände leer. Der Jahresumsatz der Messe Augsburg lag 2020 bei 3,6 Millionen Euro. Im Jahr 2019 waren es noch 6,3 Millionen. Um liquide zu bleiben, musste das Unternehmen Kredite aufnehmen. 2021 geht es genauso weiter. Die Messe Jagen und Fischen wurde genauso abgesagt wie die afa 2021. Die nächste Messe auf dem Terminkalender der Augsburger ist die Americana im September.

    Während Messen versuchen, sich mit Online-Veranstaltungen über Wasser zu halten, können andere Betriebe nicht ins Digitale ausweichen. Das Augsburger Unternehmen Deka Messebau hat seit März so gut wie keine Aufträge erhalten. Die Umsätze des Familienbetriebs sind in der Pandemie um 80 Prozent eingebrochen. Geschäftsführer Stephan Karrer sagt, es schmölzen momentan die Reserven, der Boden sei langsam zu sehen. "Das ist eine psychische Belastung, nicht nur für mich, sondern auch für die Arbeitnehmer", sagt Karrer.

    Die Messebauer in Deutschland sind seit April fast durchgehend in Kurzarbeit

    Seit April hat er für alle seine Mitarbeiter Kurzarbeit angemeldet. Karrer hat versucht, in verschiedenen Bereichen Aufträge an Land zu ziehen: Das Unternehmen hat Spuckschutzscheiben gebaut, zwei Corona-Teststationen aufgebaut, es stattet Büros aus. Aber oft arbeiten nur fünf seiner 35 Mitarbeiter.

    Karrer sagt, mit der Zeit werde er müde von der Situation. "Ich habe seit zehn Monaten keine Möglichkeit, in meinem doch erfolgreichen Geschäft tätig zu sein." Die Corona-Hilfen bezeichnet er im Vergleich zu den Ausgaben als "Tropfen auf dem heißen Stein". In einigen Monaten, etwa September und Oktober, habe es gar keine Hilfen gegeben, weil kein Lockdown war. "Wir durften ja trotzdem nicht arbeiten", so Karrer. An der Messebranche hingen sehr viele Arbeitsplätze. "Aber trotzdem werden wir irgendwie nicht wahrgenommen."

    Chronologie der Corona-Pandemie in Deutschland

    Im Januar 2020 ist die erste Corona-Infektion in Deutschland bekannt geworden. Ein Rückblick:

    27. Januar: Erste bestätigte Infektion in Deutschland. Zwei Wochen später ist der Mann aus Bayern wieder gesund.

    25./26. Februar: Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen melden erste nachgewiesene Fälle. Weitere Bundesländer folgen, am 10. März hat Sachsen-Anhalt als letztes Land seinen ersten Fall.

    9. März: In NRW gibt es die ersten Todesfälle innerhalb Deutschlands. Die Zahl der Infektionen steigt bundesweit auf mehr als 1000.

    12./13. März: Immer mehr Theater und Konzerthäuser stellen den Spielbetrieb ein. Die Fußball-Bundesliga pausiert.

    16. März: An den Grenzen zu Frankreich, Österreich, Luxemburg, Dänemark und der Schweiz gibt es Kontrollen und Einreiseverbote. In den meisten Bundesländern sind Schulen und Kitas geschlossen.

    17. März: Mehrere Konzerne kündigen an, ihre Fabriken vorübergehend zu schließen.

    22. März: Verbot von Ansammlungen von mehr als zwei Menschen. Ausgenommen sind Angehörige, die im eigenen Haushalt leben. Cafés, Kneipen, Restaurants, aber auch Friseure zum Beispiel schließen.

    15. April: Auf eine schrittweise Aufnahme des Schulbetriebs ab 4. Mai verständigen sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Länderchefs.

    20. April: Geschäfte unter 800 Quadratmetern Fläche dürfen wieder öffnen. Als erstes Bundesland führt Sachsen die Maskenpflicht für ÖPNV und Einzelhandel ein. Alle anderen ziehen nach.

    22. April: Für Firmen, Arbeitnehmer und Gastronomie werden milliardenschwere Hilfen beschlossen.

    6. Mai: Die Länder bekommen weitgehende Verantwortung für die Lockerung von Beschränkungen - etwa für Hotels, Gastronomie, Fahrschulen, Schwimmbäder und Fitnessstudios.

    16. Mai: Sachsen-Anhalt registriert als erstes Bundesland seit Ausbruch der Pandemie keine Neuinfektionen im Vergleich zum Vortag. Die Fußball-Bundesliga legt wieder los - ohne Fans in den Stadien.

    16. Juni: Im Kampf gegen das Virus geht eine staatliche Warn-App an den Start. Sie soll dabei helfen, Infektionen nachzuverfolgen. 

    29. August: Etwa 40.000 Menschen protestieren in Berlin gegen die Corona-Maßnahmen. Demonstranten durchbrechen die Absperrung vor dem Reichstag und stürmen auf die Treppe.

    30. September: Angesichts wieder steigender Infektionszahlen fordert die Kanzlerin zum Durchhalten auf. "Wir riskieren gerade alles, was wir in den letzten Monaten erreicht haben", sagt Merkel im Bundestag.

    7./8. Oktober: Die Bundesländer beschließen ein Beherbergungsverbot für Urlauber aus inländischen Risikogebieten. 

    22. Oktober: Die Zahl der Neuinfektionen binnen eines Tages hat erstmals den Wert von 10.000 überschritten. Das Robert Koch-Institut (RKI) macht vor allem private Treffen dafür verantwortlich.

    2. November: Ein Teil-Lockdown mit Einschränkungen bei Kontakten und Freizeitaktivitäten soll die zweite Infektionswelle brechen.

    9. November: Als erste westliche Hersteller veröffentlichen Biontech und der US-Pharmakonzern Pfizer vielversprechende Ergebnisse einer für die Zulassung ihres Corona-Impfstoffs entscheidenden Studie.

    18. November: Unter dem Protest Tausender in Berlin machen Bundestag und Bundesrat den Weg für Änderungen im Infektionsschutzgesetz frei.

    25. November: Die Beschränkungen für persönliche Kontakte werden für weitere Wochen verschärft. Darauf verständigen sich Bund und Länder.

    27. November: Die Zahl der nachgewiesenen Infektionen in Deutschland hat nach RKI-Daten die Millionenmarke überschritten. 

    2. Dezember: Als erstes Land der Welt erteilt Großbritannien dem Impfstoff von Biontech und Pfizer eine Notfallzulassung und startet seine Impfkampagne wenige Tage später. 

    16. Dezember: Der seit November geltende Teil-Lockdown reicht nicht aus. Der Einzelhandel muss mit wenigen Ausnahmen schließen.

    18. Dezember: Die Zahl der binnen eines Tages gemeldeten Infektionen in Deutschland ist erstmals auf mehr als 30.000 gestiegen.

    21. Dezember: Zum Schutz vor einer infektiöseren Virus-Variante dürfen keine Passagierflugzeuge aus Großbritannien mehr in Deutschland landen. Der Corona-Impfstoff von Biontech erhält von Brüssel die bedingte Marktzulassung. Somit können die Impfungen in der EU beginnen. Am 6. Januar wird auch der von Moderna zugelassen.

    24. Dezember: Heiligabend im Zeichen der Pandemie. Familienfeiern sollen klein bleiben, Christmetten wenn überhaupt nur auf Abstand stattfinden. Zudem wird die in Großbritannien aufgetretene Variante des Coronavirus erstmals auch in Deutschland nachgewiesen.

    26. Dezember: Einen Tag vor dem offiziellen Impfstart werden in einem Seniorenzentrum in Sachsen-Anhalt eine 101 Jahre alte Frau und etwa 40 weitere Bewohner geimpft. 

    27. Dezember: In allen Bundesländern beginnen die Impfungen. Zuerst sollen Menschen über 80, Pflegeheimbewohner sowie Pflegekräfte und besonders gefährdetes Krankenhauspersonal immunisiert werden.

    1. Januar 2021: Deutschland kommt vergleichsweise ruhig ins neue Jahr. Der Verkauf von Silvesterfeuerwerk war verboten. 

    14. Januar: Das Statistische Bundesamt schätzt, dass die deutsche Wirtschaftsleistung 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 5,0 Prozent eingebrochen ist.

    15. Januar: Mehr als zwei Millionen Corona-Fälle sind hierzulande bekannt geworden, knapp 45.000 Menschen sind an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Sars-CoV-2-Infektion gestorben.

    19. Januar: Bund und Länder verlängern den Lockdown bis Mitte Februar. Zudem werden die besser schützenden FFP2-Masken oder OP-Masken in Bus und Bahn sowie beim Einkaufen obligatorisch.

    21. Januar: Mehr als 1,3 Millionen Menschen haben in Deutschland bereits ihre erste Corona-Impfung erhalten, etwa 77.000 auch schon die zweite. (dpa)

    Unklar ist, wie Messen nach Corona aussehen

    Wie es nach Corona weitergeht, kann sich Karrer aktuell noch nicht vorstellen. Vielleicht kommt es zu einem regelrechten Ansturm, weil es weniger Betriebe gibt. "Ich weiß, dass manche Kollegen das Handtuch geworfen haben", sagt der Unternehmer. Vielleicht sind die Auftraggeber aber erst noch zögerlich, müssen sich wirtschaftlich erholen. Oder Messen finden weiter in Teilen online statt. Egal in welcher Form, Karrer hofft, bald wieder richtig zu arbeiten.

    Bundeskanzlerin Angela Merkel wird wieder bei der Hannover Messe zu Gast sein. Mit dem letzten Rundgang ihrer Kanzlerschaft wird es zur Eröffnung aber nichts werden. Digital spaziert es sich schlecht zwischen Messeständen. Und Hände schütteln geht auch nicht.

    Lesen Sie dazu auch:

    Messe München verliert 170 Millionen Euro durch Corona

    "Schäbig" - Ökonom Felbermayr kritisiert zu langsame Corona-Hilfen

    Die Krise wegen Corona spitzt sich an der Messe Augsburg zu

    Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden