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E-Autos: Wo das weiße Gold für die deutsche Auto-Zukunft schlummert

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Wo das weiße Gold für die deutsche Auto-Zukunft schlummert

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    Das ist ein Kanal zum Absaugen der wertvollen Rohstofflösungen, die unter der Salzkruste des Salar de Uyuni in Bolivien lagern.
    Das ist ein Kanal zum Absaugen der wertvollen Rohstofflösungen, die unter der Salzkruste des Salar de Uyuni in Bolivien lagern. Foto: Georg Ismar, dpa

    Er ist schon eine Show, der Salar de Uyuni. 140 Kilometer lang, 110 Kilometer breit, der größte Salzsee der Welt. Ein aufregender Ort. Kostbar wie eine Schatzkammer. Weltweit bedeutend, weil wegweisend für die Zukunft der Auto-Industrie. Und wunderschön.

    Optisch gehört das riesige Areal zu den vielleicht beeindruckendsten in ganz Südamerika. Die scheinbar unendliche Fläche mit ihren in allen erdenklichen Farben schimmernden Lagunen; dem so grellen Weiß, das in den Augen schmerzt; den spektakulären Kakteen und Gesteinen, die sich so zusammenfügen wie vielleicht nirgendwo auf der Welt. Einst haben Lasttiere von hier das Salz wegtransportiert, die Lebensgrundlage dieser Region im Hochland Boliviens. Deshalb hat das indigene Volk der Aymara den See und die nahe Kleinstadt Uyuni genannt – Platz der Lasttiere.

    Die spektakuläre Naturschönheit birgt noch einen anderen Reichtum in sich. Einen, der Bolivien helfen soll, weitere Schritte heraus aus der Armut zu machen. Das ist das eine. Vor allem aber, und das ist die globale Bedeutung, soll er dem rasant wachsenden Markt der Elektromobilität die notwendige Energie liefern. Das Zauberwort heißt Lithium, ein chemisches Element, das in Handys verwendet wird oder in beheizbarer Kleidung. Und: das für Autobatterien dringend benötigt wird, wenn eines fernen Tages die Masse an Fahrzeugen nicht mehr mit Benzin oder Diesel, sondern mit Elektrizität fahren soll.

    Die Wirtschaftswelt spricht längst vom „weißen Gold“, so wie sie einst Karbon zum „schwarzen Gold“ der Industrie ernannt hat. Ohne Lithium, dem Schmierstoff für Batterien mit möglichst langer Reichweite, geht nichts bei der geplanten E-Auto-Offensive.

    Daher hat sich auch der Preis je Tonne seit 2016 auf zeitweise gut 13.000 US-Dollar mehr als verdoppelt. Und auch der Markt für Lithium-Ionen-Batterien ist deutlich gewachsen, zwischen 2005 und 2015 jährlich im Schnitt um 15 Prozent. Von aktuell 65 Milliarden US-Dollar soll er Schätzungen zufolge bis 2025 auf etwa 100 Milliarden Dollar zulegen.

    Der härteste Konkurrent ist wieder mal China

    Die größten Lithium-Vorkommen schlummern in südamerikanischen Ländern wie Argentinien und Chile, zudem in Australien und China, dem aktivsten Spieler auf dem Markt. Was nicht von ungefähr kommt: Die Volksrepublik hat sich 2017 zum größten Absatzmarkt für E-Autos entwickelt und will auch größter Produzent von entsprechenden Batterien werden. Rezzo Schlauch wiederum, einst Chef der Grünen-Bundestagsfraktion sowie Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und heute Wirtschaftsberater, versucht derzeit, deutsche Geldgeber für eine Mine in der Mongolei zu gewinnen.

    Der Anden-Staat Bolivien ist das weltweit zweitgrößte Reservoir. Gemeinsam mit Chile und Argentinien wird er als das „Saudi-Arabien Südamerikas“ bezeichnet. Um den Lithium-Reichtum unter der Salzkruste zu bergen, sucht Staatspräsident Evo Morales seit Jahren nach den richtigen Partnern. „Lithium ist das neue Erdgas“, schwärmt er. Doch seinem Land fehlt es an Know-how, um es zu fördern und zu kommerzialisieren.

    Diese Hilfe soll nun aus Deutschland kommen – ausgerechnet aus der von Diesel-Skandal und Stickoxid-Debatte gebeutelten Auto-Nation, die in diversen Krisengipfeln verzweifelt nach zukunftstauglichen und zugleich arbeitsplatzfreundlichen Lösungen sucht. Und mit Blick aufs nahende Elektro-Zeitalter auch darüber diskutiert, ob hierzulande nicht dringend eigene Fertigungsstätten für Lithium-Ionen-Batterien gebaut werden sollten.

    Nein, das sind nicht die Alpen und das ist auch nicht Schnee. Dies ist der größte Salzsee der Welt in Bolivien, und unter der Kruste schlummert das Lithium.
    Nein, das sind nicht die Alpen und das ist auch nicht Schnee. Dies ist der größte Salzsee der Welt in Bolivien, und unter der Kruste schlummert das Lithium. Foto: Georg Ismar, dpa

    Präsident Morales baut auch deshalb auf Deutschland, weil er Angst davor hat, dass Bolivien wie so viele andere Länder in die Rohstoff-Falle tappen, sprich ausgebeutet werden könnte. „Wir brauchen Partner, keine Besitzer“, sagt der Sozialist. Deshalb kein weltweit tätiger Bergbaukonzern, kein Investor aus China – und es waren einige im Rennen –, sondern eine kleine Firma aus Baden-Württemberg als strategischer Partner des Staatsunternehmens Yacimientos de Litio Bolivianos (YLB). Die Firma heißt ACI Systems Alemania (ACISA), gerade einmal 20 Mitarbeiter, neu gegründeter Zweig des Energie-Spezialisten ACI Group, zu Hause in der Kleinstadt Zimmern ob Rottweil.

    Zur Vertragsunterzeichung versammelte sich kürzlich in der baden-württembergischen Vertretung in Berlin viel politische Prominenz. Von deutscher Seite war Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) dabei, Präsident Morales und Energieminister Rafael Alarcón vertraten Bolivien.

    Um Morales’ Sichtweise zu verstehen, ist ein Blick in die bolivianische Geschichte nötig. Einst waren in der Provinz Potosí, zu der der Salar de Uyuni gehört, riesige Silbervorkommen entdeckt worden. Das Vermögen wurde aber weitgehend von spanischen Kolonialherren geraubt. Zwar galt Potosí einmal als eine der reichsten Städte der Welt, doch von dem Reichtum der Vergangenheit ist heute nicht mehr viel übrig.

    Einst stürzten sich alle auf Silber. Jetzt ist es Lithium

    Auf Silber folgt nun Lithium. „Einer der Schlüsselrohstoffe des 21. Jahrhunderts“, sagt ACISA-Chef Wolfgang Schmutz. Dem Mittelständler, der zwischen 2021 und 2091 bis zu 50.000 Tonnen im Jahr fördern will, ist ein wirtschaftlicher Coup gelungen, über den auch die deutsche Autoindustrie nicht unglücklich sein dürfte. „Durch das Joint Venture sichert sich Deutschland erstmals nach Jahrzehnten wieder den direkten Zugriff auf wichtige, nicht-heimische Rohstoffe“, sagt Schmutz. Mit der Menge lassen sich hunderttausende E-Autos versorgen. 85 Prozent des geförderten Rohstoffs sollen nach Deutschland gehen.

    In Bolivien aber freuen sich längst nicht alle über den sich abzeichnenden Boom. Mit Sorge nehmen viele Menschen die Probleme aus dem Nachbarland Chile zur Kenntnis. Dort kommt es beim Abbau von Lithium Medienberichten zufolge zu teils massiven Umweltschäden. Jährlich werden in Chile etwa 21.000 Tonnen produziert. Um an das „weiße Gold“ zu gelangen, pumpen die Minenbesitzer mineralhaltiges Grundwasser in große, künstlich angelegte Becken. Darin wird die Salzlake gezielt zum Verdunsten gebracht. Schließlich bildet sich ein Lithium-Konzentrat, das schließlich zum begehrten Lithium-Karbonat weiterverarbeitet werden kann. Mehr als die Hälfte des weltweit gewonnenen Lithiums gelangen anhand dieser Produktionsweise aus Chile auf den Weltmarkt.

    Doch das hat eben auch Folgen für die Umwelt. So wirkt sich der Lithium-Abbau in der Atacama-Wüste direkt auf die Wasserreserven der gesamten Region aus. Weil Grundwasser verwendet wird, sinkt dessen Spiegel dramatisch ab. Die Folgen sind ausgetrocknete Flussläufe, verdorrte Wiesen und verzweifelte Bauern. Die Proteste der lokalen Landwirte, die unter dem Wasserentzug leiden, verhallen ungehört. Im Gegenteil: Chile will die Produktion weiter ausbauen.

    In Bolivien soll genau das nicht passieren, glaubt man den deutschen Partnern. Bundeswirtschaftsminister Altmaier sagt: „Deutschland soll ein führender Standort für die Batteriezellfertigung werden.“ Daher sei ein verlässlicher und wettbewerbsfähiger Rohstoffbezug aus umweltgerechter Gewinnung und Weiterverarbeitung nötig.

    Die deutsche Partnerfirma verspricht schonende Verfahren

    Auch die ACISA versucht, solche Bedenken zu zerstreuen. „Mit dem Joint Venture beschreiten die Partner auch technologisch neue Wege. So kommt für eine nachhaltige, umwelt- und sozial verträgliche Gewinnung und Industrialisierung des Lithiums modernste Technologie zum Einsatz“, teilt das Unternehmen mit. Man habe gemeinsam mit Partnern ein weltweit einzigartiges Verfahren entwickelt. Es ermögliche, Lithiumhydroxid mit hoher Ausbeute aus der Restsole mit einem hohen Magnesiumanteil zu gewinnen. „Gleichzeitig verringert das innovative Verfahren den Wasserverbrauch im Vergleich zu den bisher eingesetzten Technologien um rund die Hälfte.“

    Und die Deutschen wollen noch mehr unternehmen. Um den CO2-Ausstoß deutlich zu reduzieren, werden 20 bis 30 Prozent des Energiebedarfs der Anlage durch eine eigene Fotovoltaikanlage am Salar de Uyuni gedeckt. Diese Technologien würden ganz wesentlich dazu beitragen, den Rohstoff nachhaltig und kosteneffizient abzubauen, versprechen sie.

    Mit Spannung werden eben diese deutschen Partner auch die anstehenden Wahlen in Bolivien verfolgen. Die sind nicht unumstritten. Die bolivianische Verfassung sieht eigentlich keine weitere Amtszeit des amtierenden Präsidenten vor. Morales und seine sozialistische Regierungspartei ließen vor knapp zwei Jahren eigens dafür ein Referendum abhalten, um sich eine weitere Kandidatur demokratisch absegnen zu lassen. Doch eine knappe Mehrheit der Bolivianer befand, dass eine Amtszeitbegrenzung der bessere Weg sei.

    De facto wäre Morales’ politische Karriere damit eigentlich beendet gewesen. Doch nachdem dieser zunächst das Ergebnis akzeptiert hatte, wendete sich das Blatt. Morales setzte auf juristischem Weg und gegen das Abstimmungsergebnis eine erneute Kandidatur durch. Seitdem gibt es zum Teil blutige Proteste. Zudem ist Morales’ Unterstützung für die blutige Diktatur in Venezuela umstritten. All das könnte Einfluss auf eine Wiederwahl des Präsidenten haben. Und wie eine neue Regierung zu den Verträgen steht, wenn die Lithium-Förderung noch gar nicht begonnen hat, weiß in diesen instabilen Zeiten bislang niemand. (mit anf und dpa)

    Lesen Sie dazu auch unseren Kommentar: Sieben Fakten für eine sachliche Debatte ums Auto.

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